mehr
entwickeln, und daß man wenigstens vier verschiedene Hauptabteilungen unterscheiden müsse, daß die Entwickelung stets vom Allgemeinen ins Spezielle gehe, und daß sich zuerst die Kennzeichen der Klasse, dann die der Ordnung und hierauf nacheinander die der Familie, Gattung und Art ausbilden. So erkennt man beim Hühnchen zuerst nur das Wirbeltier, dann den Vogel, hierauf einen Angehörigen der Scharrvögel, das Huhn, und zuletzt die spezielle Art. Damit blieben aber die Thatsachen unerklärt, auf welche die Okensche Schule ihre Hemmungstheorie gestützt hatte, daß nämlich höhere Tiere wirklich in ihrer Entwickelung durch gewisse Zustände hindurchgehen, die bei tiefer stehenden Tieren bleibend sind, also z. B. der lungenatmende Frosch [* 1] durch den Zustand eines Kiementiers, und diese Thatsache war um so frappanter, als man bald hernach auch bei den Embryos der höhern Wirbeltiere, die niemals durch Kiemen atmen, bis zum Menschen hinauf das Auftreten von Kiemenspalten und andern Einrichtungen bemerkte, die bei niedern Tieren bleibend sind.
Ahnfrau - Ahnung

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Ähnlichkeit.Für diese embryologischen Thatsachen konnte erst die durch Darwin zum Siege gelangte Deszendenztheorie die gesuchte Erklärung geben, und hier waren es Huxley, O. Schmidt, Fritz Müller, Häckel u. a., welche bald den Zusammenhang darlegten. In zweifellosester Weise gelang dies Fritz Müller (1865) durch seine Studien über die Entwickelung der Krebse, indem er zeigte, daß Arten aus den verschiedensten Krebsfamilien, die im ausgewachsenen Zustand nur eine ziemlich entfernte Verwandtschaft und nicht die geringste Ähnlichkeit [* 2] miteinander zeigen, anfangs in fast gleicher Gestalt als sogen. Nauplius-Larve erscheinen. Es ist dies ein kleines, sechsfüßiges Tier mit einem unpaarigen Ange auf dem Kopf, und einzelne niedere Krebsformen gehen zeitlebens nur wenig über seine Gesamtorganisation hinaus.
Mit derselben Form beginnen aber auch gewisse Garneelen, die den höchsten Krebsfamilien angehören, ihre Entwickelung und gehen dann durch andre Larvenformen hindurch, die man als Zoëa- und Mysis-Larven bezeichnet hat, weil sie gewissen mittlern Krebsgeschlechtern gleichen; kurz, der Schluß, wurde unabweisbar, daß die Nauplius-Larve dem gemeinsamen Ahnen des Krebsgeschlechts gleiche, und daß die höhern, vollkommener differenzierten Krebsarten von den mittlern Formen abstammen, deren Nachbilder ebenfalls in den Metamorphosen ihrer Larve auftreten.
Entwickelungsgeschicht

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Entwickelungsgeschichte.
Ganz unabweisbar wurde dieser
Schluß bei jenen Krebsarten, die im erwachsenen Zustand zu einem Klumpen ohne alle Gestaltung
entartet sind, und deren Zugehörigkeit zum Krebsgeschlecht fast nur noch an der
Nauplius-Larve oder durch
die
Entwickelung überhaupt erkennbar ist (s.
Entartung). Auf diese
Thatsachen begründete
Fritz
Müller die Folgerung, welche
Häckel unter dem
Namen des biogenetischen
Grundgesetzes kurz dahin formuliert hat: die Entwickelu
ngsgeschichte
[* 3] des
Individuums (Ontogenesis) ist
die abgekürzte Wiederholung seiner Stammesgeschichte (Phylogenesis).
Dieser
Schluß hat sich seither in tausendfältiger
Weise bewährt und das
Studium der Entwickelu
ngsgeschichte zu einer der wichtigsten Erkenntnisquellen
sowohl für die Ermittelung der natürlichen
Verwandtschaften als besonders der Abstammung der Organismen erhoben. Freilich
ist diese
Quelle
[* 4] eine nur mit großer Vorsicht zu benutzende, weil nicht immer ungetrübte, wie dies schon
Fritz
Müller erkannte. Die in der Entwickelu
ngsgeschichte erhaltene geschichtliche
Urkunde wird nämlich allmählich verwischt, indem die
Entwickelung
einen immer geradern Weg vom
Ei
[* 5] zum fertigen
Tier einschlägt, sie wird außerdem sowohl, wenn das
Tier sich nicht frei, sondern
in einem
Ei entwickelt, als auch, indem es als
Larve den Einflüssen des
Kampfes ums Dasein ausgesetzt wird,
nachträglich verändert, also im Hinblick auf den getreuen
Bericht der Stammesgeschichte gefälscht, und das ist, was
Häckel
als Fälschungsgeschichte
(Cenogenesis) bezeichnet. Das
biogenetische Grundgesetz gibt uns demnach, wenn mit der
[* 3]
^[Abb.: Entwickelu
ngszustände von Monoxenia Darwinii. Vergrößert.]
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