forlaufend
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Im Kasfccbandel haben sich durch die etwa vor einem Jahrzehnt erfolgte Einführung des Termingeschäfts manche Wandlungen vollzogen. Zuerst wurde an der Neuyorker Börse Riokasfee auf Termin gehandelt. 1881 ging man in Havre [* 2] für die für den Kontinent wichtigste Sorte, 300a avei-a^ Aant08, zu diefer Gefchäftsart über und gründete (1882) eine Liquidationskasse. 1880 folgte Ham- burg diesem Beispiel. Folgende Zahlen kennzeich- nen die Entwicklung. Die Ausfuhr von Santos betrug, in Säcken zu 60 1^: Jahr Nach Hamburg [* 3] Nach Havrc 1876-81 1881-85 1886-91 1892 321 200 359 500 649000 851 500 181 900 520 900 489 600 503 600 Kurz darauf folgten auch London, [* 4] Antwerpen, [* 5] Amsterdam [* 6] und Rotterdam, [* 7] doch blieb an diesen Plätzen das Termingeschäft, entsprechend ihrem ge- ringern Effektivgefchäfte, erheblich hinter dem der beiden erstgenannten Plätze zurück.
Das Hamburg. Kaffee-Termingefchäft rief anfangs viele Klagen der Kasseebändler des Binnenlandes, namentlich West- deutschlands, hervor; die Unzufriedenheit echielt durch Ausfchreitungen der Spekulation (den Sep- tember-Corner von 1888) reichliche Nahrung, seit- dem aber diefe Gefchäftsform sich eingelebt, das Privatpublikum sich zurückgezogen und die Liquida- tionskasse durch verbesserte Einrichtungen der Wie- derkehr von Versuchen zur Vergewaltigung des Marktes vorgebeugt hat, sind die Klagen mcbr und mehr verstummt, zumal da bei Beseitigung dieser Einrichtungen die Vorteile derselben nur den andern Plätzen zufallen würden.
Die gefamte Kaffeezufuhr betrug 1892 in Hamburg 132 Mill., in Havre 104 Mill. kF. Die Entwicklung der Zufuhren spro Jahr in 1000t) und der Preife (pro Kilogramm in Pfennigen) gestaltete sich in Hamburg wie folgt: Jahr Zufuhr Preis 1843-50 31000 68 1851-60 37000 96 1861-70 47000 122 1871-80 73000 156 1881-90 96000 120 1891 125000 160 1892 131000 166 Einen Anhalt [* 8] für das Wertverhältnis der ver- schiedenen Sorten zueinander bieten die folgenden Hamburger Notierungen (pro Kilogramm in Pfen- nigen) vom Dez. 1893: Kaffeef 0 rten Pf. Eantos reell ordinär ! 172 Rio [* 9] reell ordinär Guatemala [* 10] Costa-Rica La Guaira Maracaibo Domingo reell ordinär 166 226 214 184 208 170 Mokka ' I 280 Java Cazengo 340 154 Der jährliche Kafseev erb rauch in den nicht produzierenden Ländern betrug auf den Kopf der Bevölkerung [* 11] im Durchschnitt der 1.1885 -89: in den Niederlanden 4,85, in Belgien [* 12] 4,02, in den Ver- einigten Staaten von Amerika [* 13] 3,79, in Norwegen [* 14] 3,48, in Schweden 3,12, in der Schweiz [* 15] 2,79, in Dänemark [* 16] 2,50, im Deutschen Reiche 2,38, in Frank- reich 1,6, in Österreich-Ungarn [* 17] 0,87, in Griechen- land 0,07, in Portugal [* 18] 0,54, in Italien [* 19] 0,52, in Groß- britannien 0,37, in Spanien 0,32, in Ruhland 0,06 K3.
Die Einfuhr in den freien Verkehr des dcutfchen Zollgebietes belief sich 1892 auf 122032 t im Werte von 196 471000 M. An Eingangszoll lSatz: 40 M. für 100 K3) wurden 48 812 800 M. erhoben, d. i. 12,4 Proz. vom gefamten Zollertrag, 96,7 Pf. auf den Kopf. Der Verbrauch betrug im ge- nannten Jahre 122 006 t, d. i. 2,4i 1(3 aus den Kopf. Zur Benutzung des Kaffee werden die Bohnen in einem verschlossenen Hohlcylinder (Kaffeetrom- mel) über fchwachem Feuer möglichst gleichmäßig geröstet, bis sie dunkelbraun geworden sind.
Beim Rösten verlieren die Kaffeebohnen je nach der Stärke [* 20] des Erhitzens 15-20 Proz. ihres Gewichts, nehmen aber durch Aufblähen etwa 30 Proz. ihres Volumens zu. Der geröstete Kaffee verliert fein Aroma ziemlich fchnell, darf daher nicht lange aufbewahrt werden. Vor dem Kochen wird der geröstete Kaffee zerkleinert lgemahlen). Bei dem Kochen des Kaffee ist eine wesent- liche Hauptbedingung, daß das Wasser, womit er übergössen wird, auch wirklich die Siedetemperatur (100" (^.) hat und nur kurze Zeit mit dem Kaffee- pulver in Berührung bleibt.
Neuerdings wird Kaffee auch mittels Kaffee-Extrakt hergestellt. In Arabien und im Orient bereitet man den Kaffee nicht immer auf die in Europa [* 21] gebräuchliche Art als Getränk. Häusig wird dort eine Abkochung un- geröstetcr Samen [* 22] getrunken, und zu dem Kaffee ü. 1a. ^u1wn6, den man dem aus Bohnen bereiteten vor- zieht, werden die Samendecken und das an diefe angetrocknete Fleifch geröstet verwendet. Der Kaffee ist kein Nahrungsmittel; [* 23] als Getränk wirkt er erregend aus das Nervensystem und be- fördert die Verdauung; doch bringt er auch bei reiz- baren Personen Vlutwallung hervor und wird Ver- anlassung zu Hämorrhoidalleiden und krampsarti- gen Beschwerden im Magen. [* 24]
Ein vorzügliches Er- frifchungs - und Stärkungsmittel giebt der Kaffee für ermüdete Reifende ab. Eine der wichtigsten Eigen- schasten, welche ohne Zweifel mächtig dazu beige- tragen hat, den Kaffee allgemein zu verbreiten und den- selben zu einem unentbehrlichen Genußmittel zu machen, ist sein scheinbares Sättigungsvermögen und die Kraft, [* 25] die geistige Thätigkeit des Menschen zu erhöhen, Wirkungen, die durch den Caffemgehalt, sowie auch durch andere, zum Teil beim Rösten erst sich bildende Bestandteile bedingt werden. Die Be- standteile der Kaffeebohne (in Proz.) sind: Bestandteile Wasser Rohrzucker Cafse'in Fette Öle Eiweißstoffe Gummi, Tannin u. Extraktstofse Nohfaser Asche Noyer Kaffee Vrockhaus' KonversationZ-Lexiton. 14. Aufl. X. 8,26 8,18 1,10 11,42 10,68 14,03 42,36 3,97 2 Gerösteter Kaffoe 0,36 1,84 1,06 8,30 12,03 26,28 44,96 5,17 ¶
mehr
18 Außer dem Caffeïn (s. d.) enthalten die Kaffeebohnen eine eigentümliche Säure, die Kaffeegerbsäure (s. d.); ferner ziemlich viel Kali und Phosphorsäure. Gesteigerter Verbrauch, mißratene Ernten und die hohen Preise des Kaffee haben die Bereitung zahlreicher Kaffeesurrogate (s. d.) veranlaßt. Auch ist der Kaffee vielen Verfälschungen unterworfen; zunächst enthält der rohe Kaffee nicht selten eine Menge groben Seesandes (Quarzgerölle), der den Bohnen der Farbe nach sehr ähnlich ist, zur Gewichtsvermehrung beigemischt.
Die ungebrannten Bohnen unterliegen vielfachen Fälschungen durch Berlinerblau, Curcuma, Chromgelb, gelben Ocker, Indig, Kupfersalze. Der weiteste Spielraum ist beim Verkaufe gebrannten und gemahlenen Kaffee dargeboten. Man trifft darin Cichorie, bereits extrahierten Kaffeesatz, gebrannten Roggen, Runkelrüben, Eicheln, Lupinen, Erdmandeln u.s.w., auch mineralische Zusätze, wie Thon, Ocker u. dgl. Auch gebrannte Kaffeebohnen werden künstlich dargestellt teils aus Thon mit gebranntem Zucker, [* 27] teils aus Mehlteig, teils aus schon ausgezogenem gebranntem Kaffee unter Zusatz von Mehlteig. (S. Verfälschungen der Nahrungsmittel.)
Geschichte. Der Gebrauch des Kaffee ist jedenfalls sehr alt. Wenn auch die Notiz, daß bereits um 875 n.Chr. in Persien [* 28] das Kaffeetrinken Sitte gewesen sei, nicht verbürgt ist, so ist es doch wahrscheinlich, daß wenigstens in Abessinien der Kaffee schon um diese Zeit bekannt gewesen ist. Ob jedoch der Kaffee schon ebensolange als Kulturpflanze gebaut wurde, ist sehr zweifelhaft, es ist vielmehr wahrscheinlich, daß eine beträchtliche Zeit hindurch nur die Samen von wildwachsenden Pflanzen benutzt wurden. Nach Arabien soll die Sitte des Kaffeetrinkens durch einen Mufti aus Aden, [* 29] der sie bei einer Reise nach Persien kennen gelernt hatte, im 15. Jahrh. eingeführt worden sein. 1517 soll zum erstenmal der Kaffee nach Konstantinopel [* 30] gebracht worden sein und zwar durch Sultan Selim nach der Eroberung von Ägypten, [* 31] 1551 wurde in dieser Stadt bereits das erste öffentliche Kaffeehaus eingerichtet.
Das erste Kaffeehaus im Occident wurde 1645 in Venedig [* 32] errichtet; die erste Nachricht von der Wirkung des Kaffee als Arznei war durch Prospero Alpino 1592 nach Italien gelangt. In England wurde das erste Kaffeehaus zu Oxford [* 33] 1650, ein zweites in London 1652 errichtet. In Frankreich entstanden zuerst um 1659 in Marseille [* 34] Kaffeehäuser, in Paris [* 35] schlug zuerst in der Vorstadt St. Germain ein Armenier in den siebziger Jahren des 17. Jahrh. eine Kaffeebude auf. Das erste eigentliche Kaffeehaus daselbst war aber das um 1725 von dem Sicilier Procopio gegründete Café Procope. In Wien [* 36] erhielt ein Pole das erste Privilegium zur Anlegung eines Kaffeehauses.
Von Frankreich aus scheint sich der Gebrauch des um 1670 nach Deutschland [* 37] verbreitet zu haben. 1675 kannte man ihn bereits am Hofe des Großen Kurfürsten von Brandenburg. [* 38] In Hamburg entstand das erste Kaffeehaus 1679, von einem engl. Kaufmann gegründet; in Berlin [* 39] 1721. Friedrich II., ein entschiedener Gegner des Kaffee, ließ Staatskaffeebrennereien errichten und machte 1781 den Kaffeehandel zum Monopol. In Württemberg [* 40] machte der berüchtigte Jude Süß 1736 das Recht, Kaffeehäuser zu halten, zu einem Monopol und verpachtete es wie andere Gewerbszweige an den Meistbietenden.
Die erste Anpflanzung des in Kolonien außerhalb Afrikas und Arabiens geschah durch den Gouverneur von Batavia, [* 41] van Hoorn, auf Veranlassung des Bürgermeisters von Amsterdam, Nicolas Witsen, 1690 auf Java; die dort verwendeten Pflanzen waren aus Arabien dahin gebracht worden. Von diesen Plantagen gelangten 1710 mehrere Exemplare nach Europa und wurden hier in botan. Gärten, z.B. in Amsterdam, mit gutem Erfolg kultiviert. Der ersten Anpflanzung in Java folgten bald mehrere Versuche, den Kaffee auch in andern Ländern zu kultivieren; so brachten die Holländer 1718 denselben nach Surinam, die Franzosen 1725 nach Cayenne, 1720 oder 1723 nach Martinique, 1730 nach Guadeloupe und gegen Ende des 18. Jahrh. gehörte der Kaffee schon zu den verbreitetsten Kulturpflanzen innerhalb der Tropen.
Litteratur. John Ellis, An historical account of coffee (Lond. 1774);
H. Welter, Essai sur l'histoire du café (Par. 1868);
Fuchs, [* 42] Die geogr. Verbreitung des Kaffeebaums (Lpz. 1886);
Arnold, Coffee, its cultivation and profit (Lond. 1886);
Semler, Tropische Agrikultur, Bd. 1 (Wismar [* 43] 1886);
Brougier, Der Kaffee, dessen Kultur und Handel (Münch. 1889);
Bayerdörffer, Der Kaffeeterminhandel, (in Conrads «Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik», Bd. 56, 1891).