Pavĭa,
s. Roßkastanienbaum.
Pautingfu - Pavia
Pavia
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s. Roßkastanienbaum.
ital. Provinz in der Lombardei, im N. von der Provinz Mailand, [* 2] im O. von Piacenza, im S. von Genua, [* 3] im SW. von Alessandria, im W. von Novara begrenzt, umfaßt 3325 qkm (nach Strelbitsky 3399 qkm oder 61,7 QM.) mit (1881) 469,831 Einw. Das Land ist, mit Ausnahme des südlichen gebirgigen Kreises Bobbio, eben, gut bewässert und sehr fruchtbar (»der Garten [* 4] der Lombardei«) und wird vom Po mit seinen Nebenflüssen Sesia, Agogna, Terdoppio, Ticino und Olona (von N.) und der Staffora und Trebbia (von S.) bewässert.
Außerdem ist die
Provinz von einem reichverzweigten
Netz von
Kanälen durchzogen, unter welchen der
Naviglio di Pavia
(von der
Olona bei
Mailand zum
Ticino bei Pavia
, 33 km lang), die Bereguardo und der Navigliaccio die bedeutendsten
sind. Etwa 6000
Hektar sind Sumpfland, doch wird an deren Austrocknung gearbeitet. Hauptprodukte der vorzugsweise ackerbautreibenden
Provinz sind:
Reis (1886: 1,4 Mill.
hl),
Mais (¾ Mill.
hl),
Weizen (465,500
hl),
Hafer,
[* 5]
Hülsenfrüchte und Küchengewächse,
Wein
(679,000
hl).
Kastanien,
Obst und Ölsaaten.
Pavia - Pavian
* 8
Seite 12.793.
Eine
Spezialität des
Kreises
Bobbio sind
Trüffeln und
Schnecken.
[* 6] Von Bedeutung sind die
Seiden- (1,3 Mill.
kg
Kokons) und die Rindviehzucht, die Bereitung von
Käse
(Stracchino) und
Butter, unter den Industriezweigen nur die
Seiden-
und Baumwollspinnerei, in geringerm
Grade die Fabrikation von
Hüten,
Wollen- und Seidenstoffen. Die
Provinz wird von mehreren
Linien des oberitalienischen
Eisenbahnnetzes, welche in Pavia
,
Mortara und
Voghera ihre
Knotenpunkte haben,
durchzogen. Sie zerfällt in die
Kreise
[* 7]
Bobbio,
Mortara
(Lomellina), Pavia
und
Voghera.
¶
Die gleichnamige Hauptstadt der Provinz liegt in einer fruchtbaren, hauptsächlich mit Reis bebauten Ebene links am Ticino, der
sich hier mit dem Naviglio di Pavia
vereinigt und von hier an schiffbar ist. Über den Fluß führt eine unter Galeazzo II. Visconti 1353 erbaute
gedeckte Brücke
[* 9] von sieben Marmorbogen, durch welche die Stadt mit der jenseits gelegenen Vorstadt (Sobborgo
Ticino) verbunden wird. Außerdem führt über den Fluß eine 762 m lange Eisenbahnbrücke.
Die Stadt hat teilweise noch erhaltene Wälle und Mauern mit zwölf alten Türmen. Unter den Plätzen sind die bedeutendsten: die Piazza grande, mit Arkaden und dem altertümlichen Rathaus;
die Piazza d'Italia vor dem Universitätsgebäude, mit der Marmorstatue der Italia, und die weite, freie Piazza di Castello.
Basilienkraut - Basili
* 10
Basilika.Von den Straßen zeichnet sich namentlich der die ganze Stadt von N. nach S. durchschneidende Corso Vittorio Emmanuele aus. Ein andrer wichtiger Straßenzug ist der Corso Cavour. Unter den 18 Kirchen ist besonders der Dom bemerkenswert, ein großartiges, aber unvollendetes Bauwerk im Renaissancestil (1488 begonnen), mit dem prachtvollen Grabmal des heiligen Augustinus von 1362, in gotischem Stil. Ein interessanter Bau ist ferner die auf alten Fundamenten im 12. Jahrh. errichtete lombardische Basilika [* 10] San Michele (1863-76 restauriert) mit reichen Skulpturen an der Fassade und an den drei Portalen, dreischiffig mit Kuppel.
Sie diente als Krönungskirche der ersten Könige von Italien [* 11] und wurde in neuester Zeit zur Basilica reale erklärt. Andre bemerkenswerte Kirchen sind: die Kirche Santa Maria del Carmine, ein Backsteinbau von 1373, San Francesco und die schöne kleine Kuppelkirche Santa Maria Coronata di Canepanova, 1492 nach dem Entwurf Bramantes erbaut. Von den weltlichen Gebäuden sind hervorzuheben: das geräumige, 1490 von Lodovico Sforza erbaute, später erweiterte und verschönerte Universitätsgebäude, zu welchem 1845 die imposante Aula hinzukam;
das sogen. Castello (jetzt Kaserne), einst der Palast der Visconti, 1360 unter Galeazzo II. Visconti begonnen, mit schönem Arkadenhof;
der Palast Malaspina, mit Seitenbau für die von der Familie gegründete Kunstschule und mit Büsten des Boethius und Petrarca.
Bevölkerungsstatistisc
* 13
Bevölkerung.
Die Bevölkerung
[* 13] von Pavia
beläuft sich (1881)
einschließlich der Vorstädte auf 29,836 Einw. Die Industrie von Pavia
ist gering; von einiger Wichtigkeit sind nur die Käsebereitung,
der Orgelbau, die Fabrikation von Eisengußwaren, landwirtschaftlichen Maschinen und Marmorarbeiten, die
Zubereitung von Fellen. Bedeutender ist der Handel, insbesondere mit Bodenprodukten der Umgebung; gefördert wird derselbe durch
zahlreiche Eisenbahnen und Wasserstraßen. Zu erwähnen sind auch die Handels- und Gewerbekammer, die Filiale der Nationalbank
und die Sparkasse.
Unter den Wohlthätigkeitsanstalten von Pavia
(ein Taubstummeninstitut, Waisen- und Findelhaus,
mehrere Spitäler) ist das großartige Zivilspital San Matteo mit 700 Betten hervorzuheben (1449 von den Bürgern Pavias
errichtet).
Ihre Bedeutung verdankt die Stadt hauptsächlich der im Mittelalter zu hohem Ruf gelangten Universität. Dieselbe soll von Karl
d. Gr. gegründet worden sein; als wirkliche Universität wurde sie aber erst 1361 unter Kaiser Karl IV.
durch Galeazzo Visconti errichtet. An ihr wirkte unter andern der Physiker Volta, dem hier 1878 ein Denkmal errichtet wurde.
Die Universität umfaßt Fakultäten für Jurisprudenz, Medizin, Mathematik und Naturwissenschaften, Philosophie und Litteratur,
außerdem Kurse für Pharmazie und Hebammenkunde sowie
eine Reihe von zugehörigen wissenschaftlichen Instituten
und wertvollen Sammlungen, einen botanischen Garten und eine Bibliothek, welche namentlich an medizinischen und naturwissenschaftliche
Werken sehr reich ist und ca. 200,000 Bände zählt. Die Universität von Pavia
zählte 1883-84: 109 Lehrende u. 862 Studierende
(mehr als die Hälfte Mediziner), während sie 1852 noch von 1800 Hörern besucht war.
Zur Universität gehören noch zwei Konvikte für dürftige Studierende, das eine 1563 von dem Erzbischof von Mailand, Carlo
Borromeo, das andre 1569 von Papst Pius V., dem in Pavia
ein Standbild errichtet worden ist, gegründet. Andre Unterrichtsanstalten
sind: ein technisch-agronomisches Institut mit agrarischem Garten, ein Gymnasiallyceum, ein Seminar, eine Lehrer-
und Lehrerinnenbildungsanstalt, eine Schule der schönen Künste mit Zeichen- und Kupferstecherschule und bedeutender Kupferstichsammlung
und eine Malerschule. Pavia
ist Sitz der Präfektur und andrer Provinzialbehörden, eines Assisenhofs und eines Bischofs. 8 km
nördlich von Pavia
liegt an der Eisenbahn nach Mailand die berühmte Certosa (s. d.).
Geschichte. Pavia
ist das alte Ticinum, ward später römisches Munizipium und von den Hunnen zerstört. 490 kam
die Stadt an die Ostgoten, deren König Theoderich hier einen Palast erbaute und den Ort befestigte. Damals kam auch statt des
römischen Namens Ticinum der alte keltische Name der Stadt, Papia, wieder in Gebrauch. Von dem Langobardenkönig Alboin
an, welcher Pavia
572 nach dreijähriger Belagerung eroberte, war es die Hauptstadt des langobardischen Reichs und blieb auch
nach dem Sturz desselben 774 Krönungsstadt der italienischen Könige.
Otto d. Gr. ließ sich 951 mit der Eisernen Krone hier zum König von Italien kronen. 1004 wurde die Stadt durch eine Feuersbrunst zerstört. Mit Mailand hatte sie mehrmals, namentlich 1059, heftige Kämpfe zu bestehen; später stand sie unter eignen Herren. In den ghibellinisch-guelfischen Streitigkeiten schloß sie sich meist an die Partei der Ghibellinen an. Im Anfang des 14. Jahrh. stritten sich hier die ghibellinische Familie Beccaria und die guelfische Familie Langusco um die Regierung.
Oesterreich ob der Enn
* 14
Österreich.
Die erstere erhielt 1313 durch Kaiser Heinrich VII. die Herrschaft über Pavia
und regierte daselbst unter dem Schutz der Visconti
bis 1356, wo sie verjagt und Pavia
mit Mailand vereinigt wurde. Hier Schlacht in welcher König Franz I. von Frankreich
gefangen genommen wurde. 1527 verheerten die Franzosen unter dem General Lautrec die Stadt, die endlich
mit Mailand an die Spanier kam. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg fiel an Österreich.
[* 14] 1848 war Pavia
mehrmals der Schauplatz von
Unruhen. Am 9. und 10. Febr. kam es zu einer förmlichen Insurrektion, die aber blutig unterdrückt ward und die Schließung
der Universität zur Folge hatte. Am 20. März entstand ein neuer Aufruhr, worauf am 21. die Österreicher die Stadt verließen und
am 23. die salinischen Freischaren einzogen. 1849 kehrten die Österreicher zurück, und ward die Universität wieder
eröffnet. Seit 1856 wurden die Festungswerke vergrößert. Im Frieden von Villafranca ward
Pavia
nebst der übrigen Lombardei an das Königreich Sardinien
[* 15] abgetreten.
Vgl. Preventano, Istoria dell' antichità di Pavia (Pavia 1570).