Freiheit
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Freiheit (Zeitung) - F

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Seite 57.269.in allgemeinster Bedeutung soviel wie Selbständigkeit,Unabhängigkeit von äußerm Zwang. ¶
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Frei heißt daher jede Thätigkeit, deren wesentliche Ursache in dem Dinge selbst, dem wir sie beilegen, nicht außer ihm gesucht
wird. So spricht man vom freien (d. h. durch nichts behinderten) Fall der Körper, vom freien
Fluge des Vogels, von Freiheit
der Bewegung, des Verkehrs u. s. w. Auch beim Menschen heißt Freiheit
zunächst nur
Unabhängigkeit von äußerer Gewalt, oder die Möglichkeit der Selbstbestimmung. In bestimmterm Sinne heißt bürgerliche
(politische) Freiheit
die Unabhängigkeit von despotischer Gewalt eines Einzelnen oder auch einer begrenzten Klasse, oder die Verfassung
eines Staates, gemäß welcher ein jeder Bürger desselben allein dem Staatsgesetz unterworfen ist, das selbst nur der
Ausdruck des Gesamtwillens der Bürger sein will; daher Freistaat ein Staat von republikanischer Verfassung.
Besonders wichtig aber ist der Begriff der Freiheit
auf dem Gebiete des Strafrechts im Verhältnis zu dem der Zurechnungsfähigkeit,
und auf dem Gebiete der Sittlichkeit im Verhältnis zur Frage der sittlichen Verantwortlichkeit. In beiden Fällen handelt
es sich um die Freiheit
, die wir der menschlichen Willenshandlung beilegen, um die Willensfreiheit. Eine Handlung
gilt als frei, wenn sie weder unter einem äußern (physischen) noch unter einem innern (psychologischen) Zwang geschieht.
Unter einem physischen Zwang steht z. B., wer im Zustande sinnloser Trunkenheit, der Geistesstörung u. s. w. sich befindet,
also schon aus physischen Gründen nicht Herr seiner Entschließungen ist. Ein psychol. Zwang (auch moralischer
Zwang genannt) wird z. B. ausgeübt durch Drohung; aber auch durch den Druck der öffentlichen Meinung, durch Ehrvorstellungen
bestimmter Klassen u. s. w. Positiv bedeutet Willensfreiheit
die Möglichkeit, ausschließlich
der eigenen Erkenntnis des im gegebenen Fall Rechten und Guten zu folgen.
Wird Freiheit
in diesem Sinne bei jeder sittlichen wie rechtlichen Beurteilung vorausgesetzt, so erhält der Begriff der Freiheit
eine
noch bestimmtere Bedeutung in der sittlichen Beurteilung. Für sie gilt der Mensch als unfrei schon, wenn er auch nur der
Macht der eigenen Neigungen und Begierden derart unterliegt, daß dagegen die richtige Erkenntnis des
sittlich Guten nicht aufkommt. Dieser Begriff der sittlichen Freiheit
beruht auf der Voraussetzung, daß wir ganz unsere eigenen
Herren nur sind, wofern unser Wille ausschließlich seinem eigenen innern Gesetz, dem Gesetz der Sittlichkeit, gehorcht.
Die sittliche Freiheit
deckt sich alsdann mit der Autonomie (s. d.) des sittlichen Willens.
Diese (von Kant herrührende) Fassung des Freiheit
sbegriffs stellt nicht bloß die größte Vertiefung desselben dar, sondern
überwindet zugleich die ernsten Schwierigkeiten, in die der Begriff der Freiheit
sonst gerade beim Problem des Sittlichen sich
unvermeidlich verwickelt. (S. Determination.) Die zum Behufe der sittlichen Zurechnung geforderte Freiheit
verlangt nicht,
daß die Handlung ganz und gar unverursacht sei, nicht einmal, daß sie aus durchaus eigentümlichen Ursachen in uns flösse,
die in den allgemeinen Zusammenhang der Naturursachen sich schlechterdings nicht einfügen ließen; sie verlangt nur, daß
die Handlung, sofern sie gewollt ist, d. h. die Beistimmung unsers praktischen Bewußtseins findet, zurückbezogen wird
auf ein Princip, warum sie gewollt ist, und zuletzt auf ein solches, das als unbedingt gültig, also auch durch den Naturlauf
in seiner Gültigkeit nicht bedingt betrachtet wird.
Wir, die wir einerseits, als
Naturwesen, an einer Handlung beteiligt, d. h. die wenn auch tausendfach
bedingte nächste Ursache dieses empirischen Geschehens sind, sind doch zugleich fähig und genötigt,
es unter dem ganz und gar unempirischen Gesichtspunkt des unbedingten Sollens zu erwägen; demgemäß sprechen wir uns selber,
das Vernunftwesen dem Naturwesen in uns, das Urteil, welches die Handlung verdammt oder gutheißt. Daß wir voraussetzen, wir
hätten auch anders gekonnt, heißt zuletzt nur: wir betrachten die wenn auch noch so thatsächlich wirkende,
aber doch immer empirisch bedingte Ursache der Handlung, mag sie in oder außer uns (als Naturwesen) liegen, der absoluten
Forderung des Sittengesetzes gegenüber als etwas, was nicht absolut so sein mußte, als bloß zufällig, d. h.
wandelbar, wie alles Empirische, absolut genommen, zufällig und wandelbar ist. Und doch ist dabei das
Naturgesetz weder aufgehoben noch auch nur beschränkt. Freiheit
in diesem Sinne ist unverträglich mit der Voraussetzung einer absoluten
Notwendigkeit alles natürlichen Geschehens, aber sie ist verträglich mit einer bedingten Notwendigkeit; wie denn auch die
Notwendigkeit empirischer Gesetze wirklich nur eine bedingte ist (s. Notwendigkeit). –
Vgl. J. V. von
Mayer, Von der Freiheit.
Eine philos.
Studie (Freib. i. Br. 1891).
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