Wittenberg
,
[* 1] Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Merseburg, [* 3] an der Elbe, Knotenpunkt der Linien Halle-Berlin, Falkenberg-Roßlau und Wittenberg-Torgau der Preußischen Staatsbahn, 72 m ü. M., bis 1873 Festung, [* 4] hat 3 Vorstädte, 2 evang. Kirchen (die Stadtkirche mit dem berühmten Lukas Cranachschen Gemälde: Abendmahl, Taufe und Beichte, und die 1490-99 von Friedrich dem Weisen erbaute, jetzt renovierte Schloß- oder Universitätskirche, an welcher Luther seine 95 Sätze anschlug, die seit 1858 auf Metallthüren in Bronze [* 5] eingegraben sind, mit zwei Bronzewerken Peter Vischers, den Grabstätten Luthers, Melanchthons, Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen) und eine kath. Kirche.
Von andern Gebäuden sind bemerkenswert: das Rathaus mit Cranachs bildlicher Darstellung der Zehn Gebote und andern Merkwürdigkeiten;
Zelle (Tier- Und Pflan

* 6
Zelle.das frühere Augustinerkloster mit der in ihrem alten Zustand erhaltenen Zelle [* 6] Luthers;
das sogen. Lutherhaus mit der 1883 eingeweihten Lutherhalle (mit einer Sammlung wertvoller Erinnerungszeichen an Luther und andre Reformatoren);
die durch Gedenktafeln bezeichneten frühern Wohnhäuser [* 7] Melanchthons und Lukas Cranachs, letzteres jetzt Apotheke.
Auf dem Markt vor dem Rathaus steht das bronzene Standbild Luthers (von Schadow, seit 1822) und ihm gegenüber das Melanchthons (von Drake, seit 1866). Die ehemaligen Festungswerke sind jetzt abgetragen und zu schönen Anlagen umgewandelt. Vor dem Elsterthor ist die Stelle, auf welcher Luther die päpstliche Bulle verbrannte, durch eine umgitterte Eiche bezeichnet. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1885) mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 20 und eine Abteilung Festungsartillerie Nr. 3) auf 13,865, meist Evangelische.
Die
Industrie beschränkt sich auf
Tuch-,
Malz-,
Sprit- und Steingutfabrikation, Ziegelbrennerei, Bierbrauerei,
[* 8] Gemüsebau und
Blumenzucht, besonders sehr bedeutende Anzucht von Maiblumenkeimen. Wittenberg
hat einen
Hafen; den
Verkehr in der Stadt
vermittelt eine
Pferdebahn. Die Stadt ist Sitz eines Amtsgerichts und hat ein
Predigerseminar, ein
Gymnasium, eine Hebammenlehranstalt,
ein
Krankenhaus
[* 9] etc. -
Wittenberg
, zuerst 1180 erwähnt, wurde unter
Albrecht I.
Residenz der
Herzöge von
Sachsen
[* 10] und blieb es für die
Linie
Sachsen-Wittenberg 1423 kam
es mit Kursachsen an das
Haus
Wettin und erhielt 1441 eigne
Gerichtsbarkeit. Die 1502 von
Kaiser
Maximilian
I. errichtete
Universität zählte bald gegen 600 Studierende und ward seit
Luthers Auftreten für
Wittenberge - Wittich

* 12
Seite 16.703.
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 11] von Wittenberg.]
¶
mehr
lange Zeit der Hauptsitz der deutschen Aufklärung, nicht minder dann, als sich hier gegenüber dem orthodoxen Jena
[* 13] unter Melanchthons
Einfluß jene mildere Auffassung behauptete, welche in der Abendmahlslehre schon in der Wittenberger
Konkordienformel vom
Mai 1536 zu Tage getreten war. In der Wittenberger
Kapitulation trat Kurfürst Johann Friedrich
sein Land nebst der Kurwürde an Herzog Moritz ab; 22. Mai ergab sich auf des entthronten Fürsten Rat die Stadt dem Kaiser, welcher
sie schonend behandelte. Im Siebenjährigen Krieg wurde Wittenberg
von den Preußen
[* 14] besetzt, vom 10.-14. Okt. 1760 aber durch die Österreicher
und die Reichsarmee bombardiert, zum Teil eingeäschert und zur Kapitulation gezwungen. 1806 besetzten
die Franzosen Wittenberg
Napoleon I. ließ die noch vorhandenen Werke in Verteidigungszustand setzen und betraute 1813 den Marschall
Victor mit dem Oberbefehl.
Torgel - Tornados

* 15
Torgau.
Nach der Schlacht bei Dennewitz wurde Wittenberg
vom Bülowschen Korps eingeschlossen; die eigentliche Belagerung begann aber erst nach
der Eroberung von Torgau
[* 15] 28. Dez., worauf die Erstürmung erfolgte. Der General Tauenzien, der diese
Belagerung geleitet hatte, erhielt den Ehrennamen Tauenzien von Wittenberg.
Die Universität wurde mit der zu Halle
[* 16] vereinigt
und dorthin verlegt. 1873 ist auch die Festung eingegangen.
Vgl. Meyner, Geschichte der Stadt Wittenberg
(Dess.
1845);
K. Schmidt, Wittenberg
unter Kurfürst Friedrich dem Weisen (Erlang. 1877);
Schild,
[* 17] Die Sehenswürdigkeiten Wittenbergs
(Wittenb.
1883).