Thäler
,
verschieden gestaltete Einsenkungen der
Gebirge und Durchfurchungen der
Plateaus. Ist die
Entfernung der begrenzenden
Gesteinswände, der Gehänge (welche als rechtes und linkes im
Sinn eines mit dem
Gesicht
[* 2] dem Thalausgang zugekehrten Beobachters
unterschieden werden), eine geringe, und ist der
Winkel,
[* 3] unter welchem die Gehänge ansteigen, ein großer,
dem rechten sich nähernder, so entstehen Schluchten,
Gründe,
Klammen,
Cañons (s. d.). Die beiden Gehänge laufen häufig
selbst bei gewundenen Thälern
einander parallel, so daß ein ausspringender Teil des einen Gehänges (Thalsporn) einem einspringenden
des andern (Thalwinkel) entspricht.
Nähern sich die beiden Gehänge, so entstehen Thalengen; verlaufen sie annähernd in einer Kreislinie,
so entstehen Thalweitungen
(Bassins,
Becken,
Zirkus und, wenn die Gehänge steil abfallen, Thalkessel). Der allgemeine
Lauf der
Gebirgsthäler
steht entweder ungefähr senkrecht zur allgemeinen
Erstreckung des Gebirgskammes (Querthäler
, Thäler erster
Ordnung),
oder es laufen die Thäler
etwa parallel zu dem Hauptkamm des
Gebirges (Längsthäler
, Thäler zweiter
Ordnung).
Thäler
, deren allgemeine
Erstreckung eine zwischen diesen beiden vermittelnde
Richtung einhält, hat man Diagonalthäler
genannt.
- Ein bei der
Bildung der Thäler
nie ganz fehlendes, mitunter allein wirkendes
Agens ist der erodierende Einfluß des strömenden
Wassers.
Denkt man sich einen zunächst vollkommen unverritzten Bergabhang, an welchem Wasser herabströmt, so wird im Anfang dort das Wasser am energischten angreifen, wo die einzelnen dünnen Wasserstränge zu einem mächtigern Bergstrom zusammentreten. Bei fortgesetzter Thätigkeit wird sich bald ein oberer und unterer Teil des Wasserlaufs unterscheiden lassen. Im obern, dem Berggebiet, schäumt der Bergstrom auf stark geneigter Thalsohle dahin, zertrümmert das ihm entgegenstehende Gesteinsmaterial und führt es hinweg.
In dem untern Teil, dem Thalgebiet, wird der in weniger geneigtem
Terrain zum
Fluß verlangsamte Bergstrom einen Teil des im
Oberlauf aufgewühlten
Materials wieder absetzen, seine erodierende Thätigkeit im wesentlichen nur bei
Hochwasser und nur
im
Sinn der Erweiterung, nicht der Vertiefung des
Thals äußern. In solchen breiten Thälern
läßt sich
neben dem im eignen
Material eingewühlten Flußbett ein Inundationsgebiet, von
Terrassen (Hochufern) begrenzt, unterscheiden,
das
Produkt gelegentlicher
Hochwasser. Je länger die
erodierende Thätigkeit anhält, desto größere
Strecken wird die
Ausbildung
des Thalgebiets annehmen, desto weiter nach rückwärts, dem
Kamm des
Gebirges näher, wird der Oberlauf
mit seiner starken
Neigung der Thalsohle sich eingraben. Im obersten Wasserlauf, nahe dem
Kamm des
Gebirges, ist ein weiter
Thalkessel, oft mit steilen, fast senkrechten Felswänden, vorhanden (in den
Pyrenäen Oules geheißen), über welche sich
bei zur
Bildung günstiger Gesteinsbeschaffenheit
Wasserfälle in die Tiefe stürzen.
Paß (in der Baukunst)
![Bild 62.936: Paß (in der Baukunst) - Passaglia [unkorrigiert] Bild 62.936: Paß (in der Baukunst) - Passaglia [unkorrigiert]](/meyers/thumb/62/62_0936.jpeg)
* 4
Paß.
Der
Ausgang aus dem
Kessel ist gewöhnlich stark verengert, schluchtartig, und erst nach abwärts erweitert
sich dann die Thalbildung in der
Region des nicht mehr stürmischen, sondern ruhigen Wasserlaufs.
Werden in der geschilderten
Weise auf den zwei einander entgegengesetzten Abhängen eines
Gebirges Thäler
ausgewaschen, so wird das letzte
Stadium in einer
teilweisen Abtragung des Gebirgskammes bestehen. Statt eines steilen Randes, der die beiden auseinander
strahlenden Thäler
trennt, wird ein kleines
Plateau, tiefer gelegen als der
Kamm des
Gebirges
(Paß),
[* 4] dieselben vielmehr verbinden.
Ganz ähnlich wie die geschilderte
Bildung der Gebirgsthäler
verläuft der
Prozeß bei dem Einsenken der Thäler
in die
Plateaus.
Abweichungen können zunächst durch Verschiedenheiten in den zu durchbrechenden
Gesteinen begründet sein.
Wälle härtern
Materials werden hemmend einwirken, das
Thal
[* 5] sperren und zu Thalerweiterungen dadurch Veranlassung geben, daß
sich das
Wasser hinter ihnen seeartig ausbreitet, bis der
Wall durchnagt ist und der
Fluß in
Stromschnellen den vorher sperrenden
Wall durcheilt.
Werden ferner weiche, der Erosion [* 6] leicht zugängliche Gesteine [* 7] durch eine härtere Bank bedeckt, so wird dort eine Thalschwelle mit Wasserfällen entstehen, wo die weichern Gesteine zuerst verritzt werden. Durch Unterwaschung wird das härtere Material stückweise abbrechen und nachsinken, die Thalschwelle ruckweise nach dem Oberlauf zu weiter und weiter zurückreichen. Ein oft citiertes Beispiel für solche Verhältnisse bietet der Niagara dar. Der Erosion kann aber auch der Weg durch Dislozierung der Gesteinsschichten vorgeschrieben sein, so daß am fertigen Gebirgsthal zwar die Erweiterung und endgültige Gestaltung auf Rechnung der Erosion fallen, die erste Anlage und Richtung aber in dem allgemeinen Bau des Gebirges begründet sind.
Querthäler
sind häufig erweiterte Querspalten des
Gebirges (Klusen,
Klausen); Längsthäler
laufen mitunter
die
Grenze zwischen zweierlei
Schichten entlang, die gegen den
Kamm des
Gebirges zu ansteigen. Es zeigen diese letztern (Scheidethäler
,
isoklinale Thäler
, Komben) an den beiden Gehängen verschiedenes
Gestein und nur auf dem einen Abhang einen steilen Absturz, während
der
Sinn des
Einfallens der
Schichten rechts und links der gleiche ist. Längsthäler
können ferner in der
Richtung der Sattellinie des
Sattels eines Schichtensystems (s.
Schichtung) verlaufen, dessen oberste
Schichten bei der Dislozierung
zerrissen wurden.
Thalerhumpen - Thalloc

* 8
Seite 15.619.Solche Gewölbthäler (Hebungsthäler, antiklinale Thäler) werden an beiden Gehängen einerlei Folge der Gesteine erkennen lassen, deren Schichten von der Thallinie aus nach beiden Seiten einfallen. Muldenthäler (Senkungsthäler, synklinale Thäler) verlaufen der Muldenlinie einer Mulde (s. Schichtung) entlang; hier werden die Gesteinsschichten der Gehänge nach der Thallinie zu einschießen. Ferner kann die zwischen zwei ungefähr parallel verlaufenden Lavaströmen entstehende Einsenkung (interkolliner Raum) eine Thalbildung ¶
mehr
veranlassen. Besondere Thalformen zeigen auch einzeln stehende Berge vulkanischen Ursprungs. Nach Erlöschen der vulkanischen Thätigkeit senkt sich häufig an der Stelle des zentralen Kegels ein tiefes Kesselthal (Caldera, Caldeira) ein, von welchem aus mitunter ein den Ringwall durchbrechendes Hauptthal nach außen führt, und gleichzeitig wird auch der äußere Mantel von radial ausstrahlenden Rillen (Barrancos) durchfurcht werden (vgl. Vulkane). [* 9] Der Form nach stehen der Calderabildung nahe die hinsichtlich der Entstehungsweise noch streitigen Maare (s. Vulkane) als Einsenkungen in vulkanische Plateaus oder doch in der Nähe vulkanisch gebildeter Lokalitäten, und ganz ähnliche Thäler, in Plateaus rein sedimentärer Gesteine eingesenkt, liefern Unterwaschungen und die von ihnen veranlaßten Erdfälle.