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Gangadhar Tilak (A summary of the principal facts and arguments in the Orion, or researches into the antiquity of the Vedas, Poona 1892) wahrscheinlich gemacht, daß die Zeit von 4000 bis 2500 die der Entstehung der meisten Lieder des Ṛgvēda gewesen ist. Man ersieht aus dem Ṛgvēda, daß das ind. Volk, das damals vorzugsweise im westl. Indien, vor allem im Pandschab, saß, bereits auf einer sehr hohen Stufe der Kultur angelangt war. Es stand unter einer Anzahl von Königen, die offenbar eine kostspielige Hofhaltung in befestigten Städten hatten.
Den Fürsten und Reichen schmeichelten die Dichter, die dafür reichlich belohnt wurden, untereinander in heftiger Konkurrenz lebten und in öffentlichem Wettstreit sich den Rang abzulaufen suchten. Gold, [* 2] Kühe und Rosse werden leidenschaftlich verlangt; man frönte dem Würfelspiel, dem Trunke und dem Wettrennen; das Hetärentum war stark entwickelt und geschlechtliche Vergehen häufig. Der Ṛgvēda setzt bereits eine reich entwickelte, mannigfaltige Poesie voraus: Lieder auf Götter und Könige (gāthās), auf freigebige Fürsten und reiche Männer (nārāçaṃsī, danastuti), epische Erzählungen mit eingelegter Prosa (itihāsa), Genealogien der Götter und Menschen, eine reiche Göttersage, Lieder histor.
Inhalts, Rätselfragen und Rätselsprüche u. dgl. Man ersieht aus einzelnen Brāhmaṇas und Sūtras, daß bei bestimmten festlichen Gelegenheiten der König oder ein anderer Held der Vorzeit von Lautenspielern besungen wurde, und viele dieser Lieder sind mit verhältnismäßig geringer Umänderung bis in das klassische Epos, das Mahābhārata, hinübergenommen worden und werden schon bei ihrem ersten Erscheinen als alte versus memoriales citiert. In seiner jetzigen Gestalt enthält der Ṛgvēda, vorwiegend Lieder religiösen Inhalts, die Dichtern ganz verschiedener Generationen und sehr ungleichen Talentes angehören.
Eine Sammlung von Liedern, wie sie der Ṛgvēda ist, nennt man im Sanskrit Saṃhitā (Sammlung), und es ist üblich, die älteste I. L. in drei Perioden zu teilen, in Saṃhitā-, Brāhmaṇa- und Sūtraperiode. Der ersten teilt man die vier Veden zu, den Ṛgvēda, Sāmavēda, Yajurvēda (Jadschurveda) und Atharvavēda, der zweiten die dogmatisch-spekulativen Traktate, die Brāhmaṇa, der dritten die in kurzen Sätzen abgefaßten Lehrbücher, die Sūtra. Jeder Vēda wurde in einer Anzahl von Schulen studiert, die in ihren Auffassungen oft sehr erheblich voneinander abweichen und deren Anschauungen uns die Brāhmaṇa samt den Āraṇyaka und Upanishad und die Sūtra geben.
Die ganze Einteilung ist jedoch nur ein Notbehelf, weil es an chronolog. Handhaben fehlt. Schon innerhalb der Saṃhitās bestehen große zeitliche Schwankungen. So tragen im allgemeinen die den Jadschurveden eigentümlichen Strophen (ṛcas) ein jüngeres Gepräge, die für sie angegebenen Verfasser jüngere Namen, als es im Ṛgvēda der Fall ist. Aber daneben erscheinen auch recht altertümliche Verse mit Verfassernamen, die auch dem Ṛgvēda angehören. Der Inhalt des Atharvavēda, den man für die jüngste Samhitā hält, ist uralt und erklärt die sprachliche Verschiedenheit vollkommen.
Viele Lieder des Ṛgvēda reichen ohne Zweifel in die Zeit hinab, wo man sich bereits mit Exegese der ältern beschäftigte, und viele Upanishads gehen bis auf unser Jahrhundert zurück. Zu derselben Zeit, wo die Hymnen des Ṛgvēda entstanden, wurde gewiß auch die weltliche Dichtung geübt, wie die wenigen erhaltenen Proben, unter ihnen das herrliche Loblied auf König Parikshit im Atharvavēda, zeigen, und stets bildeten bestimmte Fürstenhöfe das Centrum der litterar. und wissenschaftlichen Bestrebungen. Auch von andern Kshatriyas wird berichtet, daß sie den Brahmanen an Kenntnissen überlegen waren, und ebenso nahmen von frühester Zeit an Frauen an der Dichtkunst und den Disputationen teil.
Die wissenschaftliche Litteratur der klassischen Zeit erwuchs unmittelbar aus der vedischen. Von früher Zeit an wurde die grammatische Forschung gepflegt. Als älteste Werke der Indischen Grammatik hat man die sog. Prātiçākhya anzusehen, Lehrbücher der Phonetik, deren zu jedem Vēda eines gehört. Das Ṛkprātiçākhya ist hg. von Regnier (3 Bde., Par. 1857-59) und von Max Müller mit deutscher Übersetzung (Lpz. 1869); das zum Sāmavēda gehörige Ṛktantravyākaraṇa von Burnell (Mangalur 1879), das Vājasanēyiprātiçākhya von Albr. Weber («Ind. Studien», Bd. 4, Berl. 1858), das Tāittirīyaprātiçākhya von Whitney (New-Haven 1871), das Atharvavēdaprātiçākhya ebenfalls von Whitney (ebd. 1862). Die Prātiçākhya umfassen nur einen einzelnen Teil der Grammatik; noch enger ist das Gebiet der Çikshās, deren Hauptzweck ist, die Regeln für die richtige Recitation der Veden zu geben. Es sind meist junge Werke, von denen man schon 30 dem Namen nach kennt, eine Anzahl vollständig.
Die Etymologie behandelte Jāska im Nirukta (hg. von Roth, Gött. 1852; und in der «Bibliotheca Indica» zugleich mit den Kommentaren des Dēvarādscha und Durga, 4 Bde., Kalkutta [* 3] 1882-91), einem Kommentar zu einem Teile eines gleichnamigen ältern Werkes. Aus Jāska ersieht man, daß sich schon frühzeitig mehrere Richtungen schroff gegenüberstanden und daß es eine große Zahl grammatischer Schulen gab. Den Gipfelpunkt erreichte das grammatische Studium in dem Werke des Pāṇini, dessen Zeit allerdings noch gar nicht bestimmt ist, an das sich die Vārttika des Kātjājana oder Vararuci und der große Kommentar des Patandschali, das Mahābhāshyam oder Vyākarana-Mahābhāshyam (hg. von Kielhorn, 4 Bde., Bombay [* 4] 1880-85; Bd. 1 in 2. Aufl., ebd. 1892), sowie die später zu erwähnende Kāçikā anschließen.
Unbestimmt ist auch die Zeit des Bhaṭṭōdschidīkshita, des Verfassers der Siddhāntakāumudī (hg. zuletzt Bombay 1888) und des Varadarādscha, des Verfassers der Laghukāumudī (hg. von Ballantyne, 2. Aufl., Benares 1867 u. ö. in Indien). Einer andern Richtung als Pāṇini, der von Burnell (On the Aindra School of Sanskrit Grammarians, Mangalur 1875) Schule der Aindragrammatiker genannten, gehört an das Kātantram (hg. von Eggeling, Kalkutta 1874-78; unvollendet), ins 13. Jahrh. gehört Bōpadēvas Mugdhabōdha. Außerdem giebt es noch eine große Zahl von Grammatiken und Werken grammatischer Richtung, die sog. Dhātupāṭha, Gaṇapāṭha u. s. w.
Im Anschluß an die Upanishads entwickelte sich die ind. Philosophie, von der sechs Systeme als orthodox gelten (s. Indische Philosophie) und aus den Dharmasūtra die Dharmaçāstra, ursprünglich aus Prosa und Versen gemischt, dann rein in Versen geschrieben und als solche eigentlich Smṛti zu nennen. Die erste Stelle nimmt ein das Dharmaçāstra des Manu, nächst ihm das des Jadschnavalkya. Das des Nārada (die Nāradasmṛti) hat ¶
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Jolly herausgegeben (Kalkutta 1885), die Vishṇusmṛti derselbe (ebd. 1884). 28 verschiedene Werke dieser Art sind vereinigt in dem Dharmaçāstrasaṃgraha (Bombay 1883). Außerdem giebt es eine große Zahl von Werken über verschiedene Teile des Rechts.
Vgl. Jolly, Outlines of an history of the Hindu law of partition, inheritance and adoption (Kalkutta 1885);
West und Bühler, A digest of Hindu law (Bombay 1867-69; 3. Aufl. 1884).
In der Rhetorik ist das älteste Werk das Bhāratīyanāṭyaçāstra, das an den Anfang der klassischen Zeit gehören dürfte. Eine Ausgabe in der Kāvyamālā ist fast vollendet. Andere kommen unten zur Sprache, [* 6] ebenso wie die wichtigsten mathem. und astron. Werke, da deren Zeit feststeht. Auch über Medizin besitzt man viele Werke, worunter das berühmteste das Āyurvēdaçāstra des Suçruta ist, danach die Saṃhitā des Tscharaka (hg. Kalkutta 1877 u. sonst). (Vgl. Wise, Commentary on the Hindu system of medicine, 2. Aufl., Lond. 1860.) Aus dem Gebiet der Tierarzneikunde sind uns bekannt das Açvavāidyaka des Dschajadatta und das Açvacikitsita des Nakula, beide über Roßheilkunde (hg. in der «Bibliotheca Indica», Kalkutta 1887). Von der Litteratur über Musik ist noch wenig bekannt.
Vgl. Tagore, Hindu music from various authors (Kalkutta 1875);
Grosset, Contribution à l’étude de la musique hindoue (ohne Ort und Jahr).
Die älteste Form der epischen Erzählung war eine Mischung von gebundener Rede und Prosa. So kann man es noch an den buddhistischen Jātaka beobachten, und eben darauf weisen die epischen Lieder des Ṛgvēda hin. Fixiert waren nur die Verse, während der verbindende Prosatext von den Rhapsoden jedesmal frei hinzugefügt wurde. Das Gleiche gilt von den Anfängen des Dramas, das eine durchaus nationale Schöpfung der Inder ist, völlig unberührt von jedem fremden Einfluß.
Der Ṛgvēda enthält bereits eine Anzahl dramatisch gehaltener Lieder; im Epos treten die handelnden Personen ganz wie bei Homer immer selbst redend auf und Gesang, Instrumentalmusik und Tanz waren von ältester Zeit an beliebt. Zwischen die Gesänge und Tänze wurde anfänglich ein improvisierter Dialog eingeschoben, eine Stufe der Entwicklung, auf der die sog. yātras, die Volksschauspiele in Bengalen, heute noch stehen. Hier wird in Bühnenanweisungen nur der Verlauf der Handlung angegeben, die nähere Ausführung bleibt dem Schauspieler selbst überlassen.
Das gleiche Gepräge zeigen Stücke aus Nepal und teilweise das Drama Mahānāṭaka oder Hanumannaṭaka, das trotz starker Überarbeitung für die Geschichte des ind. Dramas von größter Wichtigkeit ist. Bis in die späteste Zeit hinein findet man Stücke, in denen nur ein Schauspieler auftritt und die lediglich eine Art Recitation sind. Das klassische Drama hat die Erinnerung an seinen Ursprung noch treu bewahrt. Es wechselt auch hier Prosa mit gebundener Rede ab; Frauen und Personen niedriger Herkunft sprechen Prākrit.
Sehr einfach war die Technik des ind. Dramas. Das Schauspielhaus wurde aus Lehm und Holz [* 7] errichtet, Säulen [* 8] und bemalte Wände machten die ganze Dekoration aus; alles übrige drückte der Schauspieler durch bestimmte Bewegungen des Körpers, Stellungen der Hände und durch Gegenstände aus, die er in die Hand [* 9] nahm. Der Phantasie des Zuschauers blieb das meiste überlassen. Leider sind ältere Dramen gar nicht erhalten und auch von der großen Masse der übrigen Litteratur, abgesehen von der erwähnten, der in Pali geschriebenen Litteratur der Buddhisten und der in Prākrit geschriebenen Litteratur der Dschains, sind bis zum 6. Jahrh. n. Chr. Einzelwerke fast gar nicht erhalten. Der Hauptgrund liegt jedenfalls darin, daß alles was an Sage und Märchen, an epischer Erzählung und Götterlegende in Indien umlief, in das große Nationalepos, das Mahābhārata und Purāṇa, aufgenommen und dort überarbeitet wurde. Das zweite Nationalepos, das Rāmāyaṇa, ist ein Kunstgedicht und gehört schon an den Anfang der klassischen Zeit selbst.
Diese klassische Zeit pflegte man erst mit dem 6. Jahrh. n. Chr. beginnen zu lassen und Max Müller («Indien in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung», übersetzt von C. Cappeller, Lpz. 1884, S. 245 fg.) wollte ein litterar. Interregnum annehmen, das vom 1. Jahrh. v. Chr. bis wenigstens zum 3. Jahrh. n. Chr. gedauert habe. Die indoskytischen Könige, die seit dem 1. Jahrh. v. Chr. erobernd in Indien vordrangen, aber nur einen kleinen Teil, vorwiegend den Westen, dauernd beherrschten, haben jedoch nicht störend in die Entwicklung eingegriffen, vielmehr sich ihrerseits dem Einflusse der ind. Kultur nicht entziehen können.
Das beweist namentlich Kanishka, der mächtigste dieser Fürsten, der sich 78 n. Chr. zum Könige krönen ließ und von diesem Jahre seine Ära datierte, die noch heute in Indien eine der beiden Hauptären ist, nach denen man rechnet. Er war ein großer Gönner des Buddhismus und die ind. Tradition versetzt glaubwürdig an seinen Hof den [* 10] Açvaghosha, den Dichter des Buddhacarita oder Buddhacaritakāvya, eines Kunstgedichtes, das nicht vollständig erhalten und von dem nepalesischen Pandit Amṛtānanda 1830 ergänzt worden ist (hg. von Cowell in den «Anecdota Oxoniensia», Oxford [* 11] 1893). Dieses Gedicht ist 420 n. Chr. bereits ins Chinesische übersetzt worden (ins Englische [* 12] übertragen von S. Beal, «Sacred Books of the East», Bd. 19, Oxford 1883), im 7. oder 8. Jahrh. ins Tibetanische, und trägt bereits völlig den Charakter der spätern Kunstgedichte, der sog. mahākāvya (s. S. 568 a.). Açvaghosha ist bis jetzt der älteste bekannte Dichter, der in der Art der klassischen Zeit dichtete und dieser «Ennius der klassischen Zeit der Sanskrit-Poesie» beweist, daß diese Litteratur viel älter ist als man bisher annahm.
Das Gleiche ergiebt sich aus den Inschriften. Man ersieht aus ihnen, daß schon im 2. Jahrh. n. Chr. die Poesie eifrig gepflegt wurde und die Inschriften der Könige und Satrapen der mächtigen Guptadynastie (hg. von Fleet, «Corpus inscriptionum indicarum», Bd. 3, Kalkutta 1888) beweisen, daß im 4. Jahrh. n. Chr. die Poesie unter genau denselben Bedingungen blühte wie in der vedischen Zeit. Auch damals suchten die Dichter die Nähe der Fürsten, schmeichelten ihnen in übertriebener Weise und erlangten an den Höfen Ehre und Gewinn. Die Guptainschriften unterscheiden sich in Sprache und Form durchaus nicht von den Dichtungen des 6. Jahrh., das den Höhepunkt der klassischen Zeit darstellt. (Vgl. Bühler, Die ind. Inschriften und das Alter der ind. Kunstpoesie, Wien [* 13] 1890, in den «Sitzungsberichten» der Wiener Akademie, Bd. 72.)
Ein Versuch, die I. L. chronologisch anzuordnen, muß sich anlehnen an die Geschichte der ind. Könige. Unter ihnen ragt hervor Vikramāditja von ¶
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Uddschajinī, der früh von der Sage umwoben worden ist, an dessen geschichtlicher Persönlichkeit aber nicht gezweifelt werden darf. Die ind. Tradition setzt ihn ins 6. Jahrh. n. Chr. und läßt an seinem Hofe die «Neun Perlen» leben: Dhanvantari, Kshapaṇaka, Amarasiṃha, Çanku, Vētālabhaṭṭa, Ghaṭakarpara, Kālidāsa, Varāhamihira und Vararuci. Von diesen ist weitaus der bekannteste Kālidāsa, der berühmteste Dichter Indiens. Von Ghaṭakarpara sind nur zwei kleinere Gedichte erhalten, zu 21 und 22 Strophen, wovon das eine, das Yamakakāvya (oft herausgegeben; mit deutscher Übersetzung von Dursch, Berl. 1828), trotz seiner Künsteleien m Indien hochgefeiert war, sodaß es sogar von dem Çaivaphilosophen Abhinavagupta kommentiert worden ist.
Dhanvantari schrieb ein Wörterbuch der Materia medica, Amarasiṃha ist berühmt als Lexikograph und sein Wörterbuch, der Amarakōça (hg. von Loiseleur Deslongchamps, Par. 1839-45; von Kielhorn, 2. Aufl., Bombay 1882 u. ö. in Indien), das älteste und angesehenste unter den synonymischen Wörterbüchern. Als Dichter ist er uns bisher nur durch sechs Strophen bekannt. Varāhamihira war als Astronom, Vararuci als Grammatiker berühmt; von den drei übrigen weiß man bis jetzt nichts oder nur Unsicheres. Ein älterer Zeitgenosse der «Neun Perlen» ist der Astronom Ārjabhaṭa und der Zeit nach nicht fern stehen wird der Lyriker Amaru.
Dem 6., vielleicht noch Anfang des 7. Jahrh. gehören ferner an die gefeierten Dichter Bhāravi und der jüngere Māgha, wahrscheinlich auch Bhaṭṭi. Sie sind die Hauptvertreter der mahākāvya («großes Gedicht») genannten Dichtungsform. Diese mahākāvya entlehnen ihren Stoff meist dem Mahābhārata und Rāmāyana oder schildern das Leben fürstl. Gönner des Dichters in übertriebener, oft ganz märchenhafter Gestalt. Der Stoff ist Nebensache; Schilderungen des Mond- und Sonnenaufgangs, von Städten, Bergen, [* 15] des Meers, Vergnügungen aller Art, Reden u. dgl. bilden die Hauptsache; schwungvolle Metren und Künsteleien sollen über den Mangel an wirklicher Poesie hinweghelfen.
Die Inder rechnen zu den mahākāvya auch Kalidāsas Epen, die sich aber von den übrigen durch ihre Einfachheit abheben, namentlich der Kumārasaṃbhava. Von dieser Gattung seien noch genannt: das Nāishadhacaritam des Çrīharsha (Tl. 1, hg. Kalkutta 1836; 2. Aufl. 1870; Tl. 2, von Röer, in der «Bibliotheca Indica», ebd. 1855; beide Teile, ebd. 1875-76), des Sohnes des Hīra, der auch noch eine Reihe anderer Werke verfaßt hat und dessen Zeit nicht sicher ist;
das Çrīkaṇṭhacarita des Mankha oder Mankhaka (hg. in der Kāvyamālā, Nr. 3), der auch ein Sanskritwörterbuch verfaßt hat und um 1140 blühte, das Bālabhāratam des Amaracandra, eines Dschain im Anfang des 13. Jahrh., der auch grammatische und rhetorische Werke verfaßt hat.
Das Bālabhāratam war lange nur in der griech. Übersetzung des Demetrios Galanos bekannt (Athen [* 16] 1847; jetzt herausgegeben im «Paṇḍit», Nr. 40-64; eine neue Ausgabe ist in der «Kavyamālā» im Druck). Von der zweiten Gattung der mahākāvya, den pseudo-historischen, die jedoch immerhin auch für die Geschichte, vorsichtig benutzt, nicht ohne Wert sind, seien genannt das Vikramānkadēvacarita des Bilhaṇa aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. und die Kīrtikāumudī des Sōmēçvara (um 1200), hg. von Kāṭhavate (Bombay 1883). Hierher gehören auch die in Prākrit geschriebenen mahākāvya, zur ersten Gattung der Rāvaṇavahō, zur zweiten der Gaūḍavahō (s. Prākrit). Im 6. Jahrh. lebte wohl auch noch Daṇḍin (s. d.) und der Verfasser des Dramas Mṛcchakaṭikā, wenn dieser nicht Daṇḍin ist.
Somit ist in diesem Jahrhundert die Blütezeit des Epos verstrichen. An seine Stelle sind die mahākāvya getreten, deren Charakter ein vorwiegend lyrischer ist, und der Roman in Prosa, zuerst vertreten in Daṇḍins Daçakumāracarita. Die Lyrik blühte, ebenso das Drama, von Wissenschaften die Astronomie, [* 17] Medizin, Lexikographie, Rhetorik, Grammatik, diese in engstem Anschluß an Pāṇini. Wie weit die Dichter dieses Zeitalters, das man das Vikrama-Zeitalter nennen kann, ihren Vorgängern gegenüber wirklich originell sind, entzieht sich unserer Beurteilung völlig. Von der vedischen Zeit sind ihre Dichtungen durch Sprache, Inhalt und Form gänzlich verschieden.
Die Dichter des folgenden 7. Jahrh. ragen nicht durch Originalität hervor. An ihrer Spitze steht der Zeit nach Subandhu, der Verfasser des Romans Vasavadattā (hg. mit wichtiger Einleitung von Hall [* 18] in der «Bibliotheca Indica», Kalkutta 1859; Analyse von Weber, «Ind. Streifen», 1, 369 fg., Berl. 1868), der in schwülstiger Prosa geschrieben ist. Unter den Fürsten dieses Jahrhunderts ist der Freund der Dichtkunst, Çrīharsha Çīlāditja, König von Kānjakubdscha, über den man durch den chines. Pilger Hiuen-tsang ausführlichere Nachrichten hat und nach dem man dieses Zeitalter das Çīlāditja-Zeitalter nennen kann.
Sein Hofpoet war Bāṇa. Nach ind. Tradition war sein Konkurrent in der Lyrik Majūra, der von manchen zum Schwiegervater des Bāṇa gemacht wird. Sein Loblied auf die Sonne [* 19] in 100 Strophen, das Sūryaçatakam, ist ein einförmiges Gedicht (hg. von Häberlin, «Kāvyasaṃgraha», Kalkutta 1847, S. 197 fg., und in der «Kāvyamālā», Nr. 19, mit dem Kommentare des Tribhuvanapāla). An demselben Hofe lebte ferner der Verfasser dreier Dramen, der Ratnāvalī, der Priyadarçikā und des Nāgānanda, der nach höfischer Sitte seine Werke unter dem Namen seines Patrones veröffentlichte, sodaß Çrīharsha selbst als Dichter erscheint.
Vermutlich ist der Dichter Dhāvaka. Das interessanteste dieser Stücke ist der Nāgānanda, weil er helles Licht [* 20] auf die religiösen Verhältnisse der damaligen Zeit wirft. Es wurde aufgeführt an einem Feste des Indra, in der Einleitungsstrophe wird Buddha angerufen und den buddhistischen Helden ruft Gāurī, die Frau des Çiva, ins Leben zurück, die auch von der Heldin verehrt wird. Herausgegeben ist der Nāgānanda Kalkutta 1864 u. 1873; neue Ausgabe von Bhānap (Bombay 1892), ins Englische übersetzt von Palmer Boyd (Lond. 1872), ins Französische von Bergaigne (Par. 1879). Die beiden andern Stücke sind nach der üblichen Schablone gearbeitet, zeichnen sich aber durch einfache, klare Sprache aus. Die Ratnāvalī ist am besten herausgegeben von Cappeller (in Böhtlingks «Sanskrit-Chrestomathie», 2. Aufl., Petersb. 1887, S. 290 fg.) und sehr oft in Indien; ins Deutsche [* 21] übersetzt von Fritze (Chemnitz [* 22] 1878); die Priyadarçikā ist hg. Kalkutta 1874, besser Bombay 1884.
Die Spruchdichtung, und zwar die erotische wie didaktische, fand in diesem Jahrhundert durch Bhartṛihari (s. d.) hervorragende Vertretung. Nach seinem Vorgange und dem des Amaru hat sich eine ¶
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überaus reiche Litteratur dieser Art gebildet, die Çataka-Dichtung, die als eine der beliebtesten Gattungen der ind. Poesie angesehen werden muß und in der eine Fülle von Lebensweisheit und feiner Natur- und Sittenschilderungen niedergelegt ist. Einer der ältesten Verfasser eines Çatakam, d. h. einer Spruchdichtung in 100 (und oft etwas mehr) Strophen ist Bhallaṭa (hg. in der «Kāvyamālā», IV, 140 fg.), der nicht später sein kann als das 10. Jahrh. und aus Kaschmir [* 24] stammte.
Ganz verschiedenen Zeiten gehören die Sprüche an, die unter dem Namen des Tschānakja, des Ministers des Königs Tschandragupta (s. d.), in zahlreichen Sammlungen vereinigt worden sind (Litteratur bei Monseur, Cāṇakya, Par. 1887). Dem Tschānakja selbst dürfte keiner der Sprüche angehören; aber bereits im 7. Jahrh. war eine Sammlung unter seinem Namen bekannt, die die Pflichten des Königs behandelte. Denselben Stoff hatte sein angeblicher Schüler Kāmandaki verarbeitet; das unter seinem Namen auf uns gekommene Werk, der Kāmandakīyanītisāra (hg. in der «Bibliotheca Indica», Text, Kalkutta 1861; Kommentar, ebd. 1884), ist ebenfalls stark überarbeitet.
Ihrem Inhalte nach sind die Çataka teils rein religiös, wie die des Bāṇa und Majūra, teils erotisch, wie das des Amaru, teils didaktisch, wie die Çataka des Kshēmēndra und die Tschānakja-Sammlungen, teils erotisch und didaktisch, wie Bhartṛhari, ihrer Form nach sehr mannigfach. Ein später Autor, Rāmatschandra, hat es verstanden, in seinem Rasikarañjanam (abgefaßt 1523, hg. in der «Kāvyamāla», IV, 80 fg.) die Worte so zu wählen, daß sie je nach der verschiedenen Abteilung und Interpretation sich auf Liebe oder Leidenschaftslosigkeit beziehen, ein Kunststück, das in Indien schon vor ihm beliebt und gefeiert war. Am bekanntesten ist in dieser Hinsicht das Rāghavapāṇḍavīya, dessen Verfasser Kavirādschasūri am Ende des 12. Jahrh. lebte und sein Gedicht so abgefaßt hat, daß es zugleich den Inhalt des Mahābhārata und des Rāmāyaṇa wiedergiebt, für uns eine Albernheit, für den Inder der Gipfel der Kunst.
Von der großen Beliebtheit der Spruchpoesie legen die in späterer Zeit gemachten Anthologien Zeugnis ab, die trotz mancher Ungenauigkeit, vieler Irrtümer und Widersprüche für die Geschichte der I. L. von großer Wichtigkeit sind. Die älteste ist die Sattasaī des Hāla in Prākrit; aus dem Ende des 13. Jahrh. stammt die Çarṅgadharapaddhati (hg. von Peterson, Bombay 1889), aus dem 15. Jahrh. die Subhāshitāvali des Vallabhadēva (hg. von Peterson und Durgāprasāda, ebd. 1886); andere sind nur handschriftlich bekannt.
Ins 7. Jahrh. gehört vielleicht auch noch Viçākhadatta, der Dichter des Dramas Mudrārākshasa (hg. von Telang, Bombay 1884; ins Deutsche übersetzt von Fritze, Lpz. 1886), eins der bedeutendsten und eigenartigsten Werke der Inder. Die Grammatik blühte weiter; in dieser Zeit schrieb nicht nur Bhartṛhari seine grammatischen Werke, sondern es entstand auch die Kāçikā, der beste und klarste Kommentar zu Pāṇini, das Werk des Vāmana und Dschajāditja, gegründet auf den großen Kommentar des Patandschali, das Mahābhāshyam, dessen Zeit nicht feststeht.
Im Anfang des 8. Jahrh. lebte der nach Kālidāsa berühmteste Dramatiker Indiens, Bhavabhūti (s. d.), und nicht viel später wird Bhaṭṭanārājaṇa fallen, der Verfasser des Dramas Vēṇīsaṃhāra (hg. von Grill, Lpz. 1871, und sehr oft in Indien), und Murāri, der Dichter des Dramas Anagharāghava (hg. in der «Kāvyamālā», Nr. 5), beide in Indien hochgefeiert. Als Epiker blühte damals Vākpatirādscha, der Verfasser des schon erwähnten, in Prākrit geschriebenen Gaüḍavahō, und als Rhetoriker wahrscheinlich Vāmana, der, wie viele seiner Vorgänger (Udbhaṭa, Bhāmaha, Daṇḍin), auch eigene Strophen in sein Werk, die Kāvyālaṃkāravṛtti, einlegte (hg. von Cappeller, Jena [* 25] 1875; und von Borooah, Kalkutta 1883; das letzte Kapitel ist deutsch übersetzt von Cappeller, «Vāmanas Stilregeln», Straßb. 1880). Gegen Ende dieses Jahrhunderts (788) wurde der große Çivaist Çaṃkarācārja geboren, ein eifriger und bedeutender Vertreter der Philosophie des Vēdānta, der schon 820 im Alter von 32 J. starb.
Çamkara hat Kommentare verfaßt zum Brahmasūtra des Bādarājaṇa selbst, zu einer Anzahl Upanishad, zur Bhagavadgītā. Ihm wird auch eine Reihe eigener kleiner Schriften zur Vēdānta-Philosophie zugeteilt, von denen ihm selbst keine gehören dürfte. Von den zahlreichen ihm zugeschriebenen Gedichten gehören ihm vielleicht an die Ānandalaharī, ein Hymnus auf Pārvatī, die Frau des Çiva, in 103 Strophen, und der Mōhamudgara, eine Predigt im Stile des Abraham a Santa Clara (beide hg. von Häberlin, «Kāvyasaṃgraha», Kalkutta 1847, S. 246 fg. u. sonst).
Aus dem 9. Jahrh. sind bisher sehr wenige hervorragende Dichter bekannt. Zu nennen sind der Rhetoriker Rudraṭa, der durchweg eigene, zum Teil sehr viel citierte und wohlgelungene Strophen seinen Werken einverleibt hat (Kāvyālaṃkāra, hg. in der «Kāvyamālā», Nr. 2; Çṛṅgāratilaka, hg. von Pischel, Kiel [* 26] 1886, und in der «Kāvyamālā», III, 111 fg.),
und Ratnākara, der Dichter des mahākāvya, Haravijaya (hg. in der «Kāvyamālā», Nr. 22),
worin er Bāṇa nachahmt, und der Vakrōktipañcāçikā (hg. in der «Kāvyamālā», I, 101 fg.), 50 Strophen, deren Pointe in Wortspielen liegt. Nicht vor diesem Jahrhundert fand auch das Pañcatantra seinen Abschluß in der uns vorliegenden nördl. Fassung; jünger ist der Hitōpadēça, der Auszüge aus dem Pañcatantra giebt. Nichts Bestimmtes läßt sich sagen über die Zeit der Märchensammlungen Vētālapañcaviṃçatikā (hg. von Uhle, Lpz. 1881), Siṃhāsanadvātriṃçikā oder Vikramacarita (Weber, «Ind. Studien», Bd. 15, ebd. 1878, und hg. Kalkutta 1881) und Çukasaptati (hg. von R. Schmidt, Lpz. 1893), die in Indien sehr beliebt und in fast alle neuern Sprachen des Nordens und Südens übersetzt worden sind. Am Ende des 9. und dem Anfang des 10. Jahrh. blühte der Dramatiker Rādschaçēkhara (s. d.).
Das 10. Jahrh. weist erst in seinem letzten Teile einige ausgezeichnete Dichter auf. Mittelpunkt der Pflege der Kunst war damals die Stadt Dhar in Malwa, wo das Geschlecht der Paramāras eine machtvolle Stellung sich errungen hatte. Vākpatirādscha II., bekannter unter seinem Namen Muñdscha (gest. etwa 995), wird als Dichterfreund und freigebiger Fürst gepriesen. Unter ihm lebten die Brüder Dhanaṃdschja und Dhanika, von denen der erste ein rhetorisches Werk, das Daçarūpa (hg. von Hall in der «Bibliotheca Indica», Kalkutta 1865), verfaßte, der zweite es kommentierte. Von beiden giebt es auch Gedichte. Ferner schrieb damals Halājudha seinen Kommentar zu dem Chandaḥsūtra, dem Lehrbuch der Metrik, des Pingala mit eigenen Versen (hg. in der «Bibliotheca Indica», ebd. 1874); diesem Halājudha gehört auch an das Sanskritwörterbuch Abhidhānaratnamālā (hg. von Aufrecht, Lond. ¶
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1861). Ebenso lebte unter Muñdscha Dhanapāla der Verfasser des Prākritwörterbuches Pāiyalacchī (hg. von Bühler, Gött. 1878) und anderer Werke. Unter Muñdschas Nachfolger und Bruder Sindhurādscha dichtete Padmagupta oder Parimala sein mahākāvya, das Navasāhasānkacarita. Im letzten Viertel des 10. und der ersten Hälfte des 11. Jahrh. lebte der große Çaiva-Philosoph Abhinavagupta, der sich auch als Rhetoriker auszeichnete und einen Kommentar zu dem Dhvanyālōka des Ānandavardhana geschrieben hat (hg. in der «Kāvyamālā»).
Besondere Blüte [* 28] erreichte die Dichtkunst im 11. Jahrh. Sindhurādschas Sohn, Bhōdscha, ist einer der gefeiertsten Fürsten Indiens, der Held zahlreicher Sagen und Märchen. Die spätere Legende, wie sie namentlich in dem Bhōjaprabandha des Ballāla enthalten ist (vielfach herausgegeben in Indien, z. B. Kalkutta 1883 und Bombay 1883), versetzt alle berühmten Dichter Indiens, Kālidāsa, Vararutschi, Bāṇa, Majūra, Bhavabhūti u. s. w., an seinen Hof und erzählt Wunderdinge von seiner Freigebigkeit gegen die Dichter, die aus allen Ländern Indiens nach Dhar strömten.
Von den meisten der im Bhōjaprabandha genannten Dichter weiß man noch nichts, kann daher auch nicht sagen, was an der Tradition richtig ist; ebensowenig kennt man bis jetzt einen namhaften Dichter, der mit Sicherheit an den Hof des Bhōdscha versetzt werden kann. Unter ihm soll Dāmōdaramiçra gelebt haben, der die Bruchstücke eines alten Dramas zu dem Mahānaṭaka verarbeitete. Dem Bhōdscha selbst wird das rhetorische Werk Sarasvatīkaṇṭhābharaṇa zugeschrieben (hg. von Borooah, Kalkutta 1883). Bhōdscha lebte noch, als Bilhaṇa bereits ein berühmter Dichter war, der aber angiebt, nicht in Dhar gewesen zu sein.
Bilhaṇa ist ein Beispiel für die Wanderlust der Paṇḍits und zeigt, wie es möglich war, daß sich der Ruf eines hervorragenden Mannes damals schnell über ganz Indien verbreiten konnte, von Kaschmir bis ins südlichste Dekan. Die Könige beschäftigten eine große Anzahl Schreiber, und Werke, die ihnen gefielen, wurden in Hunderten von Exemplaren abgeschrieben und durch Boten überall hin verschickt. Außer Bilhaṇa gehören ins 11. Jahrh. vor allem noch der äußerst fruchtbare und vielseitige Dichter Kshēmēndra und Sōmadēva, der Verfasser des Kathāsaritsāgara, des «Oceans der Ströme der Erzählungen».
Unter den Werken des Kshēmēndra (vgl. S. Lévi, Journal Asiatique, 1885, Tl. 6, S. 399, Anm. 4; viele der kleinern Arbeiten sind jetzt in der «Kāvyamālā» herausgegeben) befindet sich auch die Bṛhatkathāmañjarī und diese ist ebenso wie Sōmadēvas Kathāsaritsāgara (hg. von Brockhaus, Lpz. 1839-66; neue Ausg., Bombay 1888; übersetzt von Tawney, 2 Bde., Kalkutta 1880-84) eine Bearbeitung in Sanskrit des ältesten, noch nicht gefundenen Märchenwerkes, der Bṛhatkathā des Guṇāḍhja, die in Pāiçācī geschrieben war.
Beide Dichter haben denselben Stoff ziemlich gleichzeitig behandelt und auch ziemlich verschieden. Sōmadēva ist ohne Zweifel der klarere und einfachere. In dieses Jahrhundert gehört wahrscheinlich noch das Drama Prabōdhacandrōdaya des Kṛshṇamiçra (hg. von Brockhaus, Lpz. 1835-45, und oft in Indien; übersetzt von Goldstücker, Königsb. 1842), ein theol.-philos. Stück, worin alle Personen allegorisch sind. Es verspottet die verschiedenen Sekten, ihre Scheinheiligkeit und Arroganz, und ist mit Witz und Schärfe geschrieben.
Am Anfang des 12. Jahrh. ist der Sitz der Dichtkunst Bengalen. Am Hofe des Königs Lakshmaṇasēna, der 1119 zur Regierung kam, lebten die «Fünf Perlen»: Gōvardhana, Çaraṇa, Dschajadēva, Umāpatidhara und Dhōī mit dem Beinamen Çruti- oder Çrutadhara, der der «König der Dichter» genannt wird. Der älteste unter ihnen, Umāpatidhara, lebte schon unter Vidschajasēna, dem zweiten Vorgänger des Lakshmaṇasēna; er verfaßte auf ihn eine Inschrift, in der er sein Lob singt, außerdem andere Gedichte, die noch nicht herausgegeben sind.
Von Gōvardhana besitzen wir die Āryāsaptaçatī, «Die 700 Strophen im Āryāsaptaçatī» (hg. Dacca 1864, und mit dem Kommentar des Ananta in der «Kāvyamālā», Nr. 1), eine nach dem Muster von Hālas in Prākrit geschriebener Sattasaī gedichtete Sammlung kleiner lyrischer Stimmungsbilder in alphabetischer Ordnung, nicht ohne Geschick gemacht. Alle überragt weit Dschajadēva, einer der glänzendsten Dichter Indiens, was Glut der Empfindung und Beherrschung von Sprache und Metrum anlangt.
Von den drei übrigen Dichtern ist nur wenig bekannt. (Vgl. Pischel, Die Hofdichter des Lakshmaṇasena, Gött. 1893, in den «Abhandlungen der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften», Bd. 39.) Das 12. Jahrh. weist noch andere hervorragende Namen auf. Genannt seien nur Kalhaṇa, der Verfasser der Rājatarangiṇī (hg. von Troyer, mit franz. Übersetzung, 3 Bde., Par. 1840-52; vollständig Kalkutta 1835; neu von Stein, Bd. 1, Bombay 1892), des einzigen größern histor.
Werkes, das man bis jetzt kennt. Sie giebt eine Geschichte Kaschmirs von seiner Entstehung an bis auf die Zeit des Verfassers (um 1120), vielfach ganz unhistorisch und märchenhaft. Dann ist zu nennen der große Polyhistor Hēmatschandra, ein Dschain, der auf fast allen Gebieten der Litteratur gearbeitet hat. (Vgl. Bühler, Über das Leben des Dschainmönches Hemachandra, Wien 1889.) Bisher sind von ihm herausgegeben zwei Sanskritwörterbücher, der Abhidhānacintāmaṇi (von Böhtlingk und Rieu, Petersb. 1847) und der Anēkārthasaṃgraha (Kalkutta 1807; neu von Zachariä, Wien und Bombay 1893), ein Prākritwörterbuch, die Dēçīnāmamālā (von Pischel und Bühler, Bd. 1, Bombay 1880), eine Grammatik der Prākritsprachen (von Pischel, 2 Bde., Halle [* 29] 1877-80), das Sthavirāvalīcarita oder Pariçishṭaparvan (von Jacobi in der «Bibliotheca Indica», Kalkutta 1883-84),
eine Sammlung von Heiligengeschichten, ein Anhang zu dem Yōgaçāstram (von Windisch, in der «Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft», Bd. 28, S. 185 fg.), eine poet. Darstellung der Ethik der Dschain.
Auch in den folgenden Jahrhunderten wurde fleißig in Sanskrit gedichtet und wissenschaftlich gearbeitet. Ins 13. Jahrh. wird der Grammatiker Bōpadēva, der Verfasser des Mugdhabōdha (hg. von Böhtlingk, Petersb. 1847), verlegt; im 14. Jahrh. blühte die klassische Litteratur im Dekan am Hofe des Königs Pratāpa Rudradēva Kākatēja in Warangal, wo der ausgezeichnete Kommentator der Epen Kālidāsas u. a., Mallinātha, und sein Sohn Kumārasvāmin, lebten, die vedische und philos. Litteratur in Vidjānagara, wo Sājaṇa die Veden kommentierte. Im 16. Jahrh. unter Kaiser Akbar und seinen Nachfolger lebten eine ganze Anzahl lesenswerter Autoren, von denen am bekanntesten ist Jagannātha, der Verfasser des Bhāminīvilāsa (hg. mit franz. Übersetzung von Bergaigne, Par. 1872), ¶
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des rhetorischen Werkes Rasagangādhara (hg. in der «Kāvyamālā», Nr. 12) und zahlreicher kleinerer Werke. Er lebte unter Dārā Shākōh, der auch 50 der vorzüglichsten Upanishad ins Persische übersetzen ließ, die Anquetil ins Lateinische übertragen hat.
Neben den Dichtungen in Sanskrit giebt es eine gewaltige Masse von Werken in den heutigen Sprachen Indiens schon vom 9. Jahrh. n. Chr. an, namentlich in Hindī, wo Cand Bardāī (um 1190), Sūr Dās (um 1550) und Tulsī Dās (um 1600) die gefeiertsten Dichter sind. (Vgl. Grierson, The modern vernacular literature of Hindustan, Kalkutta 1889.) Unter den Dichtern in Marāṭhī ist der hervorragendste Tukārāma (um 1609). Außer Volksliedern, die noch nicht gesammelt sind, besteht diese Litteratur fast ausschließlich aus Übersetzungen und Nachahmungen von Sanskritwerken und ist sachlich ohne Interesse, sprachlich aber von hohem Wert.
Eine zusammenfassende Geschichte der I. L. fehlt noch. Zu nennen sind: Max Müller, A history of ancient Sanskrit literature (2. Aufl., Lond. 1860);
A. Weber, Akademische Vorlesungen über ind. Litteraturgeschichte (2. Aufl., Berl. 1876);
L. von Schröder, Indiens Litteratur und Kultur in histor.
Entwicklung (Lpz. 1887).