Titel
Thüringen
,
das Land zwischen Werra und Saale, dem Südfuß des Harzes und dem des Thüringer Waldes, umfaßt den Hauptteil des Großherzogtums Sachsen-Weimar, das Herzogtum Sachsen-Gotha, die Oberherrschaft der Fürstentümer Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen, einen Teil der Herzogtümer Sachsen-Meiningen und Sachsen-Altenburg, den preußischen Regierungsbezirk Erfurt [* 2] fast ganz und vom Regierungsbezirk Merseburg [* 3] den westlichen Teil.
Königreich Sachsen

* 4
Sachsen.Unter den Namen thüringische Staaten versteht man alle Länder zwischen den preußischen Provinzen Sachsen [* 4] und Hessen-Nassau, [* 5] Bayern [* 6] und dem Königreich Sachsen, nämlich: das Großherzogtum Sachsen-Weimar, die Herzogtümer Sachsen-Meiningen, Sachsen-Koburg-Gotha und Sachsen-Altenburg sowie die Fürstentümer Schwarzburg [* 7] und Reuß, [* 8] mit einem Gesamtflächeninhalt von 12,288 qkm (223,17 QM.) und (1885) 1,213,063 Einw. (darunter ca. 1,147,800 Evangelische, 17,000 Katholiken und 3800 Juden). S. Karte »Sächsische Herzogtümer«. [* 7]
Grenzen der Hörbarkeit
![Bild 58.307: Grenzen der Hörbarkeit - Grenzfälschung [unkorrigiert] Bild 58.307: Grenzen der Hörbarkeit - Grenzfälschung [unkorrigiert]](/meyers/thumb/58/58_0307.jpeg)
* 10
Grenzen.[Geschichte.]
Zu Anfang des 5. Jahrh.
n. Chr. tritt in dem heutigen Thüringen
ein deutscher Volksstamm unter dem
Namen
Thüringer (Düringe) in der Geschichte auf. Sie sind Abkömmlinge der
Hermunduren, mit deren
Namen der ihrige nahe verwandt
ist. Zu Grenznachbarn und
steten Gegnern hatten sie im
Norden
[* 9] die
Sachsen, im
Westen die
Franken und im
Süden die
Alemannen. Sie
werden dann unter den deutschen
Völkerschaften genannt, welche den Hunnenkönig
Attila 451 auf seinem
Zug
nach
Gallien begleiteten. Zu Anfang des 6. Jahrh. hat sich ein großes thüringisches
Reich gebildet, dessen
Grenzen
[* 10] im
Norden
bis zur Niederelbe, im
Süden bis zur
Donau reichten.
Hermanfried, durch seine Gattin Amalaberga der Eidam des großen Theoderich, erwarb damals die Alleinherrschaft, nachdem er seine Brüder Berthar und Baderich aus dem Wege geräumt hatte. Als König Theoderich I. von Austrasien, der ihm dabei geholfen, den versprochenen Lohn nicht erhielt, begann er in Gemeinschaft mit seinem Bruder Chlotar I. 530 gegen Hermanfried den Krieg. Bei Burgscheidungen wurden die Thüringer geschlagen, und ihr König, der sich, um Frieden zu schließen, nach Austrasien begab, fand auf der Mauer von Zülpich durch Hinterlist seinen Tod.
Das nordöstliche Thüringen
zwischen der
Unstrut und
Elbe ward hierauf den
Sachsen überlassen, der südwestliche Teil fiel an
Austrasien.
Fortan bezieht sich der
Name Thüringen
vornehmlich auf das Gebiet zwischen
Harz und
Thüringer Wald,
Werra und
Saale.
Der südliche Teil um den
Main bis zur
Donau wurde allmählich fränkisches Gebiet und verlor den alten
Namen.
Dagobert I. von
Austrasien gab 630 den
Thüringern einen
Herzog in der
Person Radolfs. Derselbe focht tapfer gegen die
Slawen, lehnte sich dann
gegen den Frankenkönig Siegbert III. auf und brachte 640 die Unabhängigkeit Thüringens
zu stande.
Schon im 7. Jahrh. wurde die
Bekehrung der
Thüringer durch britische
Missionäre versucht. Die dauernde
Bekehrung gelang aber
erst
Bonifacius, welcher um 725 die Johanniskirche auf dem Alten
Berg bei
Georgenthal, das
Kloster
Ohrdruf und die Marienkirche
in
Erfurt stiftete. Inzwischen war Thüringen
wieder zur
Anerkennung der fränkischen
Oberhoheit gebracht worden;
von
Pippin wurde die herzogliche
Würde beseitigt und die
Verwaltung der einzelnen
Gaue (wie Helmengau, Altgau,
Eichsfeld, Westgau,
Ostgau, Lancwiza und
Arnstadt)
[* 11]
Grafen überlassen.
Karl d. Gr. gründete um 804 gegen die Sorben die thüringische Mark an der Saale, deren Inhaber unter Ludwig dem Deutschen den Titel Markherzöge (duces Sorabici limitis) führten, wie Thakulf um 849 und Radulf um 875. Diese Würde wechselte dann mehrfach, so daß es zur Ausbildung einer einheimischen herzoglichen Gewalt nicht kam; vielmehr dehnte der sächsische Herzog Otto der Erlauchte 908 nach dem Tode des Markgrafen Burchard seine Gewalt eigenmächtig auch über aus.
Thüringen (Geschichte)

* 17
Seite 15.682.
Nach dessen
Tod (912) behauptete sie sein Sohn, der nachmalige deutsche König
Heinrich I., gegen den König
Konrad I. Von den
fünf
Marken, in welche
Kaiser
Otto I. nach
Markgraf
Geros
Tode dessen große Sorbenmark zerteilte, verschwanden die nordthüringische
und die südthüringische frühzeitig wieder, weil überflüssig geworden durch die östlichern
Marken.
Ihnen entsprechen die
Bistümer
Merseburg und
Zeitz
[* 12] (später
Naumburg),
[* 13] wogegen das eigentliche Thüringen
kirchlich von
Mainz
[* 14] abhängig
blieb.
Markgraf Ekkehard I. von
Meißen
[* 15] (985-1002) besaß auch über Thüringen
eine Art herzoglicher
Gewalt.
Noch einmal, unter den
Markgrafen
Wilhelm und
Otto (von
Weimar,
[* 16] 1046-1067), war Thüringen
mit
Meißen vereinigt; doch erhob sich um diese
Zeit ein neues
Geschlecht in Thüringen
, das die übrigen
Grafen, die sich nach
Käfernburg,
Schwarzburg,
Gleichen, Gleisberg,
Weimar nannten,
an Macht bald übertraf.
Ludwig der
Bärtige kaufte zwischen 1031
¶
mehr
und 1039 von den Grafen von Käfernburg, Gleichen u. a. Güter am Thüringer Wald, namentlich in der Gegend von Altenberg und Reinhardsbrunn,
erhielt hierzu vom Kaiser noch ein großes unangebautes Gebiet um den Inselsberg und durch seine Gemahlin Cäcilie Sangerhausen
[* 18] und Umgegend. Er ist der Ahnherr der ältern thüringischen Landgrafen. Ihm folgte 1056 Ludwig II., der
Salier (fälschlich der Springer, s. Ludwig 53), unter dem Thüringen
den Zehntenstreit mit dem Erzbischof Siegfried von Mainz auszufechten
hatte.
Hessen

* 22
Hessen.
Trotz der Entscheidung der Erfurter Kirchenversammlung (1073) weigerten sich die Thüringer, neue Zehnten zu zahlen, und stellten
sich auf die Seite der Gegner Heinrichs IV., der die Ursache ihrer Bedrückung gewesen war. In dieser schweren
Zeit der Gewaltthaten entstanden überall auf Thüringens
Bergen
[* 19] Burgen;
[* 20] auch Ludwig der Springer baute 1067 die Wartburg bei
Eisenach
[* 21] und schlug da 1076 seinen Wohnsitz auf. 1085 gründete er das Kloster Reinhardsbrunn. Nach seinem Tod (1123) folgte sein
Sohn Ludwig III. Ihm verlieh 1130 König Lothar die bisher dem Grafen von Winzenburg zustehende Würde eines
Landgrafen von Thüringen.
Auch erwarb er, als Landgraf Ludwig I. genannt, durch Heirat bedeutende Besitzungen in Hessen.
[* 22]
Sein Sohn Ludwig II., der Eiserne (s. Ludwig 54), durch seine Gemahlin Jutta mit dem Kaiser Friedrich Barbarossa verwandt, nahm an dessen Heerfahrten nach Italien [* 23] teil und starb 1172. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig III., der Milde (s. Ludwig 55), nahm an der Bekämpfung Heinrichs des Löwen den thätigsten Anteil und erhielt nach Heinrichs Sturz (1180) die Pfalzgrafschaft Sachsen. 1189 machte er Kaiser Friedrichs I. Kreuzzug mit und starb auf der Heimkehr im Mai 1190 auf Cypern [* 24] kinderlos.
Ihm folgte sein Bruder Hermann I., dessen Schwanken zwischen den beiden Gegenkönigen Philipp von Schwaben und Otto IV. sowie zwischen
Otto IV. und Friedrich II. große Kriegsdrangsale über Thüringen
brachte. Die Wartburg ward unter ihm ein Asyl der Minnesänger und
der Schauplatz des sagenhaften Wartburgkriegs (s. d.). Hermann, welcher 1216 starb, hatte seinen zweiten Sohn, Ludwig IV., den
Heiligen, zum Nachfolger. Dieser (s. Ludwig 56) und seine Gemahlin, die heil. Elisabeth (s. Elisabeth 14), sind von Sage und Legende
vielfach verherrlicht worden.
Anhalt (Geistige Kultu

* 25
Anhalt.
Bei Ludwigs Tod in Otranto zählte sein einziger Sohn, Hermann II., erst vier Jahre, weshalb sein
Oheim Heinrich Raspe die stellvertretende Regierung in Thüringen
erhielt. 1238 mündig geworden, übernahm Hermann II. die Regierung
selbst, starb aber schon 1242 kinderlos. Ihm folgte der eben genannte Heinrich Raspe (s. Heinrich 49). Er starb als Gegenkönig
Kaiser Friedrichs II. als der letzte männliche Sproß seines Hauses. Schon hatte der
Markgraf Heinrich der Erlauchte von Meißen (s. Heinrich 39), Sohn von Jutta, der Stiefschwester des letzten Landgrafen von Thüringen
, vom
Kaiser Friedrich II. die anwartschaftliche Belehnung mit Thüringen
erhalten und schritt nun zur Besitzergreifung.
Da aber zu gleicher Zeit Sophie, die Tochter Ludwigs des Heiligen und Gemahlin des Herzogs Heinrich I. von Brabant, und Graf Siegfried von
Anhalt,
[* 25] ein Neffe Heinrich Raspes, mit Erbansprüchen hervortraten, so entstand der sogen. Thüringer Erbfolgekrieg, welcher zwar
durch das Treffen bei Mühlhausen
[* 26] und den Weißenfelser Vergleich vom zu gunsten Heinrichs des
Erlauchten endigte, allein, da Sophie von Brabant den Kampf erneuerte, nach einem zweiten entscheidenden Sieg Heinrichs
bei Wettin
dadurch beigelegt wurde, daß Sophie Hessen, Heinrich dem Erlauchten aber Thüringen zugesprochen ward. Thüringen war seit 1256 von
Heinrichs ältestem Sohn, Albrecht, und dessen Oheim, dem Grafen Hermann von Henneberg, verwaltet worden. 1263 aber
trat Heinrich der Erlauchte Thüringen und die sächsische Pfalz an jenen Sohn, Albrecht den Entarteten (s. Albrecht 14), ab. Diesen verwickelte
sein Versuch, die ihm von seiner ersten Gemahlin, Margarete, gebornen Söhne, Heinrich, Friedrich den Freidigen
und Diezmann, zu gunsten des ihm von Kunigunde von Eisenberg gebornen Apitz an ihrem Erbteil zu verkürzen, in Krieg mit erstern;
dabei verkaufte er 1294 Thüringen für 12,000 Mark Silber an den König Adolf von Nassau.
Infolge davon ward das Land von allen Greueln des Kriegs heimgesucht, indem sich König Adolf 1294 und 1295 mit Heeresmacht in Besitz des erkauften Landes zu setzen suchte, und diese Greuel wiederholten sich, als nach Adolfs Sturz dessen Nachfolger Albrecht I. ebenfalls Ansprüche auf Thüringen erhob. Nachdem aber Friedrich der Freidige (s. Friedrich 34) seinem Vater die Wartburg entrissen und mit Diezmann die kaiserlichen Truppen bei Lucka geschlagen hatte, gelangte er nach Diezmanns Ermordung zum alleinigen Besitz von Thüringen und erhielt dann von Kaiser Heinrich VII. auch die förmliche Belehnung.
Koburg - Koch

* 27
Koburg.Zwischen seinem Sohn und Nachfolger Friedrich II, dem Ernsthaften (s. Friedrich 35), einer- und den Grafen von Orlamünde und Schwarzburg sowie andern thüringischen Grafen anderseits entstand 1342 der sogen. Thüringer Grafenkrieg. Zwar stiftete Kaiser Ludwig der Bayer 1343 Frieden, doch entbrannte der Kampf bald aufs neue und endete erst 1345 und zwar zum Vorteil des Landgrafen. Er starb Von seinen drei Söhnen vergrößerte Friedrich III., der Strenge (1349-81, s. Friedrich 36), Thüringen durch Erwerbung der Pflege Koburg [* 27] und Balthasar (1349-1406) durch Erwerbung der Ämter Hildburghausen, [* 28] Heldburg, Ummerstadt etc. infolge seiner Vermählung mit Margarete, der Tochter des Burggrafen Albrecht von Nürnberg. [* 29]
Auch entrissen sie im Verein mit ihrem dritten Bruder, Wilhelm dem Einäugigen, 1369 den von ihnen besiegten Vögten von Plauen [* 30] Ziegenrück, Auma und Triptis und kauften 1365 die Stadt Sangerhausen zurück. Nachdem 1373 mit den Landgrafen von Hessen eine Erbverbrüderung geschlossen worden war, fand 1379 und definitiv 1382 nach Friedrichs des Strengen Tod eine Teilung statt, der zufolge an Balthasar fiel. Balthasar hatte in Thüringen 1406 seinen Sohn Friedrich IV., den Friedfertigen oder den Einfältigen, zum Nachfolger.
Dieser (s. Friedrich 37) überließ aber die Regierung meist seinem Schwiegervater, dem Grafen Günther von Schwarzburg, und erhielt infolge des Absterbens seines Oheims Wilhelm einen großen Teil von Meißen. Nach seinem Tod (1440) fiel an den Kurfürsten Friedrich II., den Sanftmütigen, und dessen Bruder, den Herzog Wilhelm III. Die Teilung zwischen beiden Brüdern veranlaßte einen Bruderkrieg (s. Sachsen, S. 134). Als darauf Wilhelm 1482 ohne Leibeserben starb, fiel an die Söhne Friedrichs des Sanftmütigen, Ernst und Albert, welche eine förmliche Länderverteilung vornahmen (s. Sachsen, S. 134). Seitdem verschmilzt die Geschichte von Thüringen in die der sächsischen Herzogtümer Ernestinischer Linie (s. d.), die Geschichte des thüringischen Kreises aber, wie der Anteil der Albertinischen Linie hieß, in die Geschichte Kursachsens und seit 1815 Preußens. [* 31]
Vgl. »Thüringische ¶
Geologische Karte von

* 32
Seite 15.682a.Farbenerklärung.
Keuper
Buntsandstein
Perm:
Prod. Steinkohle
Cambrium.
Gneis und Glimmerschiefer
Eruptivgesteine:
Quarzporphyr
Thüringer Wald

* 34
Seite 15.683.Zum Artikel »Thüringer Wald«. ¶
mehr
Geschichtsquellen" (hrsg. von Wegele und Liliencron, Jena [* 35] 1854 bis 1886, Bd. 1-5);
»Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte« (das. 1854 ff.);
Galletti, Geschichte Thüringens (Gotha [* 36] 1781-85, 6 Bde.);
Wachter, Thüringische und obersächsische Geschichte (Leipz. 1826-30, 3 Bde.);
Knochenhauer, Geschichte Thüringens in der karolingischen u. sächsischen Zeit (Gotha 1863) und zur Zeit des ersten Landgrafenhauses (das. 1871);
Koch, Geschichte Thüringens (das. 1886);
Rothe, Chronik von Thüringen (hrsg. von Fritzsche, Eisenach 1888);
Gebhardt, Thüringische Kirchengeschichte (Gotha 1880);
Bechstein, Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringer Landes (Hildburgh. 1838).