Nach seiner Rückkehr vom kaiserlichen
Hof
[* 9] wurde er 590 gegen seinenWillen zum römischen
Bischof gewählt.
Er entfaltete sofort eine außerordentliche Thätigkeit für das materielle und geistliche
Wohl der italischen
Bevölkerung.
[* 10] In den politisch schwierigen Verhältnissen, welche seit dem
Einfall der
Langobarden in
Italien
[* 11] eingetreten waren, benahm er
sich mit ebensoviel
Klugheit wie
Festigkeit;
[* 12] es kam ihm besonders seine
Freundschaft mit der langobardischen
Königin Theudelinde zu statten, durch deren Einfluß er nicht nur den
Frieden zu stande brachte, sondern auch den König Agilolf
zum Übertritt zur römischen
Kirche bewog. Am meisten nahmen ihn jedoch die
Pflichten seines Priesterberufs in Anspruch.
Seine
»Regula pastoralis« war viele
Jahrhunderte hindurch
Haupt- und Handbuch des abendländischen
Klerus
für die Amtsführung und wurde in die meisten europäischen
Sprachen übersetzt. Von nachhaltigem Erfolg waren seine Bemühungen
um Verbesserung des
Kirchengesanges (s.
Choral) und
Ausbildung des liturgischen
Elements im
Gottesdienst gemäß der sinnlich
zeremoniellen
Richtung seiner Zeit, wodurch er sich den Beinamen
»Pater ceremoniarum« erwarb. Viele der von ihm
hervorgerufenen Einrichtungen haben sich in der
Praxis erhalten, so die
Kirchweihe, der Gregorianische
Kirchengesang und das
Meßopfer.
Auch im bischöflichen
Glanz blieb er ein harter, zur
AskeseneigenderMönch; geflissentlich trug er eine Verachtung gegen
weltliche
Wissenschaft zur
Schau, die bis zur Vernachlässigung des
Stils in seinen eignen
Schriften geht.
Streng, wie gegen sich selbst, war er auch gegen seine Untergebenen. Nur dem
Kaiser gegenüber beobachtete er kluge Mäßigung,
da er von demselben sogleich im Anfang seines
Amtes in die rechten
Schranken gewiesen worden war, und für seine Verfolgungssucht
gegen alles Häretische und Schismatische den
Arm der weltlichen Macht nicht missen konnte.
Für die Verbreitung des
Christentums unter den
Heiden hat Gregor mit unermüdlichem
Eifer und mit großem Erfolg gewirkt, so in
Corsica,
[* 13] wiewohl dasselbe unter dem byzantinischen
Bischof stand, namentlich aber in
England, wohin der
AbtAugustin als Sendbote ging. Auch mit den fränkischen
Königen und mit dem Westgotenreich in
Spanien
[* 14] knüpfte er folgenreiche
Verbindungen an. Er starb 12. März 604. hat das Ansehen des römischen
Stuhls auf eine vorher noch nicht gekannte
Höhe gehoben,
die Unterdrückung der die
Einheit derKirche störenden
Häresien teils vollendet, teils vorbereitet, die
Vereinigung sämtlicher abendländischer
Kirchen unter dem
StuhlPetri eingeleitet, der
Kirche ganz neue Gebiete erobert und
derselben für ihre innere und äußere Gestaltung die
Bahn vorgezeichnet, welche sie fortan durch ein ganzes Jahrtausend
einschlug.
PraktischerVerstand, unerschütterliche
Standhaftigkeit, umsichtige
Klugheit, auch diplomatische
Schlauheit,
¶
mehr
unermüdliche Thätigkeit und Fürsorge für die Kirche im großen und kleinen, Gerechtigkeitssinn, Wohlthätigkeit, aufrichtige
Religiosität, in welcher sich innerliches Christentum mit Aberglauben und dem äußerlich zeremoniellen Zug
seiner Zeit auf merkwürdige
Weise mischen, sind die hervorstechendsten Züge seines Charakterbildes. Auch als Schriftsteller genoß er großes Ansehen;
er wurde zu den vier großen Lehrern, den maßgebenden Autoritäten, der christlichen Kirche gerechnet.
Als solcher zeichnete er sich mehr aus durch seine Nüchternheit und Verständlichkeit als durch Tiefe oder Schwung der Ideen.
Sein theologischer Standpunkt ist ein ins Semipelagianische abgeschwächter Augustinismus. Eine von den Benediktinern besorgte
Gesamtausgabe seiner Schriften erschien in Paris
[* 16] 1705, 4 Bde.; auch befinden sie
sich in Mignes »Patrologia latina«, Bd.
75-79; in Auswahl erschienen sie deutsch, Kempten
[* 17] 1873 ff.
Vgl. Wiggers, De Gregorio Magno (Rost. 1838-1840, 2 Bde.);
Pfahler, Gregor d. Gr. und seine Zeit (Frankf. a. M.
1852).
2) Gregor II., ein Römer,
[* 18] wurde, nachdem er Sacellarius und Diakon gewesen, 715 zum römischen Bischof erhoben
und zählt zu den Begründern der römischen Weltmacht. Er lehnte sich gegen das Bilderverbot des griechischen KaisersLeo
des Isauriers auf (726) und kämpfte gleichzeitig für die Unabhängigkeit Roms gegen die langobardische Macht, indem er den
König Liutprand glücklich von Rom fern zu halten wußte. Er selbst stellte sich an die Spitze der italischen
Rebellion, welche der Macht des oströmischen Kaisers inItalien ein Ende bereitete. Auf der andern Seite verstand es Gregor, mit
den Angelsachsen neue Beziehungen zu gewinnen; als sein Beauftragter und Untergebener begann Bonifacius seine missionarische
Predigt in Deutschland
[* 19] und seine organisatorische Thätigkeit im Frankenreich. Gregor starb im Februar 731.
7) Gregor VII., vor seiner Erhebung zum PapstHildebrand, nach seiner eignen Aussage in Soano in Tuscien etwa um 1020 geboren, ward
in Rom, wohin er im 20. Lebensjahr kam, mit Jünglingen aus den vornehmsten Familien erzogen. Wider seinen
Willen durch seinen Oheim, Abt zu St. Maria auf dem Aventin, zum geistlichen Stand bestimmt, trat er in den Benediktinerorden
ein und lebte in Rom mit den Vertretern der cluniacensischen Tendenzen, besonders mit dem ErzbischofLaurentius von Amalfi, in
sehr vertrautem Verkehr.
Von Gregor VI. zum Kaplan erwählt, begleitete er denselben 1046 in seine Verbannung nach Köln und ging nach
dessen Tod 1048 in das Kloster zu Clugny. Hier fand ihn der zum Papst ernannte BischofBruno von Toul
[* 26] (Leo IX.) und nahm ihn 1049 mit
sich nach Italien. Unter Leo IX. stand Hildebrand in großem Ansehen; er besorgte die Verwaltung des Kirchengutes
und legte große Geschicklichkeit als Finanzmann an den Tag. Auch auf die geistlichen Angelegenheiten erhielt er großen Einfluß.
ward Hildebrand von den Kardinälen zum Papst gewählt und nannte sich als solcher Gregor VII., um seine Dankbarkeit gegen
Gregor VI. zu bezeigen.
Die Stunde des Kampfes um die Weltherrschaft, welchen Gregor während seiner untergeordneten Stellung zwischen Papst und Kaiser vorbereitet,
war gekommen. Gregor begann denselben mit verhältnismäßig geringen Mitteln, aber mit großartiger Klarheit
über Ziele und Wege des Streits. Seine Absicht war, den römischen Bischof zum Herrscher der Welt zu machen, alle Gebiete menschlichen
Lebens seiner Oberhoheit zu unterwerfen. Und nicht allein in den kirchlichen Dingen wollte er die Allmacht und Unfehlbarkeit
des Papstes aufrichten, sondern auch die europäische Staatenwelt unter seine Gebote beugen. Er ging geradezu
darauf aus, eine Reihe von Ländern zu Vasallen des apostolischen Stuhls zu machen. Er beanspruchte ohne weiteres Spanien, Corsica,
Sardinien
[* 33] und Ungarn.
[* 34]
Selbst das Los der Christensklaven in
Afrika
[* 38] nahm seine Sorge in Anspruch, und lebhaft beschäftigte ihn das Projekt zu einem Kreuzzug nach Palästina.
[* 39] Vor allem aber suchte er ein Übergewicht des päpstlichen Stuhls über den deutschen Kaiser zu begründen. Die schon begonnene
Emanzipation des Papsttums von der bisherigen Leitung durch das Kaisertum war für Gregor die notwendige Vorstufe zur Erhebung des
Papsttums über das Kaisertum. Die Verhältnisse in Deutschland waren seinem Unternehmen günstig (s. Heinrich
IV.).
Zwei Dekrete ließ Gregor ausgehen, durch welche er in radikalster und revolutionärster Weise die bisherigen Ordnungen in Staat
und Kirche umzuwerfen unternahm; diese waren das Cölibatgesetz und das Investiturverbot; das eine sollte die Einheit des Klerus,
das andre dessen Unabhängigkeit von aller weltlichen Macht begründen. Das Cölibatgesetz war nur eine
Sanktion der öffentlichen Meinung, die sich in dem Mönchtum allmählich ausgebildet hatte, und Gregor fand denn
auch an der Masse des Volkes einen sehr thätigen Bundesgenossen bei dem Verbot der noch bestehenden Priesterehen.
Das Investiturverbot aber war ein einschneidender Eingriff in die staatsrechtlichen Verhältnisse der
Welt: es wurde jede staatliche Teilnahme an der Verleihung kirchlicher Ämter, besonders der Bistümer, untersagt. Da die Bischöfe
zugleich weltliche Güter und Rechte besaßen und Staatsbeamte waren, so hieß dies nichts andres, als dem Staate die Bestellung
seiner Beamten entziehen. Dagegen mußte sich vornehmlich der deutsche Kaiser auflehnen, für den es eine
Lebensfrage war, am königlichen Ernennungsrecht der Bischöfe festzuhalten.
Gregor verstand es, die sittlich berechtigten Bestrebungen gegen die Simonie als gleichbedeutend auszugeben mit seinen Maßregeln
gegen die königliche Investitur; er kleidete seine hierarchischen Tendenzen in den Deckmantel sittlicher Strenge und
begründete
sie durch gefälschte Urkunden aus der Sammlung Damianis, deren Unechtheit ihm allerdings nicht bewußt
war. Anfangs suchte er denSchein zu vermeiden, als gelte der Angriff der Person des Kaisers, indem er nur verlangte, daß der
Kaiser die schon der Simonie wegen gebannten Räte entfernen und Buße thun solle.
Anfangs hatte dies unerhörte und neue Vorgehen des Papstes wenig Erfolg in Deutschland, von deutschen Geistlichen erklärten
sich manche gegen ihn. Aber nach und nach eroberte Gregor sich Boden. Die eifrige Propaganda der Mönche warb ihm Freunde, und die
Fürstenopposition gegen den König, der seine Königsmacht geltend zu machen bemüht war, bot dem Papst begierig die Hand,
um den gemeinsamen Gegner zu demütigen. Heinrich IV., von den in Tribur versammelten Fürsten mit Absetzung bedroht, wenn er
sich binnen Jahresfrist nicht vom Bann löse, sah sich genötigt, selbst nach Italien zu gehen, um den
Papst zu versöhnen.
Dieser war bereits nach Deutschland aufgebrochen, um daselbst als Schiedsrichter zwischen dem Kaiser und den Fürsten aufzutreten,
als er von Heinrichs Ankunft in Italien vernahm. Erschreckt ging er auf den Rat der Markgräfin Mathilde nach Canossa zurück,
um den Ausgang der Dinge abzuwarten, denn der LombardenGesinnung war ihm offenbar feindselig; aber Heinrich
erschien als ein Büßender in Canossa, und erst nachdem er drei Tage, vom 26.-28. Jan. 1077, im Büßergewand, barhaupt und
mit bloßen Füßen im Schloßhof gestanden und schriftlich und eidlich die Versicherung gegeben hatte, daß er sich aller
Regentenhandlungen bis nach ausgemachter Sache in Deutschland enthalten wolle, erteilte ihm der Papst trotz
seines den Fürsten gegebenen Versprechens, ihn nicht vom Bann zu lösen, die Absolution.
Das war ein großer Triumph des Papstes über den deutschen König. Der Zwist zwischen dem König und dem Papst brach bald wieder
aus, und dieser erneuerte den Bannfluch; aber es gelang Gregor nicht, wie er es wollte, zwischen
Heinrich und seinem GegenkönigRudolf sich die Entscheidung beizulegen, und in Deutschland erhielt Heinrich bald die Oberhand.
Der Papst wiederholte und bestätigte auf den Synoden von 1078, 1079 und 1080 seine frühern Gesetze. Trotz aller Kämpfe und
Unruhen, die ihm in Italien selbst wieder erwuchsen, hielt Gregor fest an seiner geistlichen Stellung und seinen hierarchischen
Tendenzen. Kaum hatte der Kaiser inDeutschland wieder mehr Macht gewonnen, als er auf einer Synode zu Brixen 1080 den Papst absetzen
und einen Gegenpapst, Clemens III., wählen ließ und hierauf selbst nach Italien eilte. Das Glück der
Waffen
[* 43] war schwankend. Zwar wurde in die Engelsburg zurückgedrängt und hier belagert, 1084 durch den HerzogRobert Guiscard
befreit, mußte aber, als sich dieser wieder zurückzog, inmitten der normännischen
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