In der neuern Zeit wurde die
Lehre
[* 3] von
Malthus unter dem
Titel »Neumalthusianismus« in eigenartiger
Weise von einer
Gesellschaft,
der
Malthusian League, vertreten, welche im
Interesse der Erleichterung für Eltern und
Volk
(Last des
Haushalts, kleine Erbteile
bei großer Kinderzahl) bewußte Beschränkung der Kinderzahl in der
Ehe durch präventiven Geschlechterverkehr
(Zweikindersystem) predigt, ohne jedoch zu bedenken, daß ihre
Lehren
[* 4] gerade bei dem Teil der Bevölkerung unwirksam sind, von welchem
die eigentliche Volksvermehrung ausgeht, bei den untern
Klassen, während uns von seiten des besser situierten Teils nie eine
eigentliche
Übervölkerung droht.
Eine
Bevölkerungspolitik, welche auf Wachstum der Bevölkerung bedacht ist und durch verkehrte
Maßregeln (falsche
Armenpflege) leicht nur zur Entstehung einer unselbständigen, krankhaften Bevölkerung (Proletariat) Veranlassung
gibt, wird von
Malthus als unnütz und schädlich verworfen. Die
Natur sorge schon von selbst für eine genügende Bevölkerung. Darum
solle der
Staat nur gegen drohende
Übervölkerung einschreiten durch Beschränkung leichtsinniger Eheschließungen,
vernünftige Armengesetze etc., welchen
Forderungen die praktische
Politik durch verschiedene Beschränkungen auch vielfach
entsprochen hatte (Heiratserschwerung durch Verpflichtung zum Nachweis genügender Erwerbsfähigkeit, durch Festsetzung eines
hoch gegriffenen
Normaljahrs,
Förderung der
Auswanderung etc.). Die gegen
Malthus erhobenen
Einwendungen waren meist verfehlt.
Die optimistisch-utilitaristische Weltanschauung der Theologen begnügte sich mit dem Hinweis auf das
biblische
Wort:
»Seid fruchtbar und mehret euch«; Sozialisten vermeinten, eine bessere
Organisation derGesellschaft werde auch
schon alle nötigen Existenzmittel liefern, eine optimistische und unerwiesene Behauptung, welche erst in der
Ansicht eine
beachtenswerte
Stütze erhielt, eine Zügelung in der Volksvermehrung trete ohne Mitwirkung des menschlichen
Willens von selbst durch ein
Naturgesetz ein, da die
Fruchtbarkeit der
Menschen um so mehr abnehme, je besser sie sich nährten
(Doubleday, Sadler), bez. da die
Entwickelung des
Nervensystems und der geistigen Thätigkeit im umgekehrten
Verhältnis zur
Fortpflanzungsfähigkeit stände und die
Menschen sich um so weniger vermehrten, je mehr sie sich geistig
entwickelten
(Carey,
Spencer).
Die Richtigkeit dieser
Theorien bedarf jedoch noch der Bestätigung, während die Hauptzüge der Malthusschen Bevölkerungslehre
mit den nötigen Verbesserungen, wie sie
Psychologie und
Statistik an die
Hand
[* 5] geben, allgemein anerkannt sind. Nicht so die
Folgerungen, welche
Malthus aus seiner
Lehre für die praktische
Politik gezogen hat.
Die
Frage, woran eine
wirklich bedenkliche
Übervölkerung zu erkennen (intensiver Bodenbau,
Auswanderung, hohe
Preise der Lebensmittel sind hierfür
keine zureichenden
Symptome), und wie ihr zu begegnen, ist überhaupt keine so einfache.
Kann auch durch wirtschaftliche und soziale Mißstände sich eine örtliche
Übervölkerung mit Massenarmut bilden, so ist
dieselbe doch meist nur von temporärer Bedeutung. Änderungen in der
Technik
(Industrie,
Landwirtschaft,
Transportwesen) und in der Rechtsordnung können leicht wieder für eine größere Bevölkerung
Raum schaffen oder eine angemessene
örtliche Ausgleichung ermöglichen, ohne daß es neomalthusianischer
Rezepte bedarf. Dazu kommt, daß bis zu einer gewissen
veränderlichen
Grenze die zunehmende
Dichtigkeit der Bevölkerung selbst
Bedingung für Mehrung der Unterhaltsmittel
ist.
Auch zeigt die Wirklichkeit, daß bei gesitteten Völkern keineswegs eine
Steigerung des Wohlstandes eine solche Volksvermehrung
hervorzurufen pflegt, daß die wirtschaftliche
Lage wieder auf den alten
Stand herabgedrückt wird.
AlleSpekulationen auf dem
gedachten Gebiet sind darum eitel, weil man nicht im stande ist, zu ermessen, welche Bevölkerung etwa
eine den Verhältnissen der Zukunft entsprechende ist, und weil überdies die
Erde noch so viel
Raum für Besiedelung bietet,
daß wenigstens praktisch die
Angst vor
Übervölkerung illusorisch ist.
Die Thätigkeit des
Staats wird sich im wesentlichen auf Regelung von Versorgungspflichten, Versicherungswesen,
Armenpflege,
Medizinal-,
Sittenpolizei,
Auswanderung und
Kolonisation zu beschränken haben, dann überhaupt auf
Hebung
[* 6] der Gesamtwohlfahrt. Im übrigen aber werden Gesittung und wirtschaftlicher
Trieb der
Gesellschaft das Meiste und
Beste thun
müssen, indem das Anpassen der an die jeweilen produzierbare
Menge von
Nahrungsmitteln wenn auch teils unter fortwährenden
und damit weniger fühlbaren Einschränkungen, so doch auch teils ohne eigentlichen
Druck stattfindet.
Vgl. außer den
oben (S. 851) angeführten Werken namentlich
Malthus, An inquiry into the principles of population (Lond. 1798, 7. Aufl.
1872; deutsch, Berl. 1878);
Wiesen der Bewässerung mit Wasser unterworfen, selten Feldflächen. Nur da, wo Kloakenwasser in der Nähe großer Städte zur Verfügung
steht, bedient man sich derselben zur Bewässerung des Ackerlandes, wogegen in den Tropenländern das Wässern die wesentlichste Operation
im Feldbau bildet, ja letzterer gewöhnlich nur durch die Zuführung von Wasser möglich ist. Nördlich
und südlich vom Äquator ist die Zone der bloßen Bewässerung, welche gewöhnlich allein genügt, um dauernd gute Ernten zu entnehmen;
ihr folgen die Zonen mit Düngung und Bewässerung, dieser in unsern Klimaten die mit Düngung und Entwässerung für die Felder und Düngung
und Bewässerung für die Wiesen.
Die ältesten Anlagen zur Bewässerung für die Felder sind in Indien, am Euphrat, in Syrien und Ägypten
[* 11] zu suchen;
von da aus haben sie sich nach Griechenland,
[* 12] Italien
[* 13] und Spanien
[* 14] und über Nordafrika verbreitet. Die Ägypter wußten den mit
den Nilüberschwemmungen ihnen alljährlich gebotenen Dungstoff für ihre Felder nutzbar zu machen; sie
kannten keinen andern Dünger und verbrannten das Stroh und die bald trocknenden Exkremente der Tiere, wie dies auch heute noch
geschieht.
Sie sammelten das Wasser in Bassins und leiteten es von da aus weiter, zum Teil schon mittels Schöpfräder auf höher liegende
Flächen. Die Griechen lernten schon entwässern und düngen; die Wässerungsanlagen entnahmen sie den
Ägyptern. Die Römer
[* 15] wußten das Wasser außerordentlich zu schätzen; wir bewundern noch heute ihre freilich vorwiegend für
Trinkwasserleitungen dienenden Wasserbauten und Wasserkastelle (erhöhte Bassins), ihre Röhrenleitungen, künstlichen Teiche
und Seen, Quellenleitungen und dergleichen Anlagen.
Ihre Schriftsteller berichten von der Güte der verschiedenen Gewässer und geben überhaupt schon brauchbare
Anleitungen. Am entwickeltsten zeigte sich die aber bei den Mauren in Spanien, deren großartige Wasserbauten noch heute in
ihren Einrichtungen und Spuren erkennbar, in einzelnen Gegenden noch so weit erhalten sind, daß sie die gegenwärtige Kultur
einzelner Distrikte bedingen. Die Anlagen der Mauren dienten anderwärts vielfach als Vorbild in Bezug auf
die Art der Anlagen, die Gesetzgebung, die gesamte Verwaltung und Organisation, charakteristisch dadurch, daß hier die nachweisbar
älteste Form der wirtschaftlichen Genossenschaft sich findet.
Die Mauren teilten die ganzen von ihnen beherrschten Provinzen in Bewässerungsbezirke, denen das für ihre Felder und Wiesen
nötige Wasser durch Aufstauung der Gebirgsbäche und Flüsse
[* 16] für den Sommer gesichert wurde. Die Aufstauung
der Gebirgsbäche geschah durch große Sperrmauern, die der Flüsse durch Wehre. Aus den durch diese Aufstauungen entstandenen
Reservoirs führten Hauptkanäle (Almatriches) das Wasser ab; aus diesen trat es in andre Kanäle (Azequias) über und ward
aus diesen endlich durch Schöpfwerke (Norias) auf das zu bewässernde Land gehoben, wenn nicht der Wasserspiegel
der Kanäle höher lag als das Feld.
Nach dem Flächeninhalt jedes Feldes und der durch die Bodenbeschaffenheit bedingten Wasserbedürftigkeit desselben wurde
die Wasserportion (Alema) berechnet, deren jedes Grundstück bedurfte, und danach der Querschnitt der Azequien und
die tägliche Öffnungszeit einer jeden bemessen. Nach der größern oder geringern Trockenheit der Jahre oder einzelner
Tage und nach der Querschnittssumme aller von einem Bassin aus zu speisenden Azequien richtete sich die Öffnungsweite, welche
dem Auslauf für jeden Tag zu geben war.
Die genaue Regelung dieser Öffnungsweite war durch einen Schraubenhahn ermöglicht, der
mit einem Zeiger
in Verbindung stand, welcher auf einer Skala den Kubikinhalt des in jeder Minute durch die Öffnung entweichenden Wassers angab.
Jeder Besitzer hatte nun eine oder mehrere Stunden des Tags das Recht, seine Azequia offen zu halten, wofür er einen gewissen
Betrag zahlte; wenn er diese ihm zugestandene Zeit überschritt, d. h.
bei dem durch eine Glocke (vela) vom Wasserwächter gegebenen Zeichen seine Azequia nicht schloß oder dieselbe vor dem betreffenden
Zeichen öffnete, oder des Nachbars Azequia verstopfte etc., so fiel er in strenge Strafe. Diese Einrichtung besteht jetzt
noch in manchen ProvinzenSpaniens und macht es möglich, daß die Felder selbst in den trockensten Jahren
im Sommer keinen Wassermangel leiden.
Im Mittelalter zeichnete sich Oberitalien
[* 17] durch seine vorzüglichen Bewässerungseinrichtungen und durch eine weise Gesetzgebung
zum Schutz derselben aus; das heute bewunderte Bewässerungssystem mit hoch über den Feldern hingeleiteten Fluß- und Kanalrinnen
und unzähligen Zuleitungen ist in dieser Zeit entstanden; die Erfindung (resp. Nachahmung und Vervollkommnung)
wird den Mönchen von Chiaravalle zugeschrieben, welche schon im 11. Jahrh. ein vollkommenes System auf ihren Grundstücken eingerichtet
hatten.
Der älteste Kanal
[* 18] ist der von Vettalia (1057). Schon 1216 erscheint in Mailand
[* 19] eine Sammlung der Verordnungen über die Leitung
und Benutzung des Wassers, welche später vervollständigt wurde und zur Grundlage der noch heute gültigen
Gesetzgebung von 1747 diente. Die erwähnten Mönche, durch ihr System weit und breit berühmt, besaßen bis zu 60,000 Pertiche
(über 8000 Hektar) Wässerungswiesen und verkauften ihren Überfluß an Wasser. Auch hier hatte man schon besondere Meßapparate
und berechnete die abfließenden Mengen nach Oncias (0,029 qm), durch welche pro Minute 2,1835 cbmWasser fließen.
In der Folge und bis zur neuesten Zeit fand zur Bemessung des Wassers anstatt der Wasserunze der im 16. Jahrh. von Soldati
erfundene Modulus Anwendung. Man unterscheidet trockne Wiesen, nur im Gebirge, bewässerte Wiesen, mit Bewässerung vom 25. März bis 8. Sept., und
die Winterwiese (prato marcitorio), welche das ganze Jahr über bewässert wird und zwar zumeist mit Quellwasser, dessen
Temperatur im Winter wärmer als Luft und Boden ist. Hier lernte man zuerst die Anlagen im Rübenbau, mit Beeten bis zu 0,5 m
Höhe über dem Abzugsgraben, 10-15 m breit.
AllesWasser ist in festem Eigentum und wird ge- und verkauft. Der Ertrag steigt bis 20,000 kg pro Jahr auf den besten Wiesen,
durchschnittlich bis zu 12,500 kg pro Hektar und darüber. Wechselwiesen sind solche, welche zeitweise dem Kornanbau dienen;
diese und die Winterwiesen werden alljährlich gedüngt;
das Wasser allein hält man nicht für ausreichend,
um auf die Dauer die gewünschten Erträge zu geben. Am höchsten schätzt man das Abflußwasser aus Städten;
Aus England wird der Rieselungswiesen in Wiltshire als der ältesten gedacht, 1690-1700 etwa 15-20,000 Acres umfassend, ebenfalls
unter Aufsicht eines
¶