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versunken. Der Indianer Perus (vor der Zeit der spanischen Eroberung lebensfrischer und heiterer, wie schon die Schätze seiner dramatischen und lyrischen Poesie zeigen) ist jetzt ungemein finster, verschlossen, ungesellig, zanksüchtig, träge und von Haß gegen die Weißen erfüllt; noch ungünstiger lauten die Urteile der Reisenden über den Charakter der Mestizen. Die peruanischen Kreolen (Nachkommen von Spaniern) besitzen eine gewisse feine äußere Bildung, sind aber ebenfalls träge und entnervt und stehen meist unter der Herrschaft ihrer durch lebhaften Geist ausgezeichneten Frauen.
Durch größere Energie zeichnen sich die Neger und ihre Mischlinge aus. Zu den Nationalvergnügungen der Peruaner gehören vorzugsweise Hahnenkämpfe und Stiergefechte; der Genuß von Branntwein ist allgemein und zwar bei beiden Geschlechtern verbreitet. Die allein herrschende, durch die Verfassung anerkannte und geschützte Religion ist die katholische, doch wird die Ausübung andrer Kulte wenigstens in den größern Städten geduldet. Im J. 1876 gab es 5087 Protestanten, 498 Juden und 27,073 Seelen andrer Konfession.
Die Republik zerfällt in ein Erzbistum (Lima, [* 2] seit 1541) und 7 Bistümer: Chachapoyas, Trujillo, Ayacucho, Cuzco, Arequipa, Huanuco und Puno (die beiden letztern erst 1861 gegründet). Das Patronat über die Kirche übt der Präsident der Republik aus, dessen Zustimmung auch die päpstlichen Bullen und Breven bedürfen. Die ehedem sehr reiche Kirche hat seit der Emanzipation außerordentlich von ihrem Reichtum eingebüßt und auch mehr und mehr ihren moralischen Einfluß auf das Volk verloren.
Die Zahl der Klöster, einst erstaunlich groß, war 1860 auf 130 zusammengeschmolzen und hat sich seitdem noch bedeutend vermindert. Die ehemals so wichtigen Missionen (Jesuiten und Franziskaner) unter den Indianern am obern Huallaga, Ucayali, Urubamba etc. sind ebenfalls längst eingegangen. An Wohlthätigkeitsanstalten ist Peru [* 3] arm; man zählte 1858 im ganzen Staat nur 36 Hospitäler. Auch mildem Unterrichtswesen, welches fast ganz in den Händen der Geistlichen liegt, ist es noch mangelhaft bestellt trotzdem, daß der Schulbesuch obligatorisch sein soll und die von den Gemeinden unterhaltenen Schulen frei sind.
Seit 1855 besteht eine Generalstudiendirektion, unter welcher Departements-, Provinzial- und Kommunalkommissionen stehen. Von den höhern Bildungsanstalten sind vor allen die Universitäten in Lima (die älteste in Amerika), [* 4] Cuzco und Arequipa zu nennen. Wichtiger und von Bedeutung für die Volkserziehung sind die höhern Schulen (colegios), deren es 1860: 30 öffentliche und 38 private gab (darunter 17 für weibliche Zöglinge). Für die Bildung der Geistlichen sorgen geistliche Seminare in den Hauptstädten der Diözesen; Elementarschulen zählte man 1860 in ganz Peru nur 790 (davon 288 Privatschulen).
Von größern Instituten für Wissenschaft und Kunst ist fast nur die 1864 gegründete Bergbau- und Ingenieurschule in Lima und von größern Bibliotheken ebenfalls nur die in Lima zu nennen; die ehemalige, für Geographie und Ethnographie [* 5] wichtige Bibliothek des Kollegiums der Missionäre von Ocopa ist nach der Aufhebung desselben (1823) zerstreut worden. Unter solchen Umständen ist es erklärlich, daß auch die wissenschaftliche Thätigkeit in Peru sehr gering ist. Während unter der spanischen Herrschaft verhältnismäßig große Mittel für die Wissenschaften, namentlich die physikalischen, aufgewendet wurden, kommt das, was die republikanische Regierung bisher auf wissenschaftliche Erforschung des Landes verwendet hat, gar nicht in Betracht.
Ackerbau und Viehzucht.
Der Ackerbau hat sich trotz der Zentralackerbaugesellschaft (seit 1860) noch wenig gehoben. Wie erwähnt, gedeihen in Peru alle Kulturgewächse der tropischen und der gemäßigten Zone; angebaut aber wurden sie bisher kaum bis zum Betrag des eignen Bedarfs. Seit neuerer Zeit liefert nur die Kultur des Zuckerrohrs und der Baumwolle [* 6] bereits erwähnenswerte Exportartikel, zu denen sich bald auch Weizen, Kakao etc. in größern Mengen gesellen werden. Am bedeutendsten ist der Landbau auf der Sierra.
Man kultiviert Mais, Weizen, Reis, Bohnen (Purutu), Quinoa und Knollengewächse, besonders treffliche Kartoffeln, aus denen auch Chupe (zerschnittene Kartoffeln mit spanischem Pfeffer und wässeriger Brühe), die gewöhnliche Speise der Indianer und Mestizen, bereitet wird; von sonstigen wichtigen Kulturpflanzen besonders Zucker, [* 7] Kaffee, Kakao (6800 Ztr.) und Tabak. [* 8] Zuckerrohr wird vorzugsweise in der Küstenregion auf künstlich bewässertem Boden gebaut; 1841 kannte man in Peru noch keine Zuckerausfuhr, 1873 wurden nach England allein 325,600 Ztr. Zucker geliefert, 1886-87 war der Ertrag 55,000 metr. Ton. Auch die Ausfuhr von Baumwolle ist bereits auf 120,000 Ztr. gestiegen.
Ferner zieht man die Weinrebe in den Thälern von Pisco und Ica, wo man jetzt einen trefflichen Wein bereitet und ausführt, während früher die Trauben nur zu Branntwein verwendet wurden. Auch Kochenille findet sich; Oliven wachsen in Menge bei Arequipa. In der fruchtbaren, aber ganz unkultivierten Region des Ostens ist nur der Anbau von Koka (Erythroxylon Coca) von Bedeutung, deren Genuß (man kaut die Blätter) wegen seiner nervenerregenden Wirkung dem Indianer unentbehrlich ist; die beste Koka in Peru wächst in der Provinz Carabaya.
Unter den für Peru wichtigen Produkten des Waldes steht die Fieberrinde obenan, obschon sich infolge vielfacher Verfälschungen der Absatz sehr verringert hatte. Man unterscheidet zwei Hauptregionen edler Cinchonen: die Huanucoregion (mit acht Spezies und Spielarten, seit 1778 ausgebeutet) am Abfall der Andes in der Provinz Huanuco, welche die »rote Rinde« liefert, und die Calisayaregion in der Provinz Carabaya (vom deutschen Botaniker Handel entdeckt),
welche die »gelbe Rinde« erzeugt. Die edelsten Sorten beider Regionen sind von den Engländern neuerdings nach Ostindien [* 9] verpflanzt worden. Von den sonstigen Waldprodukten, ausgenommen etwa die Sassaparille, kommt wenig in Handel. Eine Klasse von Indianern beschäftigt sich viel mit Einsammeln von Kräutern, Balsamen (Peru-, Tolu- und Kopaivabalsam) und von wohlriechenden Harzen, die sie im Land selbst verkaufen.
Die Viehzucht [* 10] ist von Bedeutung, wennschon nicht in den Viehgattungen (Rindvieh und Pferden), deren Zucht in andern Ländern Südamerikas die größte volkswirtschaftliche Wichtigkeit erlangt hat. Rindviehzucht wird vielmehr nur im kleinen, vorzüglich zur Gewinnung von Käse, betrieben. Wichtig ist dagegen die Zucht der einheimischen Auchenien (Lama und Alpako) und die Schafzucht, die sich jedoch auf das Hochland beschränken, wo das Ichugras die Hauptnahrung für diese Tiere bildet. Das Lama, welches vollkommen gezähmt ist, während das Alpako in halbwildem Zustand lebt, wird am meisten in den Südprovinzen Puno, Cuzco und Ayacucho gezüchtet; es dient besonders zum Warentransport. Der Hauptnutzen des Alpako besteht in seiner Wolle. Nicht gezähmt sind das Huanako und die Vicuña. Letztere leben in Scharen von 10-15 Weibchen mit einem ¶
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Männchen und halten sich in der nassen Jahreszeit auf den sterilen Kordillerenkämmen auf, während sie in der kalten in die Punathäler herabsteigen, wo die Indianer sie in Menge zu fangen und zu erlegen wissen. Ihr Fleisch gibt gedörrt ein wohlschmeckendes Gericht (charquican), und aus ihrer Wolle werden sehr feine Gewebe [* 12] und dauerhafte Hüte verfertigt. Die Schafe [* 13] bleiben das ganze Jahr hindurch in der strengen Puna, wo die größern Viehhöfe nicht selten Herden von 60-100,000 Stück haben. Ihre Wolle ist fein, wird aber meist im Gebirge selbst zu einem groben Zeug (bayeta) verarbeitet. Bei gehöriger Zucht und Pflege könnten das Alpako, das Lama, das Schaf [* 14] und selbst die Vicuña allein Peru reich machen; gegenwärtig liefern sie nur mäßige Ausfuhrprodukte.
Industrie und Handel.
Die Industrie ist höchst unbedeutend. Nennenswerte Fabriken sind gar nicht vorhanden, und selbst die ehedem bedeutende Hausindustrie der Indianer ist sehr gesunken. Ihr Bedarf an Woll- und Baumwollkleidern wird gegenwärtig von England und Nordamerika [* 15] importiert. Doch sind die Indianer in der Weberei [* 16] geschickt und liefern auch jetzt noch sehr schöne und feine Gewebe (besonders in Tarma und Umgegend), außerdem feine Flechtwerke aus Palmenfasern, Hüte und Zigarrentäschchen, desgleichen Gold- und Silberarbeiten und Leder.
Auch für Handwerke und selbst für die Kunst haben sie Geschick, allein ihre große Trägheit läßt sie es zu nichts bringen. Die von den Europäern wiederholt angelegten Fabriken sind aus Mangel an Arbeiten immer wieder eingegangen. Von Bedeutung ist aber noch der Bergbau, [* 17] namentlich der Silberbergbau von Cerro de Pasco. Das Silber kommt teils gediegen und oft in großen Massen vor, teils als Pacoserze (Gemische von reinem Silber mit Brom- und Jodsilber), ferner als Polvorilla (pulverförmiges Schwefelsilber und Kupfer). [* 18]
Diese Erze sind sehr reich und geben zuweilen 80 Proz. Silber. Gegen früher ist der Ertrag sehr gefallen. Es wurden eingeschmolzen im Jahresdurchschnitt 1805-1809: 110,571 kg, 1826-30: 52,649 kg, 1862: 53,556 kg, 1877: 44,398 kg, 1884 aber wieder 55,100 kg. Nach Vollendung der Eisenbahn wird das Silbererz zum Schmelzen nach Europa [* 19] ausgeführt oder Brennmaterial eingeführt werden. Die Ausbeutung des Goldes, das sich vorzugsweise im O. der Andes, im Gebiet der Quellflüsse des Rio [* 20] Purus, findet, ist eine sehr schwierige; seit 1861 läßt eine Gesellschaft die Minen von Carabaya bearbeiten.
Von 1630 bis 1803 betrug die Ausbeute an Gold [* 21] und Silber 5094 Mill. Mk.; Gold wurde 1826-33 zu Lima im Wert von 83 Mill. Mk. geprägt. Neuerdings baut man auch auf Kupfer, wovon jährlich 54,000 Ztr. nebst 8400 Ztr. Zinn nach England ausgeführt werden; die ehemals berühmten Quecksilberminen von Huancavelica und Chonta in der Provinz Tarma, welche 1571-1790 jährlich 4751 Ztr. lieferten, geben jetzt kaum noch 2000 Ztr. jährlich. Von dem reichlich vorhandenen Salz [* 22] (namentlich am Rio Huallaga) wird auch zur Ausfuhr gewonnen; ebenso Salpeter (bei Tarma).
Endlich sind Steinkohlen bei Huallanca, Cerro de Pasco etc. entdeckt worden. Dagegen hat Peru mit den Provinzen Tacna und Tarapacá seine ergiebigen Salpeterlager verloren, und auch die Guanoinseln (die übrigens teilweise abgebaut sind) sind in den Besitz Chiles übergegangen. Doch kommt auch auf dem Festland (Independenciabai) Guano vor. Bisher standen dem Bergbau, insbesondere dem Silbergbau ^[richtig: Silberbergbau], die meist sehr ungünstige Lage der Gruben auf entlegenen, schwer zugänglichen, unwirtlichen und ganz holzlosen Gebirgen, der Mangel an Straßen, Maschinen und tauglichem Personal wie an Kapital und Kredit hindernd entgegen. Die Anlegung von Eisenbahnen wird ihn von neuem beleben.
Der Handelsbetrieb litt noch mehr als der Bergbau unter dem Mangel gebahnter Straßen, wodurch der Verkehr zwischen den Seehäfen und den bevölkertsten Teilen des Landes, der Sierra, außerordentlich erschwert und verteuert wurde; von den fruchtbaren Thälern des Ostens konnten die Produkte, außer der Koka, geradezu nicht ausgeführt werden. Diese Übelstände, welche das Aufblühen des Staats hinderten, veranlaßten 1868 den Beschluß, nachdem bereits die kleinen Bahnen Lima-Callao (1851), Lima-Chorillos (1859) und Arica-Tacna (1854) gebaut worden waren, ein Eisenbahnsystem in großartigem Stil herzustellen.
Die reichen Einnahmen des Staats vom Guano und zwei ausländische Anleihen schafften die nötigen Mittel; in dem Nordamerikaner Henry Meiggs fand sich zur rechten Zeit ein kühner Unternehmer, und der Ingenieur Malinowski verstand es, die technischen Schwierigkeiten zu überwinden, namentlich die Hauptbahnen in scharfem Anstieg vom Meeresstrand bis zu Paßhöhen von 4769 und 4470 m zu führen. Das peruanische System besteht aus einer Längsbahn, die, mit der Küste parallel laufend, Huacho über Lima mit Pisco und Ica verbinden soll, 11 Bahnen, welche von 15 Hafenstädten ausgehen und den Reichtum der Sierra an Zucker, Getreide, [* 23] Wolle, Metallen, Salpeter etc. dem Welthandel zuführen, und aus 2 transandinischen Bahnen, die von Callao (Lima) und von Mollendo (Arequipa) aus auf das an Erzen, Getreide und Wolle reiche Hochland steigen, auf dem Hochland sich verzweigen und bis zu den schiffbaren Zuflüssen des Marañon fortgesetzt werden sollen.
Vorderhand sind aber (1886) von diesem ausgedehnten Netz erst 2600 km dem Verkehr übergeben worden, darunter die kühne Andesbahn, welche von Mollendo bis Puno am Titicacasee führt. Wenn nun auch bei der Höhe der Kosten (180 Mill. Soles) und der Eile der Ausführung diese Bahnen vorläufig zum Teil nur geringen Ertrag geben, so wird doch durch dieselben der Wohlstand des Landes fester begründet werden. Ebenso ist die Wichtigkeit des Amazonenstroms (s. d.) für den peruanischen Handel erkannt und diese Wasserstraße bereits durch Traktate mit Brasilien [* 24] (1851 und 1858) für den Handel eröffnet worden.
Auch für Hebung [* 25] des Handels an der Südseeküste ist in neuester Zeit durch bedeutende Hafenbauten, namentlich in Callao, Mollendo, Iquique, Cerro-Azul und bei Huaman, mehr gesorgt worden. Der auswärtige Handel geht noch fast ausschließlich über die Häfen an der Südsee. Der Gesamtwert der Ausfuhr betrug 1877: 39,710,202 Soles (darunter 279,984 Ton. Guano im Wert von 8,075,927 Soles und 4,580,357 Ztr. Salpeter), 1884 dagegen nur 7,958,625 Soles. Die Ausfuhr von Guano hatte ganz aufgehört, die von Salpeter war sehr gefallen, und nur Zucker, Alpako- und Vicuñawolle, Baumwolle und Metalle behaupteten den alten Rang. Die Einfuhr fiel 1877-84 von 24,179,095 auf 11,064,744 Soles, und von letzterer Summe kamen 2,688,677 Soles auf Nahrungsmittel, [* 26] 1,976,581 auf wollene und 1,176,113 auf baumwollene Waren. Die bei der Einfuhr am stärksten beteiligten Länder sind Großbritannien, [* 27] Frankreich und Chile. [* 28] Großbritannien liefert vorzüglich Baumwollwaren, Frankreich Seidenwaren, feine Kurzwaren, Seife und Parfümerien, Wein etc., Chile Eßwaren. Außerdem ¶