Indien
Persien

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Persien.
(India), bei den Griechen und
Römern Bezeichnung für das Land jenseit des
Indus, d. h. ohne bestimmte geographische
Begrenzung die gesamte südlich und südöstlich vom
Imaos
(Himalaja) gelegene Ländermasse
Asiens: das
jetzige Vorder- und
Hinterindien
[* 2] nebst einem Teil
Chinas, der zu letzterm gerechnet wurde. Während die Ägypter und Phöniker
schon sehr früh mit der Westküste
Vorderindiens (wo wahrscheinlich auch das Goldland
Ophir zu suchen ist) in Handelsverkehr
standen, beschränkte sich die Kenntnis Indiens
bei den Griechen in älterer Zeit auf dürftige und unbestimmte,
meist entstellte Nachrichten, die sie auf Umwegen über
Persien
[* 3] (z. B. durch
Ktesias) davon erhielten.
Herodot kennt von I. nur den Nordwestteil, die Gegend des Indus; bei der Beschreibung von Xerxes' Heer führt er die »dunkel gefärbten« indischen Hilfstruppen an und bezeichnet sie als »Äthiopier von Sonnenaufgang«, die er jedoch von den afrikanischen Schwarzen sehr wohl unterscheidet. In der Folge wurde die Kenntnis der Griechen von I. durch die Expedition Alexanders d. Gr. nach dem indischen »Fünfstromland« (Pentapotamien, Pandschab) und nach seinem Tode durch den Zug Seleukos Nikators, der (305) bis zur Jamuna (Dschamna) vordrang, namentlich aber durch die Berichte des Megasthenes, der als Seleukos' Gesandter längere Zeit zu Pataliputra, der Residenz des Inderfürsten Sandrokottos (Tschandragupta), verweilte, wesentlich erweitert.
Rom

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Rom.
Eratosthenes (gest. 193
v. Chr.) kannte
bereits die südliche Zuspitzung der vorderindischen
Halbinsel sowie Tapropane
(Ceylon),
[* 4] während
er den
Ganges, als den östlichen Grenzfluß Indiens
, weit nach Nordosten in die
Nähe von Thina
(China)
[* 5] verlegte. Während der
Regierung des
Kaisers
Claudius (gest. 54
n. Chr.) kamen
Gesandte des
Königs Rochias von
Ceylon nach
Rom,
[* 6] und unter
Mark Aurel (gest. 180
n. Chr.) gingen Abgeordnete
Roms über
Hinterindien nach
China.
Der Geograph
Ptolemäos (2. Jahrh.
n. Chr.) unterscheidet schon Vorder- und
Hinterindien, erwähnt bei letzterm
den »goldenen
Chersones« (die
Halbinsel
Malakka) sowie
Java und andre indische
Inseln.
Natur- und Kunsterzeugnisse Indiens
waren
schon seit den
Zeiten der
Seleukiden immer häufiger nach
Europa
[* 7] gekommen; im
Mittelalter gelangten dieselben teils auf dem Karawanenweg
durch die
Wüsten Innerasiens nach den Küstenländern des
Kaspischen und
Schwarzen
Meers, teils wurden sie
durch die Araber, welche bereits in den ersten
Jahrhunderten nach
Mohammed die indischen
Meere befuhren und auch indische Häfen
besuchten, nach
Ägypten
[* 8] befördert und von hier aus durch Vermittelung der Genuesen,
Florentiner,
[* 9] namentlich aber der
Venezianer
dem
Westen
Europas zugeführt.
Westindien und Zentral

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Westindien.Neu belebt wurde das Interesse für I. durch die wunderbaren Reiseberichte Marco Polos, der unter anderm 1290 als der erste Europäer Sumatra besucht hatte, sowie seines Landsmanns Niccolò di Conti, der im 15. Jahrh. das innere Vorderindien eingehend erforschte, und besonders auf die von Polo geschilderten Goldländer Kathai (China) und Zipangu (Japan), die man als zu Hinterindien gehörig betrachtete, lenkte sich die allgemeine Aufmerksamkeit. Der Gedanke, daß das reiche I. bequemer mittels einer Fahrt nach W. erreicht werden könne, tauchte bald auf und gewann um so mehr Wahrscheinlichkeit, als die Ostküste des Landes der Serer oder Thinä (China) von Ptolemäos um mindestens 51 Grad zu weit gegen O. versetzt war, während auf der Karte des Mathematikers Toscanelli, welche Kolumbus auf seiner ersten Entdeckungsreise als Führer diente, die Entfernung zwischen den Kanarischen Inseln und der Küste Ostasiens nur zu etwa 90 Grad (nach Kolumbus' Umrechnung 1100 span. Meilen) angegeben war. So kam es, daß Kolumbus, als er 1492 auf der Insel Guanahani landete, eine indische Insel unfern der Gangesmündung erreicht zu haben glaubte, und erst nachdem Vasco da Gama 1498 den eigentlichen Seeweg nach dem alten I. gefunden und Balboa 1515 zuerst den Stillen Ozean erblickt hatte, gelangte man zu der Erkenntnis, daß die neuentdeckten Länder im W. von dem Lande der alten Inder im äußersten Osten weit voneinander getrennt seien. Der Name I. ist gleichwohl den von Kolumbus zuerst aufgefundenen Inseln Mittelamerikas verblieben, nur daß man dieselben als Westindien [* 10] (s. d.) von dem eigentlichen I. im O. als Ostindien [* 11] (s. d.) unterschied, ebenso wie man die Indianer, die Urbewohner des neuen Weltteils, von den Indern oder Indiern, den Bewohnern Ostindiens, unterscheidet.
Vgl. Vivien de Saint-Martin, Étude sur la géographie grecque et latine de l'Inde (Par. 1858-60).