Stoff
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philos. Begriff, s. Materie.
Stoff
8 Wörter, 55 Zeichen
Stoff,
philos. Begriff, s. Materie.
Materialsteuer - Mater
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Seite 11.338.(lat. materia), im allgemeinen gleichbedeutend mit Stoff, also im Gegensatz zur Form zunächst das Sachliche, Gegenständliche, der Inhalt im Unterschied von der Art und Weise der Erscheinung, Gestaltung, Behandlung der Darstellung. In diesem Sinn spricht man im gewöhnlichen Leben von der Behandlung oder Bearbeitung einer bestimmten oder unterscheidet die Form des Kunstwerks von seinem Stoff. Im philosophischen (metaphysischen) Sinn bezeichnet Materie den Grund- und Urstoff der Körperwelt, insofern er derselben gleichartig, d. h. selbst körperlich, und daher wie diese ein Gegenstand (zwar nicht unmittelbarer, aber mittelbarer) sinnlicher Erfahrung ist.
Folge davon ist, daß gewisse Formen der Metaphysik (s. d.), nämlich die nihilistische, welche gar keine Realität, die idealistische, welche das (unendliche oder endliche vorstellende) Ich als einzige Realität, die spiritualistische, welche nur geistige Realität, die Identitätslehre, welche Geist und Materie nur als verschiedene Auffassungsweisen (»Attribute«, Ansichten) derselben (an sich weder geistigen noch materiellen) Realität kennt, ebenso wie die Materie des Kritizismus, welcher die Qualität des Realen (»des Dinges an sich«) als unbekannt und unerkennbar (jedenfalls also nicht als Materie) ansieht, der Materie die wahre Realität absprechen und derselben höchstens den »Schein« einer solchen als »Attribut« der Substanz, als »Phänomen des Geistes«, als »verworrene Vorstellung«, als »Erscheinung des Dinges [oder der Dinge] an sich«) zugestehen. Da dieser Auffassung zufolge die Materie nichts Wesenhaftes, sondern ein bloßes »Scheinwesen« (phaenomenon) ist, so läuft, mit alleiniger Ausnahme der Erkenntnis dieser ihrer »Scheinnatur«, das ganze Wissen von der Materie (Physik) auf Wissen von »Scheinwesen« hinaus, das als solches mit »Scheinwissen« identisch ist.
Andre Formen der Metaphysik, wie die dualistische, welche Materie neben und außerdem Geist als Realität, die materialistische, welche als einzige Realität anerkennt, sowie die (empirische) Physik; welche dieselbe als Realität ansieht, ohne die Frage entscheiden zu wollen, ob es außer derselben noch eine andre gebe, sprechen derselben nicht bloß den »Schein« der Realität, sondern wirkliche Realität zu und betrachten das Wissen von derselben als Wissen von wahrem, nicht »Schein«-Wesen, nicht als Schein-, sondern als wirkliches Wissen.
Aus diesen entgegengesetzten Anschauungen von der Materie erklärt es sich, warum die einen (die Physiker, materialistischen und dualistischen Metaphysiker) die Erklärung der verschiedenen (physikalischen, chemischen, biologischen) Erscheinungen aus der Materie, die andern (die nihilistischen, idealistischen, spiritualistischen, Identitäts- und kritischen Metaphysiker) die Erklärung des Scheins der Materie zu ihrer Aufgabe machen. Da nun der Schein eines Objekts jederzeit ein Subjekt voraussetzt, dem er »scheint«, so ist die Aufgabe, welche die letztgenannten sich setzen, wesentlich eine psychologische, jene der erstgenannten dagegen eine physikalische und physiologische.
Kraft [unkorrigiert]
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Kraft.Die als Realität kann aber entweder (mechanisch) als (toter) Stoff ohne (thätige) Kraft, [* 3] oder (dynamisch) als (thätige) Kraft ohne Stoff, oder (hylozoistisch) als Kraft und Stoff (»keine Kraft ohne Stoff, kein Stoff ohne Kraft«),
d. h. als kraftbegabter Stoff, der Stoff selbst aber kann entweder (monistisch) als (ins Unendliche teilbares und geteiltes) Kontinuum oder (atomistisch) als aus letzten (nicht weiter geteilten oder nicht weiter teilbaren) und durch leere Zwischenräume getrennten Elementarteilchen (Korpuskeln, Molekülen, physikalischen oder chemischen Atomen) zusammengesetztes Diskretum gedacht werden. Die konstituierenden Eigenschaften der Materie aber können keine andern sein als diejenigen, welche allen Körpern ohne Unterschied zukommen.
Als eine solche betrachteten z. B. unter den Alten Thales die Feuchtigkeit, Anaximenes die Luftartigkeit, Heraklit die Veränderlichkeit,
Empedokles und Anaxagoras die Zusammengesetztheit aus der Beschaffenheit, Leukippos und Demokritos als solche aus der Gestalt
nach verschiedenen Bestandteilen, Platon das Nichtsein, Aristoteles das Möglichsein, Descartes und Spinoza die Ausdehnung,
[* 4] Newton die Schwere etc. Die hylozoistische (monistische) Auffassung der Materie bei den ionischen
Naturphilosophen machte bei Anaxagoras, Platon, Aristoteles, Descartes der (monistischen) mechanischen, bei Newton und den französischen
Materialisten, die jedes Teilchen der als mit Anziehungs- und Abstoßungskraft begabt ansahen, wieder der (atomistisch-) hylozoistischen,
bei Kant und seinen idealistischen Nachfolgern (Schelling, Hegel) der dynamischen (monistischen) Auffassung
Platz, nach welcher Materie das Produkt in Spannung versetzter entgegengesetzter Kräfte sein sollte. Die moderne Physik und der moderne
Materialismus sind zu der (atomistisch-) hylozoistischen Hypothese kraftbegabter Elementarstoff
teile zurückgekehrt. Vgl. Dynamismus
und Atomismus.
Die unter den heutigen Physikern und Chemikern verbreitetste Anschauung über die Konstitution der Materie, wie sie sich aus den atomistischen Theorien von Laplace, Ampère, Poisson, Cauchy, Redtenbacher etc. vermöge der neuesten Fortschritte der Chemie und Physik entwickelt hat, läßt sich etwa in folgender Weise zusammenfassen. Die Materie besteht aus sehr kleinen, physisch nicht weiter teilbaren Teilchen oder Atomen; jedes Atom ist unveränderlich an Masse, Volumen und Gestalt; es gibt so viele verschiedene Arten von Atomen, als es chemische Elemente gibt.
Materie, strahlende -
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Seite 11.339.Die Atome ziehen sich gegenseitig an, bei größerm Abstand nach dem umgekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernung (Gravitation), bei sehr kleinem Abstand in viel größerm Verhältnis; die letztere Anziehungskraft ist nur in unmeßbar kleiner Entfernung thätig, für größere Entfernungen wird sie unmerklich. Durch diese Anziehungskraft, welche chemische Anziehung oder Affinität genannt wird, werden die Atome zu gesetzmäßig aufgebauten Atomgruppen oder Molekülen verbunden, wogegen letztere durch die zwischen ihnen wirksame Anziehung (Kohäsion) zu einem Körper vereinigt werden. Bei physikalischen Vorgängen bleibt das Molekül unversehrt, während chemische Wirkungen in den Bau desselben verändernd eingreifen. Außer ¶
der Materie muß zur Erklärung der Naturerscheinungen noch eine von ihr völlig verschiedene, den unendlichen Weltraum sowie die Zwischenräume zwischen den materiellen Atomen erfüllende Zwischensubstanz, der Äther, angenommen werden, dessen durchaus gleichartige Atome sich gegenseitig abstoßen, von den materiellen Atomen aber angezogen werden. Vermöge dieser letztern Anziehung umgibt sich jedes materielle Atom und Molekül mit einer zu ihm gehörigen Ätherhülle.
Durch das Zusammenwirken der anziehenden und abstoßenden »Molekularkräfte« der und des Äthers wird in einem Körper, dessen Moleküle um weniger als den Durchmesser der »Wirkungssphäre« voneinander abstehen, jedem Molekül eine bestimmte Gleichgewichtslage vorgeschrieben, die es zu behaupten und nach jeder Störung wieder einzunehmen strebt. In diesem Zustand heißt der Körper fest. Die Moleküle eines festen Körpers sowie die Atome innerhalb seiner Moleküle würden jedoch nur dann in ihren Gleichgewichtslagen in Ruhe sein, wenn seine Temperatur diejenige des absoluten Nullpunktes (s. Wärme) [* 6] wäre.
Bei jeder höhern Temperatur befinden sie sich in schwingender Bewegung um ihre Gleichgewichtslagen, welche wir als Wärme empfinden. Bei der Erwärmung wird die Energie der Schwingungen erhöht und zugleich der mittlere Abstand der Moleküle vergrößert; wird der letztere dem Durchmesser der Wirkungssphäre gleich, so lassen sich die Moleküle mit Leichtigkeit gegeneinander verschieben, und der Körper ist in den flüssigen Zustand übergegangen. Bei noch höherer Erwärmung treten die Moleküle aus ihrem gegenseitigen Wirkungsbereich völlig heraus und durcheilen selbständig den dargebotenen Raum: der Körper hat alsdann den gasförmigen Zustand angenommen.
Die hiermit skizzierte Auffassungsweise stützt sich auf die drei Grundbegriffe Materie, Äther und Kraft. Es fragt sich aber, ob der Begriff des Äthers, in geeigneter Weise definiert, nicht denjenigen der Kraft bereits in sich schließt. Die dahin zielenden Spekulationen sind jedoch noch nicht zu einem solchen Abschluß gelangt, daß eine umfassende Erklärung der Naturerscheinungen auf sie gegründet werden könnte.
Vgl. Huber, Die Forschung nach der Materie (Leipz. 1877). -
In der Pathologie nennt man auch Materie den Eiter in Wunden, Geschwüren etc.