italienischen
FamilieNamens Arrighetto, welche 1267 als ghibellinisch aus
Florenz
[* 2] vertrieben worden war und sich in
Frankreich
niedergelassen hatte, wo ihre
Güter von
Ludwig XIV. zu dem Marquisat Mirabeau erhoben wurden. Mirabeau war ein eifriger Verteidiger des
physiokratischen
Systems und schrieb in diesem
Sinn eine
MengeSchriften, wie
»Ami des hommes« (Par. 1755, 5 Bde.),
»La philosophie rurale« (das. 1763, 4 Bde.).
Sein Lebenswandel war ein durchaus zügelloser. Er starb in
Argenteuil.
2) HonoréGabrielVictor Riquetti,
Graf von, einer der bedeutendsten
Männer der französischen
Revolution,
Sohn des vorigen, geb. zu
Bignon in der
Provence, trat, 17 Jahre alt, als
Leutnant in das Kavallerieregiment
Berri,
führte jedoch in der kleinen
GarnisonSaintes ein so zügelloses
Leben, daß ihn der
Vater 1768 auf der
InselRé bei La
Rochelle
gefangen setzen ließ und ihn sodann mit der französischen
LegionLorraine nach
Corsica
[* 4] sandte. Hier gewann
Mirabeau durch ausgezeichnetes Verhalten das Vertrauen seiner Vorgesetzten und die
Liebe seiner
Mannschaften. Da der
Vater ihm aber
den Ankauf einer
Kompanie verweigerte, verließ Mirabeau 1770 mit dem
Grad eines
Hauptmanns den
Dienst und begab sich auf ein
Familiengut in
Limousin, wo er das
physiokratische System ausüben sollte. 1772 verheiratete ihn der
Vater mit der einzigen
Tochter des
Marquis von Marignan, einer schönen, aber eiteln und oberflächlichen Weltdame, mit der er ein großes
Haus machte,
aber unglücklich lebte.
Sein schon in
Manosque begonnener, damals vollendeter »Essai sur le despotisme« machte
durch kühne Freiheitsgedanken und kräftige
Sprache
[* 7] großes
Glück. Inzwischen sprach das
Gericht zu
Pontarlier das Todesurteil
über den Entführer aus, und sein Bildnis ward an den
Galgen geheftet. Zufolge der auf Betrieb seines
Vaters angestellten
Recherchen ward auch bald entdeckt, im Mai 1777 von den
Generalstaaten ausgeliefert und ins
SchloßVincennes
in
Haft gebracht, während man
Sophie in das St. Klarakloster zu
Gien sperrte.
Die
Briefe, welche Mirabeau von seinem Gefängnis aus an seine Geliebte schrieb, wurden später
von
Manuel im Polizeiarchiv zu
Paris
[* 8] aufgefunden und unter dem
Titel:
»Lettres originales de Mirabeau, écrites du donjon de
Vincennes«
(Par. 1792, 2 Bde.) veröffentlicht.
Sie wurden in
Frankreich als ein klassisches
Buch der
Liebe viel gelesen. Daneben verfaßte Mirabeau während seinerHaft
in
Vincennes seinen durch gewaltigen
Stil ausgezeichneten »Essai sur les
lettres de cachet et les prisons d'État« (Hamb. 1782, 2 Bde.).
Erst im
Dezember 1780 wurde er aus seinem Gefängnis befreit.
Die für seinen Feuergeist unerträgliche Kerkerhaft war eine harte
Prüfung für ihn; aber er ging nicht unter, nur sog
sein
GeistHaß und Rachegefühl gegen das grausame
System ein, unter
dem er so furchtbar gelitten. Nicht nur hatte er die sprudelnde
Frische und die unverwüstliche
Spannkraft seines
Wesens behalten, sondern auch seine Kenntnisse erweitert und sein
Urteil
gebildet.
Sofort begann er durch kühne
Prozesse seine Wiederherstellung in derGesellschaft. Im
September 1782 erwirkte
er durch seine Selbstverteidigung vor dem
Gericht zu
Pontarlier die Aufhebung des gegen ihn und
Sophie ergangenen
Urteils.
Den
Prozeß gegen seine Gemahlin aber verlor er (1783), obwohl er sein Verhalten glänzend rechtfertigte. Auch entzweite
er sich mit seiner Geliebten, die ihm untreu wurde und 1789 durch
Selbstmord endete. Auf sich selbst angewiesen,
in tiefer, bitterer Geldnot, mußte er von seiner
Feder leben. Er schrieb zahlreiche
Schriften gegen die politischen und sozialen
Schäden seiner Zeit. Nach einem kurzen Aufenthalt in
England verließ er 1785
Paris wieder, um nach
Berlin
[* 9] zu gehen, wo er
Friedrich
II. vorgestellt wurde. Im Mai 1786 nach
Paris zurückgekehrt, reichte er ein
Memoire über die
Lage der
europäischen
Staaten ein, worin er mit
Freimut die mißliche
StellungFrankreichs, namentlich zu
Preußen,
[* 10] beleuchtete, und ward
hierauf abermals nach
Berlin gesandt.
Bei seinem frühern Aufenthalt daselbst mit dem
MajorMauvillon bekannt geworden, benutzte er die von diesem
gesammelten Materialien und seine eignen
Erfahrungen zur Abfassung seines Werkes
»Sur la monarchie prussienne sous Frédéric
le
Grand« (Par. 1787, 4 Bde.;
Lond. 1788, 8 Bde.; deutsch von
Mauvillon und
Blankenburg, Braunschw. u. Leipz.
1794-96, 4 Bde.), das die Mängel des preußischen
Staats und die notwendigenReformen mit überraschendem
Scharfblick darlegte.
Bei den
Wahlen für die
Generalstände 1788 wiesen die
Stände der
Provence seine Kandidatur wegen seiner Vergangenheit zurück.
Jetzt bewarb er sich um eine Vertretung des dritten
Standes, ward in
Aix und
Marseille zugleich gewählt, entschied sich für
Aix und ging 1789 als Deputierter nachVersailles.
[* 11] Hier gründete er 7. Mai das
»Journal des
États-Généraux«,
das zwar unterdrückt, aber von ihm unter dem
Titel:
»Lettres du comte de à ses commettants« fortgesetzt wurde.
In der Versammlung selbst verhielt er sich anfangs beobachtend; bald aber lösten ihm der Übermut der
Aristokratie und der
Haß gegen den
Despotismus die
Zunge, und in der königlichen
Sitzung vom 23. Juni sprach er das entscheidende
Wort, mit welchem die
Revolution ihren Anfang nahm, indem er im
Namen der
Deputierten des dritten
Standes erklärte, daß sie
dem Befehl des
Königs, auseinander zu gehen, nicht gehorchen, sondern nur der Übermacht der Bajonnette
weichen würden.
Übrigens war das Auftreten Mirabeaus zwar kühn, ja herausfordernd, sein eigentliches
Ziel aber gemäßigt. Er wollte den
Umsturz des alten despotischen, verrotteten
Systems und eine freie, aber monarchische
Verfassung. Darum suchte er sich dem
König zu nähern und vor allem einen
Staatsstreich zu verhindern.
DiesenZweck hatte auch die 8. Juli von
ihm beantragte und angenommene
Adresse, in welcher der König um
Entfernung der um
Versailles zusammengezogenen
Truppen gebeten
wurde. Zu diesem Behuf verfaßte er ferner 15. Okt. eine
Denkschrift für den König; zwar verlangte er unbedingte
Anerkennung
der
Reformen vom 4. Aug., sonst jedoch wollte er behilflich sein zur Aufrichtung einer festen
Ordnung und einer
starken monarchischen
Gewalt und riet sogar zur Übersiedelung nach
Rouen,
[* 12] um der verderblichen Einwirkung des
PariserPöbels
zu entgehen. Mirabeau setzte auch zu diesem
Zweck in der
Nationalversammlung das
Martialgesetz durch, verteidigte die
vollziehende Gewalt
und suchte 6. Nov. den
Ministern eine beratende
Stimme in der Versammlung zu sichern. Jedoch
¶
mehr
erregte er nur das Mißtrauen der Versammlung, die durch ihren Beschluß vom 7. Nov., daß kein Mitglied Minister werden dürfe,
eine parlamentarische Monarchie und ein Ministerium Mirabeau unmöglich machte. An den großen Verfassungsdebatten nahm Mirabeau lebhaften
Anteil im Sinn der Mäßigung; berühmt waren namentlich seine zwei Reden im Mai 1790 für das Recht des
Königs, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, durch die er einen glänzenden Sieg erfocht. Aber der König schenkte
ihm kein Vertrauen trotz aller Denkschriften, in denen Mirabeau immer wieder seinen Plan entwickelte und den König zu einem Entschluß
zu ermutigen suchte.
Überdies ließ er sich, da er trotz des Todes seines Vaters, der ihm 50,000 FrankRente brachte, in steter
Geldnot war, vom Hof
[* 14] bezahlen. Diese neue Schuld lastete auf seinem Gewissen und lähmte seine Thätigkeit, wie sie auch das
Mißtrauen der Nationalversammlung steigerte. Dazu kam der Fluch seiner Vergangenheit. Er sah sich, vom Hof
und von der Versammlung zurückgestoßen, zur Unthätigkeit verurteilt, und dies rieb ihn auf. Die Anfälle seiner Unterleibskrankheit
steigerten sich, und ihnen erlag endlich sein riesenhafter Körper.
Seine Gebeine wurden bei einem glänzenden Leichenbegängnis im Panthéon beigesetzt, zwei Jahre später aber vom Pöbel herausgerissen
und zerstreut. Mit Mirabeau starb der einzige Mann, der die Revolution hätte beherrschen und in das Geleise
einer friedlichen Entwickelung zurückführen können. Etienne Méjean veröffentlichte eine »Collection complète des travaux
de Mirabeau l'aîné à l'Assemblée nationale« (Par. 1792, 5 Bde.),
Barthe die »Œuvres oratoires de Mirabeau« (das. 1819, 3 Bde.).
Die erste vollständige Ausgabe sämtlicher Schriften Mirabeaus veranstaltete Mérilhou (Par. 1825-27, 9 Bde.).
Die zuverlässigsten Nachrichten über sein Leben und Wirken teilte sein Adoptivsohn LucasMontigny mit in den »Mémoires biographiques,
littéraires et politiques de Mirabeau« (Par. 1835; 2. Aufl.
1841, 8 Bde.). Sehr wichtig ist die »Correspondance
de Mirabeau avec le comte de La-Marck« (hrsg. von Bacourt, Par. 1851, 3 Bde.).
Vgl. Pipitz, eine Lebensgeschichte (Leipz. 1850, 2 Bde.);
Reynald, et la Constituante (2. Aufl., das. 1872);
3) André Boniface Riquetti, Vicomte de, Bruder des vorigen, geb. zu Bignon, ergab sich früh einem ausschweifenden
Leben und erhielt wegen seiner ungewöhnlichen Dicke den Beinamen Tonneau. Nachdem er im amerikanischen
Befreiungskampf mitgefochten, bekam er vom Hof ein Dragonerregiment. Nach dem Ausbruch der Revolution ward er vom Adel von Limoges
in die Versammlung der Generalstaaten gesandt und trat hier als heftiger Aristokrat auf. Nach dem Tod seines Bruders verließ
er Frankreich und errichtete am Rhein die unter dem Namen Hussards de la mort bekannt gewordene Emigrantenlegion,
mit der er 1792 einen blutigen Parteigängerkampf gegen sein Vaterland begann; doch starb er schon 15. Sept. d. J.
in Freiburg
[* 15] i. Br.
L. (Wunderblume), Gattung aus der Familie der Nyktaginiaceen, ein-
oder zweijährige tropische
Kräuter mit gegliedertem Stengel,
[* 16] gegenständigen, ganzen Blättern, einzeln oder in achselständigen Trugdolden stehenden,
stieltellerförmigen, großen, in der Nacht geöffneten Blüten und nicht aufspringender, einsamiger, nußartiger Frucht. Mirabilis longifloraL., 60-120 cm hoch, mit eirund herzförmigen, spitzigen Blättern und weißen, sehr langröhrigen, am
Schlund purpurnen, auswendig schmierig-klebrigen, abends sehr wohlriechenden Blüten, wächst auf den Bergen
[* 17] von Mexiko
[* 18] und wird,
wie die folgende, bei uns als Zierpflanze kultiviert. MirabilisJalapaL. (falsche Jalape), 60-120 cm hoch, mit fast herzförmigen,
glatten Blättern und schönen roten, gelben oder weißen oder auch in diesen Farben gestreiften und gesprenkelten,
geruchlosen Blüten, ist im tropischen Amerika
[* 19] heimisch. Die Wurzel
[* 20] wirkt purgierend und wurde früher mit der Jalape verwechselt.
(lat. miracŭlum), Wunder, zuweilen auch s. v. w. wunderthätiges Heiligenbild.
In der französischen und
englischen Litteratur heißen Miracles die die Anfänge der dramatischen Poesie darstellenden dramatisierten
Legenden oder Heiligenkomödien.
Vgl. Genée, Die englischen Mirakelspiele (Berl. 1878).
(spr. -mischi),Fluß in der britisch-amerikan. ProvinzNeubraunschweig, der nach einem
Laufe von 192 km in die gleichnamige, in den St. Lorenzgolf öffnende fischreiche Bai mündet. An ihm liegen Chatham (s. d.)
und Newcastle
[* 23] (s. d.).
Kreishauptstadt in der ital. ProvinzModena, hat einen schönen Dom, ein altes Schloß, ein Spital mit Kirche,
eine technische Schule, eine Bibliothek und (1881) 3029 Einw., welche Seiden- und Leinweberei, Reisbau und Handel betreiben.
Mirandola war früher eine Grafschaft der FamiliePico, wurde 1619 zum Herzogtum erhoben und 1710 als erledigtes
Reichslehen dem Herzog von Modena überlassen.
Indianervolk am obern Yapure im nordöstlichen Brasilien
[* 31] und Ecuador,
[* 32] das mit den Ticuna, Botokuden u. a. wahrscheinlich
die versprengten Überreste eines großen Volkes bildet.
Distriktshauptort in der ital. ProvinzVenedig,
[* 33] am Musone und am Beginn des Miranokanals (zur Brenta morta),
mit (1881) 1896 Einw., die Weinbau und Weinhandel treiben.
(spr. -bell), 1) CharlesFrançois Brisseau, Botaniker, geb. zu Paris, widmete sich der Malerei, auf
Veranlassung von Desfontaines aber der Botanik. Er wurde 1808 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, bald
darauf Professor an der Universität und, nachdem er 1816-25 in der Verwaltung thätig gewesen, 1829 Professor am Musée d'histoire
naturelle. Er starb in Championnet bei Paris. Mirbel war einer der namhaftesten Pflanzenanatomen und -Physiologen seiner
Zeit, der die rein klassifizierende Systematik nur als einen untergeordneten Teil der Systematik betrachtet
wissen wollte. Er schrieb: »Traité d'anatomie et de physiologie végétales« (Par. 1802, 2 Bde.);
»Exposition de la théorie de l'organisation végétale« (das. 1809);
»Éléments de physiologie végétale et de botanique«
(das. 1815, 3 Bde. mit 72 Tafeln).
Außerdem war er Mitarbeiter an der großen »Histoire naturelle générale et particulière des plantes«
von Lamarck.
Hamameddin Mirchond Mohammed, pers. Geschichtschreiber, geb. 1433, machte sich berühmt
durch das große, in phrasenreichem Stil abgefaßte Geschichtswerk
»Rauççsafa« (»Lustgarten
der Lauterkeit«),
Mirchonds Sohn Chondemîr, der noch bei Lebzeiten seines Vaters (um 1495) aus dessen großem Werk einen
Auszug: »Quintessenz der Nachrichten«, machte, hat selbst ebenfalls eine Weltgeschichte veröffentlicht: »Habîb-essijar« (verfaßt
von 1521 an).
(spr. mīrkūr),Eugène de, eigentlich Jacquot, franz. Schriftsteller, geb. zu
Mirecourt, war eine Zeitlang Lehrer zu Nancy,
[* 38] wandte sich dann aber in Paris litterarischer Beschäftigung
zu. Er begann mit Novellen für kleinere Journale, gab mit Leupol das illustrierte Werk »La Lorraine« (Nancy 1839-40, 3 Bde.)
heraus und machte dann mit dem Werk »MaisonAlexandreDumas et Comp., fabrique de romans« (1845),
das ihn in einen Preßprozeß
verwickelte, nicht geringe Sensation. Weiter folgten die Romane: »Les confessions de Marion de Lorme« (1848, 4 Bde.) und »Les
mémoires de Ninon de Lenclos« (1852). Mit seinen skandalreichen »Contemporains« (1854-59, 100 Bdchn.) zog er sich heftige
Angriffe von seiten der angesehensten Schriftsteller und zahlreiche neue Prozesse zu. Seine spätern Werke
sind: »La bourse, son abus et ses mystères« (1858);
»Avant, pendant et après la Terreur« (1865, 3 Bde.)
und »Dictionnaire des sciences catholiques« (1865).
Seine »Histoire contemporaine, portraits et silhouettes« (1860-67, 3 Bde.)
enthält im wesentlichen nur einen Abdruck seiner frühern Biographien. Nachdem er sich Ende der 60er Jahre
in ein Kloster zurückgezogen und die Priesterweihe empfangen, begab er sich nach Haïti,
[* 39] wo er starb.
(Mirditen), der vornehmste und streitbarste der mittelalbanesischen Stämme, der, ein festes Gemeinwesen
bildend, die südlich vom mittlern Drin gelegenen Berggegenden bewohnt. Grenzen
[* 40] sind die Landschaft Dukadschin
im N., die Valmorkette im O., der 1714 m hohe Salkota im S. und im W. die Abfälle des Gebirges gegen das Adriatische Meer. Das
Gebiet umfaßt etwa 1400 qkm mit einer Bevölkerung
[* 41] von ca. 30,000 Seelen, darunter gegen 3000 Mohammedaner; der Rest sind römische
Katholiken.
Eingeteilt wird das Land in acht Barjaks. Städte gibt es im Territorium nicht, sondern nur Dörfer, deren
wichtigstes Oroschi ist. Die Mirediten stehen seit Beginn des 18. Jahrh. unter eignen
erblichen Fürsten, sogen. Kapitäns, deren Gründer Dschon Marku war. 1881 war Prenk Bib Doda Kapitän, der von den Türken als
Pascha und Kaimakam betrachtet wird. Jedes Barjak hat einen erblichen Barjaktar (»Fahnenträger«) an der
Spitze, welcher als Anführer im Kriege gilt, und dem Gemeinderäte zur Seite stehen. Über Krieg und Frieden, Verträge mit der
Pforte¶
mehr
und den Nachbarstämmen entscheidet eine allgemeine Volksversammlung. Als Richtschnur im sozialen Leben gelten bei den Mirediten die
Kanuni Lek Dukadschinit genannten, bereits 400 Jahre alten Gesetze, deren Verletzung durch Viehkonfiskation bestraft wird, da
Vieh bei Mangel an barem Gelde das allgemeine Tauschmittel ist. Daher gelten die auch als berüchtigte
Vieh- und Pferdediebe. Diebstahl außerhalb des eignen Gebiets ist straflos. Mord wird jedoch nicht, wie die übrigen Verbrechen,
von den Gemeindeältesten abgeurteilt, sondern die Rache dafür gehört nach der unter allen Albanesen festgewurzelten Ansicht
lediglich der beleidigten Familie, und das Verhältnis der Blutrache tritt ein, welche bei den Mirediten streng
gehandhabt wird.
Auch nach dem Tode des Vaters bleiben die Brüder beisammen, und nur solche, die Geistliche werden, treten
aus. Die Keuschheit der Frauen wird hoch geachtet. Die Tracht der ist die mittelalbanesische: langer weißer Flanellrock (Dolama),
weiße Schaffellmütze, leinene Hosen.
[* 45] Im breiten Gürtel
[* 46] stecken Pistolen
[* 47] und Pfeife;
(spr. -ǟs), Jules, franz. Bankier, geb. zu Bordeaux
[* 52] von jüdischen Eltern, ging 1842 nach Paris, wo
er sich bald an ausgedehnten gewinnreichen Finanzunternehmungen beteiligte. Um 1849 ward er Eigentümer des »Journal des chemins
de fer«, sodann des »Pays«, beteiligte sich bei einer Anleihe der Stadt Paris, gründete 1850 die »Caisse
d'actionnaires réunis« und kaufte den »Constitutionnel«. In Marseille, wo er sich sodann niederließ, kaufte er bedeutende
Ländereien und Bergwerke in Südfrankreich. 1856 schloß er mit der päpstlichen Regierung einen Vertrag über den Bau vonEisenbahnen
ab, 1857 übernahm er die spanische Anleihe von 300 Mill. Realen und gründete den spanischen Crédit mobilier. 1860 einigte
er sich auch mit
der Pforte wegen einer Staatsanleihe. Ende 1861 ward er wegen unregelmäßiger Geschäftsgebarung zu Gefängnis
verurteilt, auf eingelegte Berufung hin jedoch freigesprochen. Er starb in Villemare bei Marseille.
Flecken im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz, Kreis
[* 54] Stargard,
[* 55] am gleichnamigen See, durch
den der Havelkanal führt, hat eine evang. Kirche mit der großherzoglichen Gruft, ein Schloß, ein Schullehrerseminar, ein
Amtsgericht, eine Oberförsterei, ein Dampfsägewerk und (1885) 1783 evang.
Einwohner. Mirow war seit 1227 eine Johanniterkomturei.
eine aus mehreren verschiedenen Sprachen zu ungefähr gleichen Teilen gemischte Sprache,
wovon die englische, ein Gemisch aus Angelsächsisch und normännischem Französisch, das klassische Beispiel ist. Doch erstreckt
sich, wie zuerst MaxMüller gezeigt hat, eine solche Mischung fast immer nur auf den Wortschatz, nicht auf die Grammatik, daher
z. B. im Englischen der größere Teil der Wörter aus dem Französischen und Lateinischen stammt, fast alle
grammatischen Endungen aber germanisch sind, weshalb die Sprache ein ganz überwiegend germanisches Gepräge hat.
Andre Mischsprachen sind: das Pehlewi oder Mittelpersische, ein semitischer Dialekt mit starken iranischen Beimischungen, und
das Neupersische, bei welchem das umgekehrte Verhältnis stattfindet;
Singhalesische oder Elu auf der InselCeylon,
[* 61] ein Gemisch aus arischen (indogermanischen) und vielleicht drawidischen Bestandteilen
mit der Ursprache der Insel, u. a.
altes Fischerdorf und Seebad auf der InselWollin, hat eine evang. Kirche, eine Oberförsterei, ein großartiges
Kurhaus, schöne Spaziergänge in dem nahen Walde, Dampfschiffsverbindung mit Stettin
[* 62] und (1885) 1356 evang. Einwohner.
Die Bucht nördlich von demselben
(ein Lieblingsaufenthalt reicher Römer)
[* 63] machte Augustus zur Hauptstation für die römische Flotte auf dem Tyrrhenischen Meer,
infolgedessen hier die Stadt Misenum entstand, welche später die Sarazenen zerstörten.
1) der Name, mit dem man noch jetzt das Gebiet am Parana und Uruguay
[* 68] bezeichnet, in welchem
die Jesuiten im 16. Jahrh. ihre Missionen der Guarani anlegten. Von den Portugiesen um
1631 aus ihren Ansiedelungen am obern
Parana (oberhalb der Guairafälle) vertrieben, zogen sie mit 12,000 ihrer Neophiten flußabwärts und ließen sich dort
nieder, wo der Parana sich dem Uruguay am meisten nähert. Im Lauf der Zeit entstanden in dieser Gegend 33 größere
Ansiedelungen (Reducciones), nämlich die 11 Misiónes del Paraguay, im jetzigen Paraguay, auf der Nordseite des Parana, die 15 Misiónes occidentales,
zwischen dem Paraguay und Uruguay, und die 7 Misiónes orientales, am Ostufer des Uruguay.
Als Spanien 1750 dieses vielgeschmähte »Reich der Jesuiten« an Portugal abtrat, lebten dort 100,000 Guarani und andre Indianer
in Frieden und Wohlstand, allerdings unter eigentümlich kommunistisch-patriarchalischen Einrichtungen, die aber den Verhältnissen
vollkommen entsprachen. Die Guarani setzten der Abtretung mit Erfolg bewaffneten Widerstand entgegen. Als Spanien 1765 die Jesuiten
aus seinen amerikanischen Besitzungen vertrieb, wurden die Misiónes unfähigen Franziskanern und habgierigen Beamten überliefert
und gerieten in Verfall. Schließlich verwüsteten die Portugiesen (1817-19) auf barbarische Weise die Misiónes occidentales, und
in den spätern Bürgerkriegen schwand der letzte Rest des Wohlstandes. Die großartigen Ruinen von Kirchen und andern Gebäuden
bezeugen die ehemalige Blüte
[* 69] des Landes.
Vgl. Martin de Moussy, Mémoire historique sur la décadence et
la ruine des missions des Jésuites etc. (Par. 1868). -
(griech.), Vernunfthaß, d. h. Abneigung, die
Entscheidung über gewisse Fragen, namentlich religiösen Inhalts, der vernünftigen Untersuchung zu überlassen;
daher Misolog,
Vernunfthasser, Feind des Denkens, Obskurant.
(lat., Meßbücher), in der römisch-kathol. Kirche die liturgischen Bücher, in welchen
die von der Kirche angeordneten Messen für alle Sonn- und Festtage sowie für besondere Gelegenheiten, z. B. für die Totenfeier,
dann die Perikopen, Gebete und der Meßkanon enthalten sind. Diese Gebete etc. wurden zuerst von dem römischen BischofGelasius
(gest. 496) geordnet und vervollständigt (»Sacramentarium
Gelasii«),
von Gregor d. Gr. neu geordnet. Auf Veranlassung des tridentinischen
Konzils verordnete PapstPius V. 1570 den Gebrauch des unter seiner Leitung verbesserten Meßbuches in der ganzen römisch-katholischen
Kirche, mit Ausnahme der Gemeinden, die bereits über zwei Jahrhunderte einen andern Ritus befolgt hatten. Weitere Revisionen
erfolgten durch Clemens VIII. (1604) und Urban VIII. (1634). Neben diesem jetzt noch gebräuchlichen römischen
Meßbuch (Missale romanum) bestehen von früher Zeit an Missalen für bestimmte Diözesen (z. B. Mainz,
[* 79] Köln,
[* 80] Münster)
[* 81] und für einzelne
religiöse Orden.
[* 82] Die alten handschriftlichen aus dem Mittelalter sind oft mit prächtigen Initialen und Miniaturbildern verziert
und mit großen Buchstaben (Mönchsschrift) geschrieben, woher noch jetzt in den Buchdruckereien eine gewisse
Schriftgattung den Namen Missal (kleine Missalen, 52 typographische Punkte, grobe Missalen, 64 derselben enthaltend) führt.
Das Produkt einer ist die Mißgeburt (monstrum, monstrositas, griech. teras, daher die Lehre
[* 84] von den MißgeburtenTeratologie).
Die Teratologie nun hat in ihrer Ausbildung als besonderer Zweig der Naturwissenschaft denselben Weg eingeschlagen,
den die Entwickelungsgeschichte selbst vor ihr gegangen war; sie ist von der Beobachtung der Bildungsvorgänge in der Klasse
der Säugetiere zurückgegangen auf die Bebrütung des Hühnereies und hat gefunden, daß
ein großer Teil der Hauptformen
krankhafter Keimentwickelungen sich beim Hühnchen in analoger und einfacherer Weise gestaltet als bei
den Embryos derjenigen Klassen, welche ihre Früchte durch mütterliche Kreislaufsapparate (Placenta) zur Reife bringen. So wie
die normale Entwickelung an dem Keim den eigentlichen Embryo von den außer ihm liegenden Umhüllungs- und Ernährungsapparaten
unterscheidet und an dem Ernährungsorgan wiederum einen embryonalen von dem mütterlichen Anteil trennt,
ebenso lassen sich die Monstra einteilen in solche, welche durch Bildungsanomalien am Embryo selbst, in solche, welche durch
Erkrankungen der Eihäute und des embryonalen Fruchthofs, und endlich in solche, welche durch Fehlentwickelungen am mütterlichen
Teil der Placenta entstanden sind.
Die beiden letzten Kategorien umfassen die höchsten Grade der Mißgestaltungen, sie entstehen in sehr
frühen Perioden nach der Befruchtung,
[* 85] man nennt sie mit einem Gesamtnamen Molen. Die Mißbildungen des Embryos selbst zerfallen
in Doppelmißbildungen und einfache Mißbildungen. Die Doppelmonstra gehen nach der Annahme mancher Autoren hervor durch Spaltung
eines ursprünglich einfachen Keims, nach der Auffassung andrer durch Verwachsung einer ursprünglich doppelten
(oder mehrfachen) Keimanlage. Am häufigsten liegen die Achsen beider Embryos parallel, und es besteht eine Verschmelzung entweder
der Köpfe (Janusbildungen), oder der Brustkasten (Thorako- oder Sternopagen), oder des Bauches (Gastropagen). Es kommt aber
auch vor, daß die Achsen beider Körper in einer Linie liegen, und ganz extrem selten, daß sie einen Winkel
[* 86] bilden oder sich kreuzen.
Die nicht verwachsenen Teile, in den meisten Fällen die Extremitäten, sind sofort als doppelt vorhanden erkennbar; an den
Stellen der Verschmelzung gelingt es oft, am Skelett
[* 87] ebenfalls, die zwiefachen Anlagen nachzuweisen, so daß die Einfachheit
nur eine scheinbare, durch die Formen der Weichteile bedingte war. Die meisten Doppelmonstra sind nicht
lebensfähig, viele sterben während der Geburt, welche selbstredend äußerst schwierig und gefahrvoll ist, und selten ist
die Verwachsung so auf äußere, nicht lebenswichtige Organe beschränkt, daß die Individuen nebeneinander bestehen können.
Am bekanntesten sind als Beispiele die siamesischen Zwillinge und die zweiköpfige Nachtigall.
Die einfachen Monstra lassen sich am richtigsten einteilen in Monstra per excessum und Mißbildung per defectum; bei
den ersten sind die Teile quantitativ oder der Zahl nach größer, als sie sein sollten, bei den andern sind sie kleiner
oder fehlen ganz. Die letzte Art der Mißbildungen ist sehr häufig. Bei Hemmungsbildungen finden sich
die Organe vor, aber in einer Gestalt, welche in einer weit frühern Periode ihrer Entwickelung die normale ist. Neuere Autoren
haben den Nachweis versucht, alle vorkommenden Mißbildungen auf Hemmungen in der Entwickelung zurückzuführen, namentlich
auch diejenigen Mißbildungen, welche früher als dritte Hauptgruppe, als Monstra per fabricam alienam,
aufgeführt wurden.