Bordeaux
Bordeaux

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Bordeaux.
[* 2] (spr. -doh), eine der größten, schönsten und reichsten
Städte
Frankreichs, Hauptstadt des
Departements der
Gironde, liegt 6 m ü. M. in einer weiten
Ebene am linken
Ufer der
Garonne, die hier eine gewaltige nach
O. geöffnete Biegung macht, in der
Landschaft
Bordelais des ehemaligen
Guienne oder
Aquitanien, am Vereinigungspunkt von vier
Eisenbahnen und an dem
Punkt, 100 km oberhalb der Flußmündung, bis zu welchem mit der
Flut selbst noch transatlantische
Dampfer
gelangen können. Mit der gegenüberliegenden Vorstadt La
Bastide ist Bordeaux
durch eine steinerne
Brücke,
[* 3] die Anfang dieses
Jahrhunderts des beweglichen
Untergrundes halber mit sehr großen Schwierigkeiten erbaut wurde,
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und durch eine neuere Eisenbahnbrücke verbunden.
Obgleich nicht am Meer selbst gelegen, ist Bordeaux
doch nächst Marseille
[* 5] und Havre
[* 6] die dritte Seestadt Frankreichs. Die Garonne, die
mit trüben, schmutzig gelben Fluten an der Stadt vorbeifließt, bildet ein weites, halbmondförmiges Hafenbassin (Port de
la Lune), das mit seinen breiten, langgestreckten, von schönen Häusern begrenzten Kais, die zu den schönsten
derartigen Anlagen Europas gehören, 1200 Schiffen Raum gewährt. Doch genügt dieser Raum dem beständig wachsenden Verkehr längst
nicht mehr, und so ist am untern Ende der Stadt, dem Stadtteil Bacalan, noch ein 1879 vollendetes, 10 Hektar großes Bassin
angelegt worden, das auch bei Ebbe 6½ m Tiefe hat.
Travnik - Trinidad [un
![Bild 67.985: Travnik - Trinidad [unkorrigiert] Bild 67.985: Travnik - Trinidad [unkorrigiert]](/meyers/thumb/67/67_0985.jpeg)
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Treppen.
Den Kern von Bordeaux
bildet die mittelalterliche Altstadt mit engen, krummen und finstern Gassen in der Nähe des gewaltigen Quinconceplatzes;
um sie haben sich die neuern Statteile ^[richtig: Stadtteile] gelagert. Die meisten Prachtbauten, alle in einem übereinstimmenden
Stil ausgeführt und durch prächtige Treppen,
[* 7] Säulenportiken und zahlreiche von Pilastern umrahmte Fenster
gekennzeichnet, stammen aus der Zeit Ludwigs XV. In Menge vorhandenes billiges, dabei treffliches Baumaterial fiel dabei sehr
ins Gewicht.
Unter den zahlreichen schönen Platzen sind nächst dem mit den Kolossalstatuen von Montesquieu und Montaigne und zwei als
Leuchttürmen dienenden Rostralsäulen geschmückten Quinconce (an dessen Stelle ehemals die berüchtigte,
unter Ludwig XIV. erbaute Citadelle stand) als dem Zentrum von Bordeaux
die Allées de Tourny (mit monumentalem Springbrunnen an Stelle
des 1870 vom Volk herabgeworfenen Reiterstandbildes Napoleons III.), die von der Place Tourny und vom Theaterplatz begrenzt
werden, dann die schöne Parkanlage des Jardin public hervorzuheben. hat an 50 katholische und 3 prot.
Kirchen (darunter seit 1867 eine deutsch-evangelische). Architektonisch besonders ausgezeichnet sind: die gotische Kathedrale St.-André (im 11.-14. Jahrh. erbaut), einschiffig und auffallend breit, mit einem reich mit Statuen geschmückten, von 2 eleganten, 50 m hohen Türmen flankierten Portal und schönem Chor, dabei der 1450 erbaute, isoliert stehende Glockenturm Peyberland;
Hof (meteorologisch) -

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Hof (meteorologisch) - Hofburgwache.die Kirchen St.-Michel, ebenfalls mit isoliertem, 107 m hohem Glockenturm, ein Werk der spätern Gotik aus dem 15. Jahrh., St.-Seurin u. a. Von den übrigen Gebäuden sind hervorzuheben: das Stadthaus mit prächtigem Hof; [* 8]
das Theater [* 9] (1775-80 erbaut), im strengern antikisierenden Stil und von großartigen Verhältnissen (dasselbe diente 1871 der Nationalversammlung als Beratungslokal);
der Justizpalast, die Börse etc. Das einzige größere Monument aus der römischen Glanzzeit von Bordeaux
ist das Palais Gallien,
das Fragment eines Amphitheaters, dessen Cavea etwa 1500 Menschen fassen mochte.
Die Zahl der Bewohner beträgt (1881) 217,990.
Spanien und Portugal

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Spanien. Bordeaux
verdankt seine Größe und seinen Reichtum dem Handel und zwar vorzugsweise dem Weinhandel, in welchem
es die erste Stelle in Frankreich einnimmt, und der sich schon seit dem 13. Jahrh., namentlich mit England, stetig entwickelte.
Lange, bevor man die Stadt erreicht, sieht man die Spuren des großartigen Verkehrs, der den Weinexport zum Hauptgegenstand
hat; das regste Leben entfaltet sich aber in den zum Bahnhof führenden Straßen und im Hafen. Der Weinexport
(s. Bordeauxweine) ist infolge der Verwüstungen durch die Phylloxera nicht
allzusehr zurückgegangen, da einzelne Distrikte
(Médoc) noch wenig angegriffen sind und man jetzt ungeheure Mengen Wein aus Spanien,
[* 10] Sizilien
[* 11] etc. zu sehr niedern Preisen
bezieht und zum Verschneiden verwendet oder, hergerichtet, als Bordeauxweine in den Handel bringt. hat infolgedessen jetzt auch
bedeutende Weineinfuhr.
Die Hauptabsatzgebiete bilden England und Südamerika.
[* 12] 1882 bezifferte sich der Weinimport im Hafen von Bordeaux
mit 44, dagegen der
Export nach dem Ausland mit 134 Mill. Frank. Außerdem werden auch nach französischen Häfen große Quantitäten
versendet. Im auswärtigen Handel sind ferner die wichtigsten Artikel bei der Einfuhr: Häute und Felle, Cerealien, Holz,
[* 13] Spiritus,
[* 14] Seefische und Kolonialwaren;
bei der Ausfuhr: Schafwollwaren, Branntwein und Liköre, chemische Produkte, Seefische, Kleider, Lederwaren und Obst. Im Verkehr mit französischen Hafen spielen die wichtigste Rolle in der Einfuhr: Baumaterialien, Eisen [* 15] und Stahl, Getreide [* 16] und Mehl, [* 17] Branntwein und Fässer;
Schiff II

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Schiffe. in der Ausfuhr (außer Wein): Holz, Weizen und Mehl, Kohle und Ölpflanzen.
Die gesamte Warenbewegung im Hafen betrug 1882: 2,147,217 Ton. im Wert von mehr als 800 Mill. Fr., wovon auf den internationalen
Handel 1,868,058, auf den Binnenhandel 279,159 T. entfielen. Der Schiffahrtsverkehr umfaßt ca. 20,000 Schiffe
[* 18] im Jahr (1882 liefen 11,046 Schiffe mit 1,584,778 T. ein und 10,665 Schiffe mit 1,640,808 T. aus). Auf den internationalen Verkehr
(insbesondere mit England, Nordamerika,
[* 19] Argentinien, Chile,
[* 20] Spanien, Deutschland
[* 21] etc.) kamen 1883: 1416 ein- und 1445 ausgelaufene
Schiffe mit 923,355, resp. 930,915 T. Auch der Kabeljaufang wird von
Bordeaux
aus betrieben. 1882 sind von demselben 126 Schiffe mit 20,2 Mill. kg frischem Kabeljau zurückgekehrt.
Neben dem Handel ist die Industrie von Bordeaux
gleichfalls von großer Bedeutung. So besitzt Bordeaux
eine starke Fabrikation von
Likören und andern Spirituosen sowie von Essig, zu dem geringe Weine benutzt werden, Bier, moussierenden
Getränken und (im Zusammenhang mit all der Geschäftsthätigkeit in Getränken) von Fässern, Glasflaschen, Siphons, Korkstöpseln,
Kapseln,
[* 22] Etiketten etc. Andre Zweige der Eigenindustrie liefern alles, was zum Schiffbau, der sehr ausgedehnt ist (10 Werften),
und zur Ausrüstung der Schiffe nötig ist; es gibt ferner eine sehr bedeutende Tabaks-, eine Porzellanfabrik,
Fabriken für Maschinen, Papier, Seife, chemische Produkte, Schokolade, konservierte Lebensmittel, Dampfmühlen, Zuckerraffinerien,
Baumwoll- und Schafwollspinnereien und -Webereien.
Bordeauxweine - Bördel

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Seite 3.213. Bildungsanstalten sind: die 1441 vom Papst Eugen IV. gegründete Universität mit drei Fakultäten (1882 mit 87 Dozenten und 907 Studierenden),
ein Lyceum, Normalschulen für Lehrer und Lehrerinnen, zwei theologische Seminare, eine medizinisch-chirurgische
Vorschule, eine Bau- und eine Malerschule, eine Schiffahrtsschule (seit 1631), Matrosen-, Handels- und Gewerbeschulen, ein Taubstummeninstitut
für Mädchen, mehrere gelehrte Gesellschaften, eine Akademie der Wissenschaften und Künste, eine öffentliche Bibliothek von
160,000 Bänden, ein botanischer Garten,
[* 23] ein reiches Naturalien- und ein Antiquitätenkabinett (mit interessanten römischen
Inschriften und Altertümern aus der Umgegend von Bordeaux
), eine Gemäldegalerie (mit Gemälden von Perugino, Palma Vecchio, van Dyck
etc.), eine Sternwarte
[* 24] und vier
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Theater. Die Stadt besitzt auch ein Irren-, ein Waisen- und Findelhaus, mehrere Hospitäler, Kranken- und Wohlthätigkeitsanstalten etc. Bordeaux ist der Sitz des Präfekten, des Generalkommandos des 18. Armeekorps, eines Erzbischofs, eines protestantischen Konsistoriums, eines Appellhofs, eines Tribunals erster Instanz und der übrigen Departementsbehörden sowie eines Handelsgerichts und zahlreicher Konsulate fremder Staaten (darunter auch eines deutschen Konsulats). In Bordeaux sind geboren: Richard II. von England, der römische Dichter Ausonius, die Malerin Rosa Bonheur, die Staatsmänner Gensonnet, Ducos, Cabarrus u. a.
Geschichte. Bordeaux war als Burdigala Hauptort der Bituriges Vivisci, seit Augustus Hauptstadt der Provinz Aquitania II., nach des hier gebornen Dichters Ausonius Beschreibung eine schöne, feste Stadt, Mittelpunkt mehrerer Straßen, das wichtigste Emporium im südwestlichen Gallien, mit einer berühmten Hochschule, und Residenz mehrerer Kaiser. Noch jetzt sind Überreste aus der spätrömischen Zeit vorhanden. Die christliche Zeit von Bordeaux datiert vom J. 272. Als Hauptstadt Aquitaniens teilte es dessen Schicksale. 407 verbrannten die Vandalen, Alanen etc. die Stadt; 412 kam sie in die Gewalt der Goten, 507 in die des Frankenkönigs Chlodwig; 732 wurde sie von den spanischen Arabern unter Abd ur Rahmân erstürmt und geplündert, 735 aber von Karl Martell wiedererobert.
Karl d. Gr. ernannte 778 einen Grafen von Bordeaux. Im 9. Jahrh. wurde Bordeaux von den Normannen wiederholt geplündert und um 900 unter Karl dem Einfältigen wieder aufgebaut. Aber erst, als mit des letzten Herzogs von Aquitanien, Wilhelms IX., Erbtochter Eleonore das Land an Heinrich von Anjou und so 1154 an England kam, begann sich Bordeaux zu heben. Schon Heinrich II. erweiterte die Stadt und gab ihr große Privilegien, die 1236 von Heinrich III. bestätigt wurden. Als der Schwarze Prinz, Eduards III. Sohn, Guienne als Fürstentum erhielt, ward Bordeaux Sitz eines glänzenden Hofs.
Unter Richard II. trat Bordeaux 1379 gegen die Angriffe der Franzosen an die Spitze eines Bündnisses der Städte von Bordelais, mußte jedoch mit Karl VII. kapitulieren und 1453, weil es im Oktober 1452 den Engländern die Thore wieder geöffnet, auf seine Privilegien verzichten, die es aber meist zurückerhielt. Als sich 1548 die Stadt wegen Einführung der Salztaxe empörte, wobei der Gouverneur de Morems ermordet wurde, nahm der Connetable Montmorency blutige Rache an ihr.
Versalien - Versandste

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Versailles.Der Gouverneur Montferrand wiederholte 3.-5. Okt. 1572 in Bordeaux die Greuelszenen der Bartholomäusnacht, die 2500 Menschen das Leben kosteten. 1650, während der Fronde, machte Bordeaux einen Aufstand, der nur mit Mühe unterdrückt wurde. Während der Revolution war Bordeaux Hauptsitz der Girondisten, weshalb es von den Schreckensmännern verheert wurde. Weil die Stadt im Frühjahr 1814 sich von allen Städten zuerst für die Bourbonen erklärt hatte, legte Ludwig XVIII. dem Sohn des Herzogs von Berri, dem spätern Grafen von Chambord, den Titel eines Herzogs von Bordeaux bei. Im Dezember 1870 wurde Bordeaux Sitz der Delegation der Regierung der nationalen Verteidigung (Gambetta, Crémieux, Glais-Bizoin und Fourichon), und trat hier die Nationalversammlung zusammen, welche den Frieden mit Deutschland genehmigte und dann nach Versailles [* 26] übersiedelte. Konzile (Burdigalensia concilia) wurden vier hier gehalten: 384 gegen die Priscillianisten, 678 zur Wiederherstellung des Friedens und zur Verbesserung der Kirchenzucht, 1080, wo Berengar von Tours seinen Glauben abschwor, und 1255.
Vgl. O'Reilly, Histoire complète de Bordeaux (2. Aufl., Bordeaux 1863, 6 Bde.);
Michel, Histoire du commerce et de la navigation à Bordeaux (Par. 1874, 2 Bde.).