Eroberung
,
die gewaltsame Vereinigung eines Staatsgebiets mit einem andern. Den Gegensatz bildet die dauernde Verbindung eines Landes mit einem andern Staatswesen auf friedlichem Weg, sei es dadurch, daß dem Staatsoberhaupt des letztern durch Erbgang die Thronfolge im erstern eröffnet wird, sei es durch einen freiwilligen Anschluß. Freilich erfolgt eine solche Aufgabe der staatlichen Selbständigkeit regelmäßig nur unter einem gewissen Druck, so daß von Freiwilligkeit im vollsten Sinn des Wortes kaum die Rede sein kann.
Dies gilt namentlich von der
Deditio
(Übergabe), welche im römischen Staatswesen eine so bedeutende
Rolle spielte. Aber immerhin
fehlt das bei der Eroberung
charakteristische Merkmal eines offenbaren und direkten
Zwanges durch die feindliche Übermacht. Die
Eroberung
ist gewissermaßen die positive Seite des
Kriegs, indem durch einen solchen auf der einen Seite ein
Staatswesen zerstört, auf der andern aber eine neue staatliche
Organisation im Anschluß an die siegreiche
Staatsgewalt geschaffen
wird.
Erodieren - Eröffnung

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Seite 5.812.
Weiter ist aber auch noch die
Okkupation eines bisher herrenlosen Landstrichs oder eines Gebiets, welches wenigstens noch
nicht unter einer organisierten und zivilisierten
Staatsgewalt stand, von der Eroberung
zu unterscheiden. Der
Begriff der Eroberung
bedarf aber auch noch insofern der nähern Begrenzung, als es das ganze Gebiet des besiegten
Staats sein muß, auf welches sich eine Eroberung
im eigentlichen
Sinn des
Wortes erstreckt, und als es sich um ein dauerndes
Verhältnis
der Abhängigkeit dabei handeln muß. So entsteht der
Gegensatz zwischen einer feindlichen
Invasion und
¶
mehr
einer Eroberung
, d. h. zwischen einer vorübergehenden Besetzung eines Teils des Staatsgebiets
durch die feindliche Macht und der dauernden Unterwerfung des ganzen Landes unter die obliegende Staatsgewalt. Ebenso ist die
Okkupation (in diesem Sinn) eines Teils des Staatsgebiets, welche als Exekutionsmittel behufs Beitreibung von Kriegskontributionen
und als Pfand der Erfüllung von Waffenstillstands- und Friedensbedingungen vorkommt, von der Eroberung
verschieden.
Endlich handelt es sich bei der Eroberung
auch nicht um die Annexion (s. d.) eines Teils des feindlichen Staatsgebiets, sondern um
die vollständige Aufhebung der bisherigen Selbständigkeit des feindlichen Staatsganzen.
Geschichtskarten von D

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Deutschland.
Man spricht in dem letztern Fall, in dem also eine eigentliche Eroberung
vorliegt, im Völkerrecht auch wohl von
einer Debellation (debellatio, plena victoria). Eine solche trat z. B. 1866 gegenüber den
besiegten Staaten Hannover,
[* 3] Kurhessen, Nassau und Frankfurt
[* 4] a. M. ein, während es sich 1871 bei der Abtretung von Elsaß-Lothringen
[* 5] an Deutschland
[* 6] um eine eigentliche Eroberung
im völkerrechtlichen Sinn nicht handelte. Indessen pflegt man im
gewöhnlichen Sprachgebrauch so streng nicht zu unterscheiden. Insbesondere wird der Ausdruck Eroberung
wohl auch von der Aneignung
von Staatsgut gebraucht, welches der Sieger für sich in Beschlag nimmt, sowie vom Beutemachen im Krieg überhaupt (s. Beute).
Vgl. Holtzendorff, Eroberung
und Eroberungsrecht (Berl. 1872).