Titel
Universitäten
,
Hochschulen oder
Hohe Schulen, die oberste
Stufe der Unterrichtsanstalten. Sie unterscheiden sich von
andern Schulen durch die freiere
Stellung der
Schüler
(Studenten) und durch die wissenschaftliche Haltung des Unterrichts.
Der
Name Universität
wird jetzt auf die Gesamtheit (lat. universitas
) aller Wissenschaften
bezogen; man fordert deshalb, daß an einer Universität
alle
Fakultäten vertreten sein müssen, und spricht sonst von unvollständigen
Im Mittelalter, als die entstanden, bezeichnete dieses Wort dagegen die Korporation der an der Hochschule beteiligten
Personen,
zunächst der
Lehrer und
Schüler. Diese faßte man entweder unter der gemeinsamen Bezeichnung scholares
zusammen oder man gebrauchte scholares (oder studentes) im engern
Sinne für die
Schüler allein, und sprach je nachdem von
der universitas
scholarium oder von der universitas magistrorum et scholarium.
Geschichte.
Athen

* 2
Athen.1) Mittelalter. Mit den Schulen des Altertums haben die keinen Zusammenhang, wenn auch die gleiche Aufgabe hier und da bereits im Altertum, namentlich in der röm. Kaiserzeit z. B. in Athen, [* 2] Einrichtungen hervorrief, die mit den des Mittelalters Ähnlichkeit [* 3] zeigen. Die des Mittelalters waren ein Produkt des wissenschaftlichen Lebens, das im 9. und 10. Jahrh. beginnend, sich im 11. und 12. bedeutend steigerte. Um die Mitte des 12. Jahrh. waren Bologna und Paris [* 4] die berühmtesten Mittelpunkte dieses Treibens, und zwar blühten in Paris die philos.-theol.
Studien, in Bologna die juristischen. In diesen Orten zeigte sich um die Wende des 12. und 13. Jahrh. das Bedürfnis, die Rechtsverhältnisse dieser vielleicht nach Tausenden zählenden Massen von jungen, anspruchsvollen, genußkräftigen, aber oft mittellosen oder doch von ihren Hilfsquellen entfernten Männern in festen Formen zu regeln und zugleich ihren Studiengang, vor allem die Willkür zu beseitigen, mit der bis dahin jeder beliebige Scholar nach kurzen Studien als Lehrer auftrat. Das erste und einflußreichste Privileg erließ für sie Kaiser Friedrich I. 1158, die Authentica Habita quidem, die er in das Corpus juris einreihen ließ, sodann erwarben sich mehrere Päpste Verdienste um diese Entwicklung, vor allem Alexander III. und Honorius III. Die des Mittelalters zerfielen der Verfassung nach in drei Gruppen:
Karten zur Geschichte

* 5
Italiens. a. Die Stadtuniversitäten
Italiens.
[* 5] Der Magistrat hatte die Oberleitung, durch seine
Autorität erlangten
die von der universitas
erlassenen
Statuten Gesetzeskraft, er bestimmte und bezahlte die Gehalte der Professoren, strafte
das Aussetzen von Vorlesungen, das Überspringen von
Abschnitten, wie das Nichtbeendigen der Vorlesungen durch Einbehalten
des Gehalts, und erließ auch methodische Vorschriften gegen das Diktieren, gegen das Auskramen unnützer
Gelehrsamkeit u. s. w. An manchen Orten und zu manchen
Zeiten trat dieser Einfluß stärker hervor, an andern, wie in
Bologna,
war die Leitung mehr Sache der universitas
und der Doktorenkollegien. In
Bologna bezahlte der Magistrat auch erst im 14. Jahrh.
den Professoren Gehalt, was die andern
Städte bereits im 13. Jahrh. thaten.
Neben Bologna waren es Padua, [* 6] Modena, Reggio, Perugia, Florenz, [* 7] Siena, Vercelli, Pisa, [* 8] Arezzo, Piacenza, Parma [* 9] u. a. Bologna stritt vielen dieser Städte das Recht ab, Schulen für das Corpus juris zu haben, indem es eine Stelle der Constitutio: «Omnem reipublicae», in welcher Kaiser Justinian Anordnungen über die Rechtsschulen seines Reichs getroffen hatte, gewaltsam interpretierte. Diese Theorie ist nicht durchgedrungen, hat aber dazu beigetragen, die Vorstellung zu bilden, daß ein studium generale durch eine der universalen Gewalten, Papst oder Kaiser, privilegiert werden müsse. Im 14. und 15. Jahrh. gelangte diese Theorie mehr und mehr zur Herrschaft, namentlich bei den Gründungen der deutschen ital. Städte haben sich dagegen auch im 17. Jahrh. für befugt erachtet, studia generalia einzurichten.
Doch mußten etwa seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. die
Städte für ihre neu gegründeten studia generalia das jus
doctorandi vom
Kaiser oder vom Papst erbitten. Für die Kenntnis
der Verfassung dieser Gruppe sind besonders
wichtig der Kontrakt, den die Stadt
Vercelli 1228 mit mehrern universitates
scholarium abschloß, und die einander nahe verwandten
Statuten von
Bologna («Statuti delle Università
e dei Collegi dello
Studio
Bolognese», hg. von C. Malagola,
Bologna 1888),
von Padua (hg. von Denifle im «Archiv für Litteratur und Kirchengeschichte des Mittelalters», Bd. 6, Freib. i. Br. 1892),
Universitäten

* 10
Seite 66.93.von Perugia (hg. von Padelletti in den «Documenti ¶
mehr
inediti per servire alla storia delle Università
italiane», Bologna 1872, dazu die von A. Rossi in dem «Giornale di erudizione
artistica», Bd. 4, herausgegebenen Urkunden von Perugia) und von Florenz (mit zahlreichen Urkunden begleitet hg. in den «Documenti
di storia italiana», Bd. 7, 1881, von Gherardi und Morelli).
Mont-Pelvoux - Montpen
![Bild 61.1027: Mont-Pelvoux - Montpensier (Anne Marie Louise von Orléans, Herzogin von) [unkorrigiert] Bild 61.1027: Mont-Pelvoux - Montpensier (Anne Marie Louise von Orléans, Herzogin von) [unkorrigiert]](/meyers/thumb/61/61_1027.jpeg)
* 12
Montpellier. b. Die Kanzleruniversitäten.
In Frankreich und England lehnte sich die Ausbildung der an die Bischöfe,
Domkapitel und andere kirchliche Behörden an. In Paris, Oxford
[* 11] und andern Orten führte der bezügliche Prälat, der den Einfluß
der Kirche auf die Leitung der Schule vertrat, den Titel Cancellarius, in Angers und einigen andern wurde
er Scholasticus genannt. Sie hatten bei den Prüfungen den Vorsitz zu führen und die Licenz zu erteilen. In dieser Form wurde
das Kanzleramt 1219 auch in Bologna eingeführt und ging so auf die andern Stadtuniversitäten
über, erlangte hier aber nicht
die Bedeutung wie in Frankreich und England. In Paris bestand ein wesentlicher Teil der geschichtlichen
Entwicklung der in den Kämpfen zwischen der universitas
und dem Kanzler. Übrigens war die Stellung der Kanzler an diesen
Frankreichs und Englands auch noch sehr verschiedenartig. In Montpellier
[* 12] war sie wesentlich anders als in Paris, wieder anders
in Oxford, in Angers, in Lerida u. s. w. An vielen wie Paris, Oxford u. s. w., wurde den Professoren kein
Gehalt gezahlt, als Ersatz dienten neben dem Honorar kirchliche Pfründen und die Stellen in den collegia (studia) dotata.
-
Vgl. Buläus, Historia universitatis
Parisiensis (6 Bde., Par.
1665-73);
Jourdain, Index chartarum pertinentium ad historiam universitatis
Parisiensis (1862);
Denifle
und Chatelain, Chartularium universitatis
Parisiensis (2 Bde., 1889);
Thurot, De l’organisation de l’enseignement de l’université de Paris au moyen âge (1850);
Laval, Cartulaire de l’université d’Avignon (Avignon 1884);
Rangeard, Histoire de l’université d’Angers (2 Bde., 1868-77);
M. Fournier, Les statuts et privilèges des universités françaises (3 Bde., 1889) fg.).
Toulouse (Stadt)

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Toulouse. c. Die Staatsuniversitäten.
Kaiser Friedrich II. gründete in Neapel
[* 13] eine Universität, deren Lehrer wesentlich
den Charakter von staatlichen Beamten trugen. Der Staat gründete und regelte die zahlte die Gehälter und verbot den Söhnen des
Landes, eine auswärtige Universität zu besuchen. (Vgl. Winkelmann, Über die ersten Staatsuniversitäten
, Heidelb. 1880.)
Diesem Standpunkt näherten sich vielfach die span. Könige des Mittelalters
bei Gründung und Leitung der Sonst folgten die spanischen in manchen Stücken dem Muster von Bologna, in andern dem von Paris
und Toulouse,
[* 14] aber mit charakteristischen Änderungen.
Seit dem 14. Jahrh. machten auch die Könige von Frankreich und England ihre Gewalt über die ihrer Länder stärker geltend, aber es erhielt sich schließlich doch ein gut Teil der selbständigen Verwaltung als ein allgemein anerkanntes Merkmal der In Deutschland [* 15] wurden zwischen 1347 und 1506 in etwa 20 Städten gegründet nach dem Muster der französischen und der italienischen, vorzugsweise nach Paris. Doch waren es keine bloßen Nachbildungen, sie bilden eine Stufe der Entwicklung der Prag, [* 16] Wien, [* 17] Heidelberg, [* 18] Köln, [* 19] Erfurt, [* 20] Würzburg, [* 21] Leipzig, [* 22] Rostock, [* 23] Greifswald, [* 24] Freiburg, [* 25] Basel, [* 26] Ingolstadt, [* 27] Trier, [* 28] Tübingen, [* 29] Mainz, [* 30] Wittenberg [* 31] und Frankfurt [* 32] a. O. Dazu die Versuche in Culm, [* 33] Lüneburg [* 34] und Breslau. [* 35]
Von Anfang an bildeten sich Anstalten, um armen Scholaren Kost und Wohnung zu verschaffen, Collegia genannt; in umfassender Weise geschah dies noch im Laufe des 13. Jahrh. von den Dominikanern. Sie gründeten ein System von stufenweise einander folgenden Lehranstalten, deren obere Stufen sich an manchen Universitätsorten in die einfügten. In diesen Anstalten hielten sie Scholaren und Magister in sorgfältiger Aufsicht und sicherten sie vor dem Elend der selbst für ihren Unterhalt sorgenden Scholaren.
Wohl unter dem Einfluß dieses Beispiels wurden namentlich zwischen 1250-1350 an den zahlreiche und großartige collegia oder studia dotata gegründet, welche in Oxford, Cambridge, Paris und andern Orten allmählich den größten Teil der Scholaren aufnahmen und zugleich zahlreichen Professoren mit einer Pfründe einen Lehrauftrag erteilten (s. College). In manchen Beziehungen lösten sie so die in eine Reihe von kleinen, nur lose verbundenen Lehranstalten auf. Eins der frühesten und zugleich der berühmtesten dieser collegia war die Sorbonne in Paris. Teilweise private Unternehmen waren die Bursen (s. d.). Gegenwärtig bezeichnet man mit Kollegium (s. d.) die Vorlesung eines Lehrers an der Universität.
Man unterschied bereits im 12. Jahrh. mehrere, meistens fünf Fakultäten: Theologie, kanonisches Recht, röm. Recht, Medizin, Philosophie (artes liberales). Doch wurde bisweilen die Medizin zu der Philosophie gerechnet, bisweilen dagegen auch die Philosophie noch weiter gespalten, und namentlich die Anfänge der Grammatik als besonderes Fach abgeschieden. Das Vorhandensein aller Fakultäten wurde im Mittelalter nicht erfordert, namentlich fehlte die theol.
Fakultät vielen berühmten Zum Studium des kanonischen Rechts, der Theologie und der Medizin ging man meistens erst über, nachdem man die artes studiert hatte, deshalb nannte man die philos. Fakultät, früher facultas artium, Artistenfakultät (s. Freie Künste) genannt, die untere, die andern die obern. An den Italiens, welche vorzugsweise Rechtsschulen waren, wurden jedoch für den Beginn des jurist. Studiums nur die elementaren Vorkenntnisse gefordert. Man konnte in Bologna mit 10 und 12 Jahren Student der jurist. Fakultät sein und mit 20 Jahren den jurist. Doktor machen, während in Paris für das Magisterexamen in den artes das 21. Jahr verlangt wurde.
Die Fakultäten verliehen die akademischen Grade. Die Titel Doktor (s. d.) und Magister (s. d.) bezeichneten noch im 12. Jahrh. nur die Lehrthätigkeit, die formelle Verleihung entwickelte sich in den beiden ersten Decennien des 13. Jahrh.; darauf wurde es üblich, den Übergang vom Scholaren zum vollberechtigten Lehrer in Vorstufen zu zerlegen, die des Baccalaureus (s. d.) und Licentiaten (s. d.), die an einigen früher, an den italienischen erst im 15. Jahrh., zu förmlich anerkannten Graden wurden. Diesen ältern Scholaren fiel ein Teil der Disputationen und Vorlesungen zu. Das jus ubique docendi (Recht, überall zu lehren) der Doktoren wurde nicht von allen anerkannt.
Universitäten

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Seite 66.94.Die Studenten waren teils Knaben von 12, ja von 10 Jahren, teils Jünglinge und Männer. (S. Bacchanten.) In Bologna wuchs ihre Zahl Anfang des 13. Jahrh. angeblich auf 10000, und von Oxford werden ähnliche Zahlen berichtet; jedenfalls waren in Paris und einigen andern zeitweise mehrere Tausende. Ein großer Teil der Studenten bestand aus Geistlichen (seculares und regulares), daher nannte ¶
mehr
man sie auch clerici. Es fehlte auch nicht an Laien, aber auch in Bologna waren die Geistlichen so zahlreich, daß mit Rücksicht darauf bestimmt wurde, der Rektor müsse ein Geistlicher sein. Das Leben der Scholaren war vielfach sehr wüst; das prägt sich aus in zahlreichen Klagen der Behörden und Bestimmungen der Statuten und endlich in der Scholarenpoesie. Voll derselben ist uns ein großer Schatz erhalten, namentlich in den nach der Fundstätte des Codex benannten Carmina burana (s. d.).
2) Neuere Zeit. Im 15. Jahrh. war das wissenschaftliche Leben der wie ihre Verfassung in vieler Beziehung erstarrt und die akademischen Grade wurden oft auch ohne Rücksicht auf die wissenschaftlichen Leistungen verliehen. Der Doktor war zu einer neuen Art von Adel geworden und wurde auf Empfehlung großer Herren und der Päpste verliehen (doctores bullati). Der Humanismus richtete hiergegen seine Angriffe, eine Reform erfolgte jedoch erst nach dem durch die Reformation energisch vollzogenen Bruche mit dem Mittelalter in Deutschland. In Frankreich erfolgten bereits im 16. Jahrh. die Anfänge der Centralisation des Universitätswesens (Edikt von Blois 1579), aber eine tiefer gehende Umgestaltung der fand doch erst durch die Revolution und die Einrichtungen Napoleons I. statt. Université bezeichnet in Frankreich jetzt nicht mehr eine Hochschule, sondern die Gesamtheit der Erziehungs- und Unterrichtsanstalten. Bezeichnend ist der starke Einfluß der Staatsbehörden und die Entstehung mehrerer von den Klerikalen gegründeter «katholischer (S. Frankreich, Bildungs- und Unterrichtswesen.)
Vgl. Cournot, L’instruction publique en France (Par. 1884). -
Dublin

* 37
Dublin.In England traten bereits im Mittelalter neben die beiden Oxford und Cambridge eigene Rechtsschulen, die Inns of Court (s. d.), die sich aber nicht zu wissenschaftlichen Lehranstalten in höherm Sinne entwickelten und von denen keine Reform des Universitätslebens ausging. Oxford und Cambridge bestehen noch heute aus einer Reihe auf mittelalterliche Schenkungen und Privilegien gegründeter und mit kirchlichen Einrichtungen und Pflichten verbundener Kollegien, den alten studia dotata, die Gelehrten bedeutende Pfründen und zahlreichen Scholaren Aufenthalt, Kost und Unterricht gewähren. (S. Englisches Schul- und Universitätswesen.) Dublin [* 37] in Irland ist im 16. Jahrh. nach ihrem Muster gegründet worden. (S. Großbritannien [* 38] und Irland, Unterrichtswesen).
Neuerdings herrschen lebhafte Reformbestrebungen.
Vgl. V. A. Huber, Die englischen (2 Bde., Cass. 1839-40);
Fuller, History of the University of Cambridge (1840);
Laing, Some dreams on University and College reforms (Oxf. 1876);
Pattison, Suggestions on academical organisation (Edinb. 1868);
Lorinser, The universities of Scotland (ebd. 1854).
Trägerrecht - Tragisch

* 41
Träger.(S. University extension movement.)- In Italien [* 39] entstanden in der Zeit der Renaissance zahlreiche mehr oder weniger organisierte Vereinigungen zur Pflege der Wissenschaft, welche sich von den durch die Freiheit von den veralteten Formen unterschieden. Aus ihnen gingen die Akademien und andere nur der Forschung, nicht dem Unterricht gewidmete gelehrte Gesellschaften hervor, aber zu einer Reform der kam es nicht. Ebensowenig in Spanien, [* 40] dessen im 17. Jahrh. hervorragende Mittelpunkte der Bestrebungen waren, welche die mittelalterliche Scholastik zu erneuern suchten. Gegenwärtig hat Italien zahlreiche kleine die wohl Träger [* 41] des kräftig erwachten wissenschaftlichen Lebens sind, aber tiefgreifender Reformen bedürfen (s. Italien, Unterrichts- und Bildungswesen).
Vgl. Coppi, Le [* 42] università italiane nel medio evo (3. Aufl., Flor. 1886);
La Fuente, Historia de las universidades en España (2 Bde., 1885);
Alejandro Vidal y Diaz, Memoria historica de la universidad do Salamanca (1869).
Die deutschen seit der Reformation sind Fortbildungen ans den des Mittelalters, aber sie haben sich im Laufe der Zeit so vollständig umgestaltet, daß der Zusammenhang, abgesehen von einigen Äußerlichkeiten und Namen, fast nur noch in einem idealen Moment besteht. Eine wichtige Veränderung erfolgte namentlich im 16. Jahrh. durch Einrichtung von Schulen, auf denen die Knaben zum Studium auf den vorbereitet wurden, während im Mittelalter die und ihre Bursen Scholaren mit dem 15. und 12., ja mit dem 10. Jahre annahmen.
Ein anderer Unterschied ergab sich aus den Veränderungen der Wissenschaft. Die prot. Theologie trat neu auf, die Philologie löste sich aus der alten facultas artium, das kanonische Recht trat zurück, das röm. Recht befreite sich von der Scholastik, doch später als die andern Wissenschaften, wie es auch später unter die Herrschaft dieser Richtung gefallen war. Manche Formen und Einrichtungen des Universitätslebens, die bereits im 14. und 15. Jahrh. erstarrten und verfielen, erhielten sich noch im 16. und 17. Jahrh. und wurden zu Zerrbildern ihres ursprünglichen Wesens.
Kraft [unkorrigiert]
![Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert] Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert]](/meyers/thumb/60/60_0671.jpeg)
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Kraft.Das Übergewicht der theol. Interessen war der Entwicklung ungünstig. Manche verbrauchten ihre ganze Kraft [* 43] in dogmatischen Kämpfen, und der Gegensatz zwischen Protestantismus und Katholicismus drohte einigen wie Prag, den Untergang zu bringen. Man bezeichnete die nach Konfessionen, [* 44] indessen wurde diese Unterscheidung doch nicht allgemein verbindlich. Das Haupthindernis für die Blüte [* 45] der Deutschlands [* 46] im 16. und 17. Jahrh. lag in den allgemeinen Verhältnissen, der Kriegsnot, der Armut und vor allem in der Kleinheit und Unfertigkeit der Staaten des Deutschen Reichs. Die hervorragendsten Gelehrten waren nicht oder nur vorübergehend Mitglieder der Weit größere Bedeutung hatte die rasch aufblühende Universität Leiden. [* 47]
Die der Gegenwart beginnen strenggenommen erst im 18. Jahrh. mit der Gründung von Halle [* 48] 1694 (vgl. Schrader, Geschichte der Friedrichs-Universität zu Halle, 2 Bde., Berl. 1894) und Göttingen [* 49] 1737. Eine weitere Epoche bildete dann die Gründung von Berlin [* 50] und Bonn [* 51] im Anfang des 19. Jahrh. Das charakteristische Merkmal dieser Periode ist die Beseitigung der überlebten mittelalterlichen Einrichtungen (z. B. lat. Sprache [* 52] der Vorlesungen) und die kräftige Hilfe des Staates, welcher einmal den die Mittel gewährte, um die Institute, Laboratorien, Bibliotheken und Lehrmittel aller Art in der vollkommenen Weise herzustellen, wie sie der gegenwärtige Stand der Wissenschaften fordert, und andererseits den Professoren auskömmliche Einnahmen gewährte, und damit die Mittel, um eine der Wissenschaft würdige Stellung in der Gesellschaft einzunehmen. Infolge der Ausbildung einzelner Zweige zu selbständigen Wissenschaften ist die philos. Fakultät übermäßig zahlreich geworden. In Tübingen, Würzburg, Marburg, [* 53] Straßburg, [* 54] Dorpat [* 55] und an den Schweizer hat man sie deshalb in zwei (philos. und naturwissenschaftliche) Fakultäten ¶