Geistl
iche.
Geistliche - Geistlich

* 3
Seite 7.39.
Alle christlichen Kirchenparteien, ausgenommen die
Wiedertäufer,
Quäker und
Darbysten (s. d.), stimmen darin
überein, daß die
Kirche, um ihre Thätigkeiten zum
Besten der Kirchenglieder entfalten zu können, besonderer, aus der Gesamtheit
der
Christen ausgewählter
Organe (ministri ecclesiae) oder eines geordneten geistl
ichen
Standes bedürfe.
Bedeutende
Differenzen bestehen freilich zwischen der katholischen und der protestantischen
Anschauung hinsichtlich der Bedeutung
des geistl
ichen
Amtes, des Verhältnisses der geistl
ichen Amtsträger zu den übrigen
Christen sowie der
Rechte und
Pflichten
der erstern. Nach katholischer
Lehre
[* 2] ist der geistliche
Stand der von
Christus eingesetzte, durch eine in
ununterbrochener
Erbfolge erteilte
Weihe mit eigentümlicher Gnadengabe ausgerüstete
Stand zur
¶
mehr
ausschließlichen Verwaltung der Sakramente und zur Regierung der Kirche, alle Gemeinschaft zwischen Christus und dem christlichen
Volk (Laien) vermittelnd. Unter den Mitgliedern des geistl
ichen Standes findet nach göttlicher Anordnung (jure divino) eine
hierarchische Gliederung statt zwischen Diakonat, Presbyteriat und Episkopat, indem das erstere noch nicht Priestertum und
erst das letztere dasselbe im vollen Sinn ist mit dem ausschließlichen Rechte, die Firmung und Priesterweihe
zu erteilen.
Kreiden - Kreis

* 4
Kreis.
Der Protestantismus achtet dagegen den geistl
ichen Stand für ein aus der Gemeinde hervorgehendes Amt, nach Christi Vorgang eingesetzt
um der Ordnung willen zur Verwaltung der Lehre, der Sakramente und der Seelsorge. Seine Rang- und Funktionsverschiedenheiten,
Pfarrer (Prediger, Pastor), Superintendenten, Kirchenräte und Mitglieder der Konsistorien und Oberkirchenräte, bestehen nur nach
menschlicher Ordnung (jure humano); nur die englische Episkopalkirche nähert sich in dieser Hinsicht der katholischen Kirchenverfassung,
indem dort drei verschiedene Ordines clericorum (Diakonat, Presbyteriat und Episkopat) bestehen und für jeden Stand eine besondere
Weihe eingeführt und ein abgeschlossener Kreis
[* 4] amtlicher Handlungen bestimmt ist.
Geht nach katholischer Anschauung die Berufung vom Episkopat, d. h. in letzter Instanz vom Oberhaupt der Kirche, aus, und erhält
der Geistliche
durch die Ordination einen Character indelebilis, der ihn für immer über den Laien erhebt, so fordert die protestantische
Kirche die Berufung durch die Gemeinde und sieht in der Ordination lediglich eine Feierlichkeit, mittels
welcher der zu einer geistl
ichen Stelle Berufene zur treuen Erfüllung seiner Amtspflichten aufgefordert wird.
Nach kirchlichen (kanonischen) Satzungen beanspruchten die Geistlichen
bis in die neueste Zeit Vorrechte verschiedener Art,
z. B. Immunität, d. h. Freiheit von öffentlichen und Gemeindeabgaben;
Befreiung von der Verbindlichkeit zur Übernahme von Gemeindeämtern, Vormundschaften, vom Kriegsdienst etc.;
ferner ein Beneficium competentiae (s. d.);
einen
privilegierten Gerichtsstand sowie, daß Mißhandlung und Beleidigung eines Geistlichen
strenger bestraft werden sollten.
Von diesen Vorrechten sind die meisten geschwunden; so ist z. B. nach § 196 des deutschen Strafgesetzbuchs die einem Religionsdiener in Ausübung seines Berufs zugefügte Beleidigung nicht mehr mit einer geschärften Strafe bedroht, sondern nur der vorgesetzten Behörde des Beleidigten ein eignes Recht eingeräumt, den Strafantrag zu stellen.
Die Feststellung der Befugnisse der Geistlichkeit und die Abgrenzung des Gebiets ihrer Wirksamkeit war frühzeitig schon ein wichtiger Gegenstand der staatlichen Gesetzgebung. Wiederholt sah sich die Staatsgewalt in der Lage, gegen Übergriffe der Kirche auf das Gebiet der staatlichen Hoheitsrechte vorgehen zu müssen. Namentlich ist der Gesetze zu gedenken, durch welche der Staat sein Recht der Oberaufsicht und seine Autorität in Ansehung der richterlichen Gewalt wahrt (s. Geistliche Gerichtsbarkeit).
Aus neuerer Zeit sind hier besonders anzuführen: Das Reichsgesetz vom durch welches zusätzlich zum Art. 130 des Strafgesetzbuchs (sogen. Kanzelparagraph) bestimmt wird, daß ein Geistlicher oder andrer Religionsdiener, welcher in der Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufs öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche oder an einem andern zu religiösen Versammlungen bestimmten Ort vor Mehreren Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung macht, mit Gefängnis bestraft werden soll.
Oesterreich ob der Enn

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Österreich.
Außerdem muß der Staat berücksichtigen, daß die Beamten der anerkannten Kirchen zugleich das Recht und den Rang von Staatsbeamten
erhalten, und daß es deshalb und bei der regen und notwendigen Wechselbeziehung zwischen Staat und Kirche
nicht nur in seinem Interesse, sondern in seinem Oberaufsichtsrecht liegt, dafür zu sorgen, daß auch in der katholischen
Kirche keine Geistlichen
zu kirchlichen Ämtern gelangen, deren Anstellung bedenklich erscheint. Deshalb haben die meisten
Staaten die Voraussetzungen für Erlangung eines kirchlichen Amtes bestimmt und Vorschriften über die
Ausbildung zum geistlichen
Stand erlassen, so Österreich
[* 5] schon durch die Hofdekrete vom u. a.;
Bayern [* 6] durch eine Verordnung vom (die Prüfungsbehörde wird aus Staats- und Kirchendienern nach Benehmen mit dem Bischof zusammengesetzt);
Baden [* 7] durch das Gesetz vom und die Verordnungen vom und
Württemberg
[* 8] durch das Gesetz vom Am wichtigsten sind die neuern preußischen und österreichischen Gesetze, doch ist das preußische
Gesetz vom insofern es zur Bekleidung eines geistlichen
Amtes die Ablegung einer wissenschaftlichen
Staatsprüfung (sogen. Kulturexamen) erforderte, durch das Gesetz vom wieder aufgehoben worden.
Das österreichische
Gesetz vom § 2, bestimmt, daß von Staats wegen zur Erlangung kirchlicher Ämter und Pfründen erfordert wird: die
österreichische Staatsbürgerschaft, ein in sittlicher und staatsbürgerlicher Hinsicht vorwurfsfreies
Verhalten und diejenige besondere Befähigung, welche für bestimmte kirchliche Ämter und Pfründen in den Staatsgesetzen
vorgeschrieben ist. Das österreichische Gesetz fordert dieselben Eigenschaften auch bei jenen geistlichen
Personen, welche
zur Stellvertretung oder provisorischen Versehung dieser Ämter oder zur Hilfsleistung bei denselben berufen werden.
Deutsche Altertümer -

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Deutsche.Das preußische Gesetz vom gestattet, daß das theologische Studium wieder auf den kirchlichen Seminaren zurückgelegt werden kann, welche bis 1873 bestanden hatten; doch sind dem Kultusminister Statuten und Lehrplan einzureichen, auch die Namen der Leiter und Lehrer anzuzeigen, welche Deutsche [* 9] sein und die wissenschaftliche Befähigung besitzen müssen, die für einen Lehrer der betreffenden Disziplin an einer deutschen Staatsuniversität erfordert wird.
Ferner sind die geistlichen
Konvikte und die Prediger- und Priesterseminare durch das Gesetz vom in Preußen
[* 10] wieder
für zulässig erklärt worden. Auch bei diesen Instituten besteht dieselbe Anzeigepflicht; endlich müssen die Leiter und
Lehrer Deutsche sein.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Kirchenrechts Hinschius' Ausgaben der preußischen Kirchengesetze (4 Bde., Berl. 1873-86);
Höinghaus, Die kirchenpolitischen Gesetze in ihrer jetzigen Gültigkeit, 1871-86 (das. 1886);
Gautsch v. Frankenthurn, Die konfessionellen Gesetze Österreichs (Wien [* 11] 1874);
Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage (2. Aufl., Freib. i. Br. 1885, 3 Bde.).