Nach dem
Sturz der Süßschen
Partei ward er 1741 wieder in den württembergischen
Staatsdienst zurückgerufen und übte bis
zu seiner zweiten Entlassung 1755 auch unter
HerzogKarlEugen, den er auf seiner
Reise nach
Italien begleitete,
auf die innern wie auf die auswärtigen Verhältnisse einen großen Einfluß aus. 1755 trat er als
Minister in die
Dienste
des
LandgrafenWilhelm VIII. von
Hessen-Kassel und wirkte in dieser
Stellung für eine protestantische, preußische
Politik.
Vgl. »F. A. v. ein kleinstaatlicher
Minister des 18.
Jahrhunderts« (Leipz. 1877), ein interessantes
Buch, das anziehende, wichtige
Tagebücher und
BriefeHardenbergs enthält.
Notgedrungen schloß er sich anfangs in seiner äußern Politik möglichst eng an Frankreich an, im Innern aber führte er die
Reformen durch, die so segensreich für die spätere Neugestaltung der preußischen Monarchie wurden. Als
endlich nach dem Rückzug des französischen Heers aus Rußland der günstige Zeitpunkt für eine ErhebungPreußens
[* 28] gekommen
zu sein schien, drängte er vor allem auf eine rasche Entscheidung und einen unbedingten Anschluß an Rußland und versäumte,
nur die Hauptsache im Auge,
[* 29] die genauere Festsetzung der Bedingungen für Preußens Wiederherstellung.
Hardenbergs äußere Politik war von richtigen Prinzipien geleitet; ihr Ziel war PreußensGröße und Deutschlands
[* 37] Wiederaufrichtung.
Indessen sein Leichtsinn, der auch in seinem Privatleben zu seinem Nachteil hervortrat, seine weltmännische Liebenswürdigkeit,
die oft in allzu große Nachgiebigkeit ausartete, beeinträchtigten die Erfolge derselben und führten
ihn unter dem Einfluß der Heiligen Allianz und Metternichs zuletzt auf Wege, die er selbst im Grund mißbilligte.
Seine innere Politik war eine Politik des Wiederaufbauens, die bis zu einem gewissen Punkt untadelhaft dasteht. Schon auf dem
Kongreß zu Wien war als eifriger Verteidiger des konstitutionellen Systems aufgetreten. Unter seiner Einwirkung
erschien das königliche Edikt vom worin eine Verfassungsurkunde und die Anordnung einer Volksrepräsentation versprochen
ward. Aber auch hier ließ er die nötige Energie zur Durchführung seines Plans vermissen.
Die Jahre 1815 und 1816 verflossen, ohne daß das Versprechen gelöst wurde. Der Staatskanzler sicherte zwar
den Rheinlanden ihre Institutionen und förderte das Verwaltungswesen der östlichen Provinzen; auch veranlaßte er den Zusammentritt
einer Kommission zur Entwerfung der Verfassungsurkunde, doch wurden derselben keine Vorlagen gemacht. Hardenberg konnte die reaktionären
Strömungen im Rate des Königs nicht überwinden, blieb aber trotzdem, um Schlimmeres zu verhüten, im Amt, wodurch er
freilich weder sich selbst noch dem Land Nutzen erwies.
der 1. und 4. Band
[* 38] dieses Werkes enthält eine von Ranke verfaßte Biographie Hardenbergs bis 1813, Band 2 und 3 »eigenhändige
Memoiren« desselben über seine Leitung der auswärtigen PolitikPreußens 1803-1807, welche diese jedoch in einem zu günstigen
Licht
[* 39] erscheinen lassen und mit den Originalakten nicht durchaus übereinstimmen; der 5. Band enthält Aktenstücke.
Ein weitschichtiges
Werk Schölls über Hardenberg wird im Manuskript im Staatsarchiv zu Berlin aufbewahrt.
Vgl. noch E. Meier, Die Reform
der Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg (Leipz. 1880).
4) Friedrich von, Verwandter des vorigen, als Dichter unter dem NamenNovalis bekannt, geb. zu Wiederstedt, dem Familiengut
im Mansfeldischen, erhielt im elterlichen Haus eine vortreffliche Erziehung, die durch ihren religiösen Grundcharakter (die
Eltern gehörten der Brüdergemeinde an) von nachhaltigem Einfluß auf sein Gemütsleben war, besuchte
seit 1789 das Gymnasium zu Eisleben,
[* 40] studierte seit 1790 in Jena, wo er Fichte
[* 41] und Schlegel kennen lernte, dann in Leipzig und
Wittenberg
[* 42] Rechtswissenschaft und begab sich 1793 zur Übung in den praktischen Geschäften nach Arnstadt.
[* 43] Hier lernte er die
in seiner Dichtung gefeierte 13jährige Sophie v. Kühn kennen, mit der er sich 1796 verlobte, nachdem er kurz zuvor als Auditor
bei den Salinen nach Weißenfels
[* 44] übergesiedelt war. Nach dem frühen Tod seiner Braut widmete er sich dann 1797-99
in Freiberg
[* 45] unter Werner noch dem Studium der Bergwissenschaften und verlobte sich hier im
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Frühling 1800 ein zweites Mal mit der Tochter des Berghauptmanns Charpentier. Bald darauf wurde er zum Amtshauptmann in Thüringen
designiert, konnte aber sein Amt nicht antreten, da er, von Jugend auf kränklich, langsam hinsiechte. Er starb in
Weißenfels. Schon in Weißenfels war er mit dem Kreis
[* 47] der romantischen Dichter (Schlegel, Tieck etc.), welche
damals in Jena lebten, in engern Verkehr getreten. Ein Mensch von seltener Seelenreinheit, ein phantasiereicher und tiefsinniger
Theosoph, der als der »Prophet der romantischen Schule« bezeichnet wird, hat es Hardenberg mit der Absicht, Leben und Poesie, Wissenschaft
und Religion in eins zu schmelzen, so ernst genommen wie keiner der übrigen Romantiker.
obschon unvollendet geblieben, legt davon Zeugnis ab.
Er stellte sich darin die Aufgabe, »mit dem Geiste der Poesie, alle Zeitalter, Stände, Gewerbe, Wissenschaften und Verhältnisse
durchschreitend, die Welt zu erobern«. Das Ganze sollte eine Apotheose der Poesie sein. Allein bei der Aufführung
versagte ihm die darstellende Kraft
[* 48] und so, wie der Roman vorliegt (nur der erste Teil ist vollendet),
treibt er bei schönen
Einzelheiten (wir erinnern an die eingestreuten Lieder und die Schilderung von Heinrichs und MathildensLiebe) ein unerquickliches
Versteckenspielen mit der »blauen Blume« der Poesie, ohne daß man ihren Farbenglanz und Dust jemals recht
zu genießen bekommt. Bei Hardenberg ist alles in ein dunstiges Dämmerlicht gehüllt; er wendet sich vom hellen und
geräuschvollen Tag weg zur Nacht, die er in mystisch-tiefen Hymnen so schön feiert. Am reinsten spricht sich des
Dichters Wesen und seine christliche, nicht kirchlich bedingte Richtung in den »Geistlichen Liedern« aus, dem Einzigen, was
er fertig und vollendet hinterlassen hat. Seine »Sämtlichen Schriften« gabenL.Tieck und Fr. Schlegel heraus (Berl. 1802, 2 Bde.; 5. Aufl.
1838; Bd. 3, 1846); die »Gedichte«
erschienen besonders (das. 1857; hrsg. von
Beyschlag, 3. Aufl., Leipz. 1885).
Albert, Theolog, eigentlich Rizäus, nach seinem Geburtsort Hardenberg in der holländ.
Provinz Oberyssel Hardenberg genannt, geb. 1510. Er bezog 1530 die Universität Löwen und trat hier der scholastischen Theologie entgegen.
Deswegen mußte Hardenberg 1538 Löwen verlassen. Er ging nach Mainz, 1543 nach Wittenberg, und 1544 empfahl Melanchthon Hardenberg dem Kölner
Erzbischof Hermann von Wied zur Durchführung der Reformation in seinen Landen. Als theol. Ratgeber und zuletzt
als Prediger in Kempen stand Hardenberg dem Erzbischof zur Seite.
Als 1547 der Versuch, Köln dem Protestantismus zuzuführen, gescheitert war, wurde Hardenberg erster evang. Domprediger
in Bremen. Seit 1555 entbrannte jedoch zwischen und seinem Kollegen Joh. Timann ein heftiger Streit über die Abendmahlslehre,
indem Hardenberg der luth. Ubiquitätslehre widersprach, während sie Timann eifrig verteidigte. Schließlich wurde
Hardenberg 1561 aus Bremen verwiesen, ward 1565 Prediger in Sengwarden, 1567 in Emden in Ostfriesland, wo er starb. -
Friedr. August, Freiherr von, Staatsmann, geb. 1700 in der GrafschaftMansfeld, wurde 1729 in
Württemberg Kammerpräsident unter HerzogLudwigEberhard. Durch dessen Nachfolger, den kath. HerzogKarlAlexander, entlassen,
wurde Hardenberg, nachdem der Herzog gestorben und der JudeSüß (s. d.) hingerichtet war, 1741 von neuem in württemb. Dienste gezogen.
Er richtete sein Bestreben darauf, den jungen HerzogKarl Eugen für Preußen zu gewinnen und durch die
Heirat mit einer evang. Prinzessin die prot. Nachfolge in Württemberg herzustellen. Bei der bald hervortretenden Verschwendungssucht
und Mißwirtschaft Karl Eugens lockerte sich das Verhältnis zu dem Minister. Hardenberg trat 1755 in die Dienste des
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Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen-Cassel, wurde während des Siebenjährigen Krieges der leitende Staatsmann dieses Landes
und zeigte sich eifrig bemüht, das Bündnis mit England und Preußen aufrecht zu erhalten und weiter zu befestigen. 1761 verließ
er Hessen,
[* 52] da er mit dem katholisch gewordenen Landgrafen Friedrich II., einem launischen und verschwenderischen
Fürsten, in Mißhelligkeiten gekommen war. Nach zwei in Zurückgezogenheit verbrachten Jahren wurde Hardenberg in
Hannover Vorsitzender der Kriegskanzlei mit dem Rang eines Ministers. Er erwarb sich hier für die Hebung des im Kriege schwer
mitgenommenen Landes nicht unwesentliche Verdienste. Hardenberg starb 1768. -
Vgl. Ein kleinstaatlicher Minister des 18. Jahrh. Leben
und Wirken FriedrichAugusts, Freiherrn von Hardenberg (Lpz. 1877).
Friedr. Leopold, Freiherr von, als Schriftsteller unter dem NamenNovalis bekannt (in lat. Urkunden des 13. Jahrh,
bezeichnen sich einige seines Geschlechts nach ihrem Sitze [Großen]-Rode de Novali), geb. auf
seinem Familiengute Wiederstädt in der GrafschaftMansfeld, besuchte seit 1789 das Gymnasium in Eisleben.
In Jena, wo er als Verehrer Schillers freundliche Aufnahme in dessen Familienkreise fand, studierte er (Herbst 1790 bis Herbst
1791) Philosophie, in Leipzig (bis 1793) und Wittenberg die Rechte und wendete sich im Sommer 1791 nach Tennstädt, um sich als
praktischer Jurist auszubilden. Hier lernte er auf einem benachbarten Gute die noch ganz kindliche Sophievon Kühn (geb. 1783) kennen, verlobte sich mit ihr, wurde 1795 als Auditor bei den Salinen in Weißenfels angestellt, verlor
aber 1797 seine Braut durch den Tod. Um sich die zu einer Anstellung bei den Salinen nötigen Kenntnisse
zu erwerben, besuchte er noch in demselben Jahre die Bergakademie zu Freiberg, wo er die stärksten geistigen Anregungen von
dem Geologen Prof. Werner erhielt und die Tochter des Berghauptmanns Charpentier kennen lernte,
mit der er sich 1800 verlobte. Im Sommer 1799 kehrte er nach Weißenfels zurück und wurde dem Direktorium
der Salinen als Assessor beigesellt. Er war zum Amtshauptmann in Thüringen ernannt, als er, von Jugend auf kränklich, im väterlichen
Hause in Weißenfels in den Armen seines Freundes F. Schlegel starb.
Hardenberg, der als einer der vollkommensten Vertreter der romantischen Schule gelten kann, war ein hochbegabter
und mit reicher Bildung ausgestatteter Dichter. Indessen überwog bei ihm das mystische Gefühlsleben so stark, daß sein
an sich höchst scharfsinniger Verstand sich vollständig unterordnete. Daher entwickelte sich bei ihm alles lyrisch,
oder er blieb, wie in den geistvollen, oft aber bizarren und dunkeln Fragmenten über Philosophie, Physik, Ästhetik und
Litteratur, bei geheimnisvollen Andeutungen und orakelnden Aussprüchen stehen.
Seinen originell angelegten, an den zartesten Phantasiegebilden reichen Roman«Heinrich von Ofterdingen» überlieferte er der
Nachwelt als rätselhaften Torso. Den Kern seiner Dichtungen bildet mehrfach das christl. Mysterium, das Hardenberg fast in kath.
Farben behandelt. Seine geistlichen Lieder, welche den Anfang eines von ihm beabsichtigten Gesangbuchs
bilden sollten, gehören zu dem Schönsten, was wir von religiöser Poesie besitzen (darunter «Wenn ich ihn nur habe», «Wenn
alle untreu werden»).
Seine krankhafte, aber an poet. Elementen reiche
Sehnsucht nach dem Tode und der Nacht beherrscht auch sein künstlerisches
Schaffen, das überall wunderbare Tiefe des Gefühls und phantasievolle Anschauung offenbart. Er selbst
stellte die in rhythmischer Prosa verfaßten «Hymnen an die Nacht» am höchsten. Seine «Schriften» wurden vonL.Tieck und F.
Schlegel gesammelt (2 Bde., 1802; Bd.
3, 1846). H.s «Gedichte» gab Beyschlag (Halle 1869) heraus, seinen «Heinrich von Ofterdingen» Julian Schmidt (in der «Bibliothek
der deutschen Nationallitteratur des 18. und 19. Jahrh.», Bd.
38, Lpz. 1876), eine Auswahl seiner Werke Dohmke (Lpz. 1892). -
Eine Nachlese aus den Quellen des Familienarchivs (Gotha 1873; 2. Aufl. 1883); Novalis' Briefwechsel mit
Friedrich und August Wilhelm, Charlotte und Karoline Schlegel. Hg. von Raich (Mainz 1880); A. Schubart, Novalis' Leben, Dichten
und Denken (Gütersloh 1887); J. ^[Just Johann] Bing, Fr. von Hardenberg (Novalis), eine biogr. Charakteristik (Hamb. und Lpz. 1893).
Auch seine beiden Brüder waren poetisch beanlagt. Der ältere, GeorgAnton von Hardenberg, geb. zu Schlöben
in Sachsen-Altenburg, Oberforstmeister in Hessen, gest. als preuß.
Kammerherr und Landrat zu Oberwiederstädt, schrieb unter dem NamenSylvester Beiträge zu des Folgenden «Dichtergarten» und
verschiedenen Musenalmanachen. Der zweite, Karl Gottlob Andreas von Hardenberg, der sich Rostorf nannte, geb. zu
Oberwiederstädt, wurde 1807 katholisch und starb als sächs. Amtshauptmann zu Weißenfels. Er schrieb «Die Pilgrimschaft
nach Eleusis» (Berl. 1804) und gab den «Dichtergarten»
(Würzb. 1807) heraus.
KarlAugust, Fürst von, preuß. Staatsmann, geb. zu Essenrode
im Hannoverschen, aus altem freiherrl. Geschlecht stammend, studierte in Leipzig und Göttingen und trat 1770 als
Auditor bei der Justizkanzlei, dann bei der Kammer in Hannover ein. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Wetzlar, Regensburg,
Wien und Berlin besuchte er Frankreich, Holland, England, wurde 1778 in Hannover zum Geh. Kammerrat ernannt und in den Grafenstand
erhoben. Als bei einem neuen Aufenthalt am engl. Hofe der Prinz von Wales mit H.s Gemahlin ein Liebesverhältnis
anknüpfte, bewog dies Hardenberg, 1782 den hannov.
Staatsdienst zu verlassen und in den des Herzogs von Braunschweig einzutreten, woselbst er als Mitglied des Geheimratskollegiums
eine ministerielle Stellung erhielt. 1790 wurde er auf Empfehlung des Königs von Preußen von dem Markgrafen
von Ansbach und Bayreuth
[* 53] als Minister angestellt und auch nach der Vereinigung der fränk. Markgrafschaften mit Preußen 1791 in
seinem Amte bestätigt, zum preuß. Staatsminister ernannt und in das Kabinettsministerium aufgenommen,
mit Beibehaltung der Verwaltung seiner Provinz, um die er sich große Verdienste erwarb. Von den Tendenzen
der Aufklärung erfüllt, beseitigte er die alten feudalen Zustände in den fränk. Landen, erweiterte die Machtvollkommenheit
der Krone und setzte mannigfache Verbesserungen in Justiz und Unterricht, im Bergbau
[* 54] und im Steuerwesen durch. Während des
Krieges gegen Frankreich wurde er mit mehrern diplomat. Aufträgen betraut und 1795 nach Basel
gesandt, wo er 5. April den
Frieden zwischen Preußen und Frankreich abschloß.
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Nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. wurde Hardenberg 1798 nach Berlin berufen; es ward ihm neben dem Grafen Haugwitz
ein Teil der Geschäfte des Kabinettsministeriums übertragen; außerdem erhielt er 1800 das magdeburgisch-halberstädtische
Departement im Generaldirektorium, zeitweilig auch das westfäl. Departement. Als Haugwitz im April 1801 zurücktrat, übernahm
Hardenberg allein das Ministerium des Auswärtigen. In der Zeit, da sich England, Rußland und Österreich
[* 56] zu einem
neuen gemeinsamen Kampfe gegen Napoleon rüsteten, hat sich Hardenberg keineswegs als ein großer weitblickender Staatsmann
erwiesen. Er wollte sich keiner der beiden Parteien anschließen, sondern eine Neutralitätspolitik innehalten, aber doch
auch zugleich für Preußen Erwerbungen machen, ohne Kosten und Anstrengungen.
Das Ziel seiner Wünsche bildete Hannover. Um dies zu gewinnen, näherte sich Hardenberg mehrfach dem franz.
Kaiser und ließ im dritten Koalitionskriege die preuß. Armee gegen Rußland mobil machen, wenn auch der König selbst, durch
Frankreich verletzt (s. Friedrich Wilhelm III., Bd. 7, S. 344 a), eine
Zeitlang sich der Koalition anschließen wollte. Allein Hardenberg suchte ihn zu besänftigen und davon zurückzuhalten.
Mit H.s Lauheit unzufrieden, berief der König im Herbst 1805 Haugwitz, der sich für die Allianz mit Rußland aussprach, in
das auswärtige Ministerium zurück, das nun von Haugwitz und von Hardenberg gemeinsam geleitet werden
sollte.
Als aber durch die Schlacht bei Austerlitz
[* 57] die Lage gänzlich umgestaltet worden war, unterzeichnete Haugwitz 15. Dez. den franz.-preuß.
Bündnisvertrag von Schönbrunn, den der König im ganzen anerkannte, nur daß er einige Abänderungen einfügen wollte: der
Vertrag sollte bloß ein Verteidigungsbündnis bilden, und Hannover sollte bis zum Frieden in die
AdministrationPreußens, noch nicht in seinen Besitz übergehen. Doch Napoleon verwarf die Abänderungsvorschläge und nötigte
Preußen zu dem noch drückendern Vertrage von Paris auf den Haugwitz und der König eingehen mußten, da Hardenberg leichtsinnigerweise
die Abrüstung der mobil gemachten preuß. Armee befürwortet hatte.
Sonderbarerweise hielt Napoleon Hardenberg für den Hauptgegner Frankreichs in Berlin, und der König verstand
sich infolgedessen zur Entlassung des Ministers. Dadurch gewann Hardenberg bei den preuß.
Patrioten den Ruhm eines Märtyrers, während Haugwitz dagegen als ein Werkzeug Napoleons ausgegeben wurde. Dieser Irrtum
hatte sich lange Zeit erhalten, da auch Hardenberg selbst in den 1808 in Tilsit
[* 58] verfaßten Memoiren seine Politik
von 1804 bis 1806 als eine thatkräftige und antifranzösische darzustellen versucht hatte. In Wahrheit hat er erst seit
dem Unglück von 1806 die furchtbare Gefahr der franz. Weltherrschaft ganz durchschaut; erst
seit dieser Zeit ist er der große Vorkämpfer wider Napoleon geworden.
Während des ostpreuß. Feldzuges wurde Hardenberg im April 1807 von neuem zum leitenden Minister
Preußens berufen. Mit Rußland schloß er jetzt (26. April) den Vertrag von Bartenstein,
[* 59] in dem er die künftige Herstellung Europas
bereits mit großen Zügen vorzeichnete. Nach dem Frieden von Tilsit mußte Hardenberg zum zweitenmal auf Napoleons Befehl
aus dem Amte weichen. Von Altenstein unterstützt, arbeitete er in Riga
[* 60] eine große Denkschrift aus über die Reorganisation
des preuß. Staates. Nachdem das Ministerium Dohna-Altenstein sich unfähig erwiesen, die von Stein 1807 und
1808 begonnenen
Reformen weiterzuführen und das zerrüttete Finanzwesen des Staates neu zu ordnen, wurde Hardenberg, mit Zustimmung
Napoleons, im Juni 1810 zum preuß. Staatskanzler ernannt; er erhielt als solcher die obere Leitung sowohl der auswärtigen
wie auch der gesamten innern Politik Preußens.
Vor allem galt es jetzt, die Finanznot zu beseitigen und durch Abzahlung der ungeheuern Kontributionen Napoleon von neuen
Übergriffen abzuhalten. Hardenberg verwandelte die auf dem Lande bisher erhobene Kontribution in eine Grundsteuer,
ohne daß allerdings seine Absicht, die Steuerprivilegien des Adels ganz zu beseitigen, durchgeführt werden konnte. Die in
den Städten bestehende indirekte Steuer, die Accise, wurde in eine allgemeine, auch auf das Land und die Ritterschaft ausgedehnte
Konsumtionsabgabe umgewandelt; ihr zur Seite trat eine Luxussteuer.
Weiter wurde eine allgemeine Gewerbesteuer eingeführt und durch Säkularisation der geistlichen Güter sowie durch Verkauf
von Domänen neue Einnahmen für den Staat erzielt. So gelang es Hardenberg, den größten Teil der franz. Kontribution aufzubringen
und die finanzielle Katastrophe, der Preußen schon nahe schien, glücklich abzuwenden. Bedeutender noch und durchgreifender
als im Finanzwesen war H.s rastlose Thätigkeit auf wirtschaftlichem und socialem Gebiet.
Sein Verdienst ist die Beseitigung fast all der Schranken, die einer freiern wirtschaftlichen Entwicklung bisher entgegenstanden
und die Durchführung der vollen bürgerlichen Rechtsgleichheit. Durchaus liberal gesinnt und den nationalökonomischen Ideen
AdamSmiths zugethan, suchte er von den Ergebnissen der Französischen Revolution, was sich als lebensfähig
und nutzbringend erwiesen, auch in Preußen durchzuführen. Der innere Handelsverkehr wurde neu belebt, indem die Handlungsaccise
in Fortfall kam;
durch die Septemberedikte von 1811 wurde die von Stein begonnene Bauernbefreiung weiter geführt, die
Bauern erhielten freies Eigentum und das Recht der freien Veräußerung und Erbteilung ihrer Grundstücke;
eine neue Gesindeordnung
wurde erlassen, auch die Juden durch das Emancipationsedikt vom März 1812 zu Staatsbürgern erklärt.
Teilweise aber ging
Hardenberg in seinen freisinnigen Bestrebungen, die ihm oft scharfe Kämpfe mit der Ritterschaft
verursachten, doch zu radikal und mit zu wenig Schonung des in den alten Einrichtungen noch Lebensfähigen vorwärts; er
zog sich dadurch u. a. auch die Gegnerschaft Steins zu. Am wenigsten geschah unter Hardenberg für die Fortsetzung der Steinschen
Verwaltungsreform.
In der auswärtigen Politik verstand es Hardenberg, den Staat durch alle Gefahren sicher hindurchzuführen und
ihm Zeit zur Wiederherstellung, insbesondere zur Reorganisation des Heers, zu verschaffen. Während der Befreiungskriege führte
er die äußerst schwierigen Unterhandlungen mit den Verbündeten, unterzeichnete den Pariser Frieden und vertrat dann zusammen
mit Wilhelm von HumboldtPreußens Interessen auf dem Wiener Kongreß. Der Tadel, der gegen die preuß.
Diplomatie, auch gegen Hardenberg oft laut geworden ist, daß sie verdorben hätte, was die preuß.
Waffen
[* 61] gewonnen, wird nach neuern Forschungen erheblich eingeschränkt werden müssen. (Vgl. Delbrück, Friedrich Wilhelm III.
und Hardenberg auf
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