Titel
Metternich
,
altes rhein. Dynastengeschlecht, das die Erbkämmerei von
Köln
[* 2] bis in den Anfang dieses
Jahrhunderts innehatte.
Ursprünglich ein
Zweig derer von Hemmerich (Hemberg), benannte es sich im 14. Jahrh.
nach dem Dorf Metternich
im preußischen
Kreis
[* 3]
Koblenz.
[* 4] Die von den zwölf frühern
Linien noch bestehende einzige
Linie erhielt 1635 den
Reichsfreiherrenstand, 1679 die reichsgräfliche, die reichsfürstliche
Würde für den jedesmaligen
Senior und 1813 vom
Kaiser Franz I. von
Österreich
[* 5] die fürstliche
Würde für alle Nachkommen.
Metternich

* 9
Seite 11.550.
Als im Anfang des 17. Jahrh. die
Linien Winneburg und
Beilstein erloschen und ihre Besitzungen, die Reichsgrafschaften Winneburg
und
Beilstein, an das Kurfürstentum
Trier
[* 6] zurückfielen, gab der damalige
Kurfürst,
Lothar von Metternich
(1599-1623), diese
Grafschaften
seinen
Vettern
Karl
Heinrich von und
Phil.
Emmerich
[* 7] von Metternich
zu
Lehen. Als die eben genannten und andre unmittelbare
reichsritterschaftliche Herrschaften und
Güter jenseit des
Rheins durch den Lüneviller
Frieden an
Frankreich fielen, wurde
die
Familie Metternich
durch die Reichsabtei
Ochsenhausen in
Schwaben entschädigt, die dann als Landesherrschaft den
Namen
Fürstentum
Winneburg erhielt, 1806 mediatisiert und an
Württemberg
[* 8] abgetreten und 1825 für 1,300,000
Gulden vom
König von
¶
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Württemberg angekauft wurde. Jetzt gehören der Familie Metternich
die Herrschaften Königswart und Plaß in Böhmen,
[* 10] die Herrschaft
Kojetein in Mähren und die übrigen Allodialgüter, am Rhein die Güter Gramme, Bornbach, Oberehe, Reinhardsstein und Johannisberg
und am Bodensee das Gut Hersberg. Die namhaftesten Glieder
[* 11] des Geschlechts sind:
1) Franz Georg Karl, Fürst von, geb. zu Koblenz, ward schon 1768 mit einer politischen Mission nach Wien [* 12] betraut und hier durch Kaunitz' Einfluß zum ständigen trierschen Gesandten ernannt, war 1790 Wahlbotschafter bei der Wahl und Krönung Leopolds II., 1791-94 dirigierender Minister in den Niederlanden, dann österreichischer Prinzipalkommissarius bei dem Rastatter Kongreß und, nachdem er 1803 die reichsfürstliche Würde erhalten, 1810 für seinen Sohn stellvertretender Minister des Auswärtigen. Er starb
Straßburg

* 13
Straßburg.2) Klemens Lothar Wenzel, Fürst von, österreich. Staatsmann, Sohn des vorigen, geb. zu Koblenz, machte seine Studien 1788 bis 1790 zu Straßburg [* 13] und, nachdem er im Oktober 1790 bei der Krönung Leopolds II. als Zeremonienmeister des katholischen Teils des westfälischen Grafenkollegiums fungiert, noch bis 1794 zu Mainz. [* 14] 1795 vermählte er sich mit der Gräfin Eleonore Kaunitz, einer Enkelin des großen Staatskanzlers, wodurch er ansehnlichen Güterbesitz erwarb.
Seine diplomatische Laufbahn eröffnete er 1797 beim Rastatter Friedenskongreß als Gesandter des westfälischen Grafenkollegiums. 1801 ward er kaiserlicher Gesandter am kursächsischen Hof [* 15] in Dresden [* 16] und im Winter 1803 zu Berlin, [* 17] wo er während des dritten Koalitionskriegs gegen Frankreich den Allianzvertrag zwischen Österreich, Preußen [* 18] und Rußland unterschrieb. Seit 1806 Gesandter in Paris, [* 19] erwirkte er in dem Vertrag von Fontainebleau eine für Österreich günstige Ausführung des Preßburger Friedens.
Baden (Großherzogtum;

* 23
Baden.
Bei Ausbruch des Kriegs von 1809 wurde er von Napoleon zurückgehalten und erst 2. Juli an die österreichischen Vorposten ausgeliefert.
Nach der unglücklichen Schlacht bei Wagram
[* 20] ward er vom Kaiser Franz erst provisorisch, bald (8. Okt.) aber
definitiv an Stadions Stelle mit dem Auswärtigen Ministerium betraut, das er über 38 Jahre unausgesetzt verwalten sollte. Man
erwartete damals nicht viel von ihm; er galt für einen Vertreter der französischen Partei in Österreich, war es aber nur
insofern, als er es geraten fand, sich im Einvernehmen mit Frankreich zu halten, dadurch ein russisch-französisches
Bündnis zu verhindern und Österreichs von diesen beiden Mächten umworbene Stellung nach Möglichkeit für seine Vergrößerung
auszunutzen. Deutschnationale Gefühle waren dem frivolen Diplomaten fremd; aber gerade das erleichterte ihm seine neutrale,
vermittelnde Haltung, namentlich nach der Katastrophe von 1812. Unberührt von dem nationalen Aufschwung des Jahrs
1813, hielt er nach dem mißlungenen Frühjahrsfeldzug der Alliierten seine Zeit gekommen, um die Kraft
[* 21] Österreichs in die
Wagschale zu werfen und einen für dieses günstigen Frieden zwischen den geschwächten Gegnern zu vermitteln. Nachdem nach
einer Zusammenkunft Metternichs
mit dem Kaiser Alexander I. zu Opotschna an der schlesisch-böhmischen Grenze Anfang
Juni 1813 die Verbündeten die Vermittelung Österreichs angenommen hatten, begab sich Metternich
nach Dresden zu Napoleon I., mit dem er 28. Juni die
denkwürdige Unterredung hatte, in der Napoleon Österreich und Metternich
mit Schmähungen überhäufte, und aus der Metternich erkannte,
daß
Napoleon in seinem verblendeten Übermut selbst die österreichischen Friedensbedingungen, die ihm
das französische Kaiserreich ohne Illyrien, Italien
[* 22] und den Rheinbund ließen, nicht annehmen würde. Mit meisterhaftem Geschick
erreichte er es aber, daß die Verbündeten, um Österreich zu gewinnen, ihm die weitgehendsten Zugeständnisse machten und
er selbst, als Österreich 11. Aug. an Frankreich den Krieg erklärte und sich in der Quadrupelallianz 9. Sept. den
Alliierten anschloß, die einflußreichste Rolle im Rate der letztern spielen konnte. In der Absicht, Frankreich nicht völlig
zu Baden
[* 23] zu werfen, vor allem aber Preußen nicht zu mächtig werden zu lassen, durchkreuzte er durch den Vertrag von Ried 8. Okt. mit
Bayern
[* 24] Preußens
[* 25] deutsche Politik und hinderte durch immer erneute Anknüpfung von Friedensverhandlungen
stets die energische Ausbeutung der von Preußen und Rußland errungenen kriegerischen Erfolge. Er behielt durch seine Geschicklichkeit
immer die Fäden der Politik in der Hand
[* 26] und verschaffte Österreich einen im Vergleich zu seinen Leistungen übermäßigen Einfluß
auf die Dinge. Daher hatte Metternich
seine Erhebung in den erblichen Fürstenstand und die Schenkung
des Johannisbergs um Kaiser Franz wohlverdient.
Ihm wurden von den Verbündeten die Verhandlungen mit dem Grafen von Artois übertragen, die er, nachdem der Graf in Nancy
[* 27] eingetroffen
war, von Dijon
[* 28] aus leitete. Im Namen der verbündeten Mächte unterzeichnete Metternich
in Paris die mit Napoleon
I. zu Fontainebleau getroffene Übereinkunft sowie den Frieden vom 30. Mai. Darauf begab er sich mit den Ministern Preußens und
Rußlands nach England, wo er von der Oxforder Universität die Doktorwürde empfing und 29. Juni eine neue Quadrupelallianz abschloß,
und führte auf dem Wiener Kongreß den Vorsitz.
Geschichtskarten von D

* 29
Deutschland.Hier übte er inmitten der sich bekämpfenden und durchkreuzenden Interessen einen herrschenden Einfluß aus, verschaffte Österreich nicht nur eine bedeutende Vergrößerung und eine abgerundete Grenze, sondern auch die Herrschaft über das zerstückelte Italien und das durch die Errichtung des Deutschen Bundes mehr gelähmte als gekräftigte Deutschland [* 29] und begründete das auf dynastischen Interessen beruhende europäische Staatensystem, welches aufrecht zu erhalten fortan sein Streben war.
Dabei versäumte er nicht, seinen Privatvorteil wahrzunehmen, und erhielt von fremden Mächten reiche Geschenke, von Rußland
eine Pension sowie nach der zweiten Vertreibung Napoleons und dem Abschluß des zweiten Pariser Friedens, den Metternich
unterzeichnete,
große Belohnungen von den wieder eingesetzten Fürsten. Der König beider Sizilien
[* 30] ernannte Metternich
1818 zum Herzog von Portella
mit einer Dotation von 60,000 Ducati sowie der König von Spanien
[* 31] 1826 zum Granden erster Klasse mit dem Titel eines Herzogs. Am
Monarchenkongreß zu Aachen
[* 32] nahm als österreichischer Bevollmächtigter teil, und 1819 präsidierte er
dem Kongreß zu Karlsbad.
Metteur en pages - Met

* 36
Seite 11.551.Ebenso war er bei dem deutschen Ministerkongreß zu Wien und bei den Kongressen zu Troppau [* 33] 1820, zu Laibach [* 34] 1821 und zu Verona [* 35] 1822 im Interesse der österreichischen Reaktionspolitik ganz besonders thätig. Es gelang ihm auch, unterstützt von so gewandten Federn wie der von Gentz, seinen Grundsatz, »daß es den Fürsten allein zustehe, die Geschicke der Völker zu leiten, und daß die Fürsten für ihre Handlungen niemand außer Gott verantwortlich seien«, zur Annahme zu bringen und die Mächte zur solidarischen Unterdrückung aller Völkerbewegungen zu ¶
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vereinigen. Freilich dauerte diese Einigkeit nicht lange, und Metternich
selbst konnte nicht hindern, daß Rußland
den griechischen Aufstand unterstützte und die Türkei
[* 37] zur Abtretung Griechenlands zwang, in Frankreich das legitime Königtum
gestürzt und das neu geschaffene Königreich der Niederlande
[* 38] wieder zerrissen wurde. Nur in Deutschland und Italien behauptete
er seine Macht, welche er zur Unterdrückung aller freien Bewegung, zur Lähmung alles geistigen Aufschwungs
benutzte.
Dasselbe System befolgte er auch in Österreich, wo er 1821 zum Haus-, Hof- und Staatskanzler ernannt worden war und 1826 mit
dem Vorsitz der Ministerkonferenzen für die innern Angelegenheiten die oberste Leitung des gesamten Staatswesens erhalten
hatte. Auch nach dem Tode des Kaisers Franz I. (1835) blieb Metternich
im Besitz aller seiner Ämter und seines Einflusses auf die auswärtige
Politik, während die Leitung der innern auf die Staatskonferenz überging, in der Erzherzog Ludwig und Kolowrat die Mehrheit
hatten.
Daher ist auch nicht für die Unterlassung aller Reformen verantwortlich zu machen. Aber der ganze Haß
des über seine kläglichen politischen Verhältnisse und die gegen die Freiheit des Denkens und Glaubens gerichteten Gewaltthaten
erbitterten deutschen und österreichischen Volks wendete sich gegen Metternich
, den man als die verkörperte Reaktion, als den Geist
der Finsternis und Tyrannei ansah, während er doch nur aus Genußsucht und Bequemlichkeit seine Herrschaft
in Ruhe ausüben wollte.
Brüssel (Lage etc.; St

* 39
Brüssel.
Die Bewegung von 1848 richtete sich daher vor allem gegen Metternich.
Er ward durch den Wiener Aufstand vom 13. März gezwungen, seine Entlassung
zu nehmen, und vermochte sich kaum vor der Erbitterung des Volks zu retten. Er wandte sich über Holland
nach England, siedelte im November 1849 nach Brüssel
[* 39] über, bezog im Juni 1851 den Johannisberg im Rheingau
[* 40] und kehrte im September
nach Wien zurück. Ohne öffentlichen Anteil an der Politik zu nehmen, diente er seitdem doch dem Kaiserhaus mit seinem Rat;
er starb nachdem er noch den Beginn des italienischen Kriegs erlebt. Er wurde in der Familiengruft
zu Plaß in Böhmen beigesetzt. Er war vermählt zuerst seit 1795 mit der Gräfin Eleonore von Kaunitz (gest. 1825), dann seit 1827 mit
der Freiin von Leykam, die zur Gräfin von Beilstein erhoben wurde (gest. 1829), seit 1831 mit der Gräfin
Melanie Zichy-Ferraris (gest. 1854) und hinterließ drei Söhne und drei Töchter. Seine Memoiren erschienen zuerst französisch
(1879), dann deutsch (»Aus Metternichs
nachgelassenen
Papieren«, Wien 1880-84, 8 Bde.), von seinem Sohn (s. Metternich 3) und Klinckowström herausgegeben.
Vgl. Binder, Fürst Klemens v. M. und sein Zeitalter (Ludwigsb. 1836);
Groß-Hoffinger, Fürst und das österreichische Staatssystem (Leipz. 1846, 2 Bde.);
Schmidt-Weißenfels, Fürst Metternich, Geschichte seines Lebens und seiner Zeit (Prag [* 41] 1860, 2 Bde.);
Beer im »Neuen Plutarch«, Bd. 5 (Leipz. 1877).
London

* 42
London.3) Richard, Fürst von, ältester Sohn des vorigen aus seiner zweiten Ehe, geb. betrat ebenfalls die diplomatische Laufbahn, zunächst als Attaché in Paris und London, [* 42] 1855 als Legationssekretär bei der Gesandtschaft in Paris, ward im April 1856 zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Österreichs an den sächsischen Höfen ernannt, während des italienischen Kriegs von 1859 nach Verona berufen, um beim Kaiser das Referat über die auswärtigen Angelegenheiten zu übernehmen, und ging im Dezember 1859 als Botschafter nach Paris, wo er und seine Gemahlin, Gräfin Pauline Sándor (geb. die Tochter seiner Stiefschwester, sich dem kaiserlichen Hof eng anschlossen und bei den Festlichkeiten desselben eine Rolle spielten. Die Fürstin, eine Freundin der Kaiserin Eugenie, nicht ohne Geist und Phantasie, machte sich durch ihre Teilnahme an den frivolen Exzentrizitäten der vornehmen Damen bekannt, während Metternich allzusehr Schleppträger der Napoleonischen Politik war. Mit dem Sturz des Kaiserreichs 1870 endete daher auch seine politische Laufbahn. Er lebt jetzt in Wien.