Branntwein
,
Geschichtskarten von D

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Deutschland.durch Destillation [* 2] aus gegornen Flüssigkeiten gewonnenes alkoholisches Getränk, besteht im wesentlichen aus einem Gemisch von Wasser mit 40-50 Volumprozenten Alkohol und wird aus eigens zu diesem Zweck bereiteten Maischen hergestellt, indem man einen durch Herkommen und Gewohnheit beliebten Geschmack, der wesentlich auf einen Gehalt an gewissen Fuselölen zurückzuführen ist, durch strenge Einhaltung alter Brennereimethoden zu erreichen sucht. So bereitet man in Deutschland [* 3] den Kornbranntwein aus Weizen- und Gerstenmalzmaische, in Belgien [* 4] den Genever aus Roggenmaische, in England den Whiskey aus Gerstenmaische und in Nordamerika, [* 5] Ungarn [* 6] und andern Ländern aus Maismaische.
Sehr viel Branntwein
wird aus hochgradigem
Spiritus
[* 7] durch Verdünnen mit
Wasser gewonnen, und man erhält ein fuseliges
Produkt bei
Anwendung von 80-82proz.
Spiritus, während 90-94proz.
Spiritus das
Material zu den feinern Branntweinen
, den
Likören (s. d.)
etc., gibt. Neben dem Branntwein
aus stärkemehlhaltigen Rohmaterialien spielen die Branntweine
aus zuckerhaltigen
Früchten eine große
Rolle. Man verarbeitet Äpfel und
Birnen in der
Normandie und in
Württemberg,
[* 8] wo man
aus diesen Obstsorten hauptsächlich
Obstwein darstellt, auch aus Branntwein.
Aus
Wald- oder
Vogelkirschen erhält man den Kirschbranntwein
(Kirschgeist), der vorzüglich in
Dalmatien, in der
Schweiz
[* 9] und in den württembergischen
Alpenthälern
bereitet wird und von einem Zusatz zerstoßener Kirschkerne bei der
Gärung einen angenehmen
Geschmack nach bittern
Mandeln
erhält.
Deutschland. Fluß- und

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Deutschlands.
Zwetschen und Pflaumen liefern den Zwetschen- oder Pflaumenbranntwein
, auch Kätsch, in
Ungarn Sliwowitza oder
Slibowitz, in
Slawonien Raky oder Racky genannt. Er wird in verschiedenen Gegenden
Deutschlands,
[* 10] besonders in
Franken,
außerdem aber hauptsächlich in
Slawonien und
Ungarn gebrannt und hat einen lieblichen reinen
Geruch und
Geschmack. Heidelbeeren
werden in manchen
Jahren auf dem
Schwarzwald in größerer
Menge gesammelt und auf Branntwein
verarbeitet, ebenso Himbeeren,
Brombeeren,
Stachelbeeren, Holunderbeeren, in
Böhmen
[* 11] Vogelbeeren, in
Ungarn Wacholderbeeren und in der
Provence
Feigen,
welche einen sehr feinen Branntwein
liefern, in Südeuropa wilde Maulbeeren, Johannisbrot, Kaktusfeigen.
Wein liefert bei der
Destillation
Kognak,
Armagnak etc., gegorner Zuckerrohrsaft Tafia, gegorne Zuckerrohrmelasse
Rum und gegorne
Milch Arka oder Arsa der
Kirgisen.
Die Geschichte des Branntweins
beginnt mit der
Erfindung der
Destillation, welche den Arabern zugeschrieben
wird. Der arabische
Arzt Abul Kasim in
Cordova (gest. 1106
n. Chr.) spricht mit großer
Bestimmtheit vom gebrannten
Wein. Im
Abendland
lernt zuerst
Raimund
Lullus die Branntwein
bereitung teils aus den
Schriften der Araber, teils auch aus eigner
Anschauung während
seiner
Reisen in
Afrika
[* 12] kennen. Im 14. Jahrh. soll ein glückliches Weinjahr die Veranlassung
größerer Branntwein
mengen in
Modena gewesen sein.
Schweden und Norwegen

* 13
Schweden.
Man trank damals den Branntwein
noch sehr selten, benutzte ihn dagegen öfters als Arznei, so besonders gegen die
Pest und andre Infektionskrankheiten. Auch in
Irland diente Branntwein
als Arznei, und er scheint dort auch, wie das
Opium bei
den
Türken, zur Stärkung des Heldenmuts angewandt worden zu sein. Diese
Annahme wird durch das
Beispiel eines
Heerführers,
Namens
Savage, bestätigt, welcher 1350 lebte: derselbe ließ jedem seiner
Soldaten
vor der
Schlacht einen mächtigen Trunk Branntwein
reichen.
Erst gegen das Ende des 15. Jahrh. wurde das Branntwein
trinken allgemeiner.
Michael
Savonarola (gest. 1431)
verfaßte eine ausführliche
Schrift über den und lehrte unter anderm die
Prüfung des Branntweins
und
Weingeistes auf den
Gehalt an
Alkohol mittels Papierstreifen. In
Schweden
[* 13] war der Branntwein zu Ende der
Regierung
Gustavs I. als
Arzneimittel im
Gebrauch,
wurde aber erst zu Ende des 16. Jahrh. allgemeines
Getränk. In Rußland bediente man sich des Branntweins
schon Anfang des 16. Jahrh. als eines allgemeinen
Getränks, in geringerm
Grad als eines
Arzneimittels; zu Ende desselben
Jahrhunderts
waren die
Russen dem Branntwein schon so ergeben wie heutzutage.
Branntweinbrennerei -

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Seite 3.330.Der Name Aqua vitae scheint aus Spanien [* 14] und Italien [* 15] zu stammen, wo der Branntwein als Acqua vite oder Acqua di vite, Wasser der Weinrebe, bekannt war. Da die Klöster die Sitze und die Pflegestätten der Wissenschaft sowie die ersten Bereitungsstätten der Arzneien waren, so liegt es nahe, wenn man vermutet, daß dort der Ausdruck Acqua vite in das lateinische Aqua vitae übersetzt worden und daraus die später allgemeinere Bezeichnung Lebenselixir entstanden sei. Im 17. Jahrh. kamen die Branntweine aus Baumfrüchten, Beeren und Cerealien immer allgemeiner in Gebrauch, und schon 1747 beschrieb C. Skytte das Verfahren, Branntwein aus Kartoffeln zu erzeugen. Sehr förderlich für die Ausbreitung des Branntweins in Deutschland war der ¶
mehr
Dreißigjährige Krieg. Es wurden gegen den Branntwein verschiedene Verbote erlassen, denen sämtlich die Ansicht zu Grunde lag, derselbe sei ein Gift. Gustav I. von Schweden warnte vor dem Gebrauch des Branntweins, Landgraf Philipp von Hessen [* 17] verbot ihn 1524, und später geschah dasselbe in Frankfurt [* 18] und Lüneburg. [* 19] An manchen Orten war man dem Getreidebranntwein sehr abgeneigt, ja in Schwaben hielt man es für Sünde, aus Getreide [* 20] Branntwein zu erzeugen, weil dadurch »ein Essen [* 21] in einen Trank verwandelt werde«.
Keine Flüssigkeit wurde in dem Maß verdammt, gegen keine mit solchem Eifer aufgetreten wie gegen den Branntwein; dieser galt für die Ursache der meisten Verbrechen und Laster, er war ein Trank der Hölle, eine Erfindung des Teufels; Mäßigkeitsgesellschaften, kirchliche Missionsvereine, Traktätchen, Erbauungsschriften etc. bekämpften ihn. Die Neigung, namentlich des ärmern, schlecht genährten Mannes, Branntwein zu trinken, läßt sich aber auf ganz bestimmte physiologische Verhältnisse zurückführen (s. Alkohol), und deshalb haben alle oben genannten Bemühungen sehr wenig, der steigende Wohlstand, die daraus folgende bessere Ernährung und namentlich die immer mehr um sich greifende Gewohnheit, Bier zu trinken, außerordentlich viel zur Beseitigung des Mißbrauchs, der mit dem Branntwein getrieben wurde, beigetragen.