Erfindung
,
die schöpferische Thätigkeit des
Menschen, welche sich in der Hervorbringung bisher nicht vorhanden gewesener
Gegenstände äußert und in einem gewissen
Gegensatz steht zur
Entdeckung (s. d.), welche das Vorhandensein bisher
nicht bekannter Gegenstände nachweist. Die
Entdeckung eines chemischen
Elements, wie z. B. des
Chlors durch
Scheele (1774),
und die Erfindung
einer
Maschine
[* 2] lassen den Unterschied zwischen beiden Thätigkeiten deutlich erkennen, während sich derselbe verwischt,
wenn man z. B. erwägt, daß das 1827 von
Wöhler in
Thonerde entdeckte
Metall, das
Aluminium,
nur für die
Wissenschaft Bedeutung besaß, bis
Sainte-Claire Deville 1854 eine
Methode angab, erfand oder entdeckte, das
Aluminium aus der
Thonerde so billig herzustellen, daß an eine technische Verwendung gedacht werden konnte.
Hanc veniam etc. - Han

* 3
Hand.
Entdeckungen und Erfindungen
gehen oft bei technischer Thätigkeit
Hand
[* 3] in
Hand und vereinigen sich zur Erzielung des
Resultats.
Entdeckungen sind häufiger als Erfindungen
das Ergebnis des
Zufalls, und es ist gar nicht zu leugnen,
daß große
Entdeckungen bisweilen wie
Gaben des
Glückes dem Entdecker ohne Anstrengung, ja selbst dann ihm zufielen, wenn
er beim
Suchen nach einem
Ziel von völlig falschen Voraussetzungen ausging. Häufiger aber sind Erfindungen
das
Resultat großer
Anstrengungen, intelligenter Benutzung von
Entdeckungen und geistreicher
Beobachtungen und
Kombinationen. Es ist klar, daß
eine große
Reihe von Erfindungen
dem
Menschen gelingen mußte, sobald er sich über das
Tier zu erheben begann; ja, die Thätigkeit
des
Tiers mag oft genug dem
Menschen als Vorbild gedient haben, und wieviel man dem
Zufall zu verdanken
glaubte, lehrt die allgemein bekannte
Erzählung von der Erfindung
des
Glases, wenn dieselbe auch unwahr ist.
Dagegen dürfte die Abscheidung von
Metallen aus ihren
Erzen sicher dem
Zufall zu verdanken sein, und als man diese
Entdeckung
verfolgte und primitive
Apparate erfand, um den
Prozeß besser zu beherrschen, mußte man auch glasartige
Schlacken erhalten, welche die Anregung zu Bemühungen in andrer
Richtung gaben. Großartige Erfindungen
gehören in diese
Kategorie, der man auch die wichtigsten Errungenschaften zuzählen kann, welche auf rein empirischer
Basis gemacht wurden,
wie z. B. die der
Holzschneidekunst (1420), der
Kupferstecherkunst (1440) und die gleichzeitige der
Buchdruckerkunst.
Luftpumpe (Handluftpum

* 4
Luftpumpe.
Ganz anders gestalteten sich die Erfindungen
, sobald man anfing, die
Wissenschaft als Führerin zu benutzen und bewußt
Naturgesetze
für die
Praxis zu verwerten. Für die ältere Zeit sind wir nicht mehr sicher im stande, überall zu unterscheiden, wo eine
solche Thätigkeit vorlag oder der
Zufall sein
Spiel trieb
(Entdeckung des
Mikroskops 1590, des
Fernrohrs 1608 etc.);
aber schon die Erfindung
des
Barometers (1643), der
Luftpumpe
[* 4] (1650), der Pendeluhr (1656) waren
Früchte wissenschaftlicher Thätigkeit,
und wenn wir im 18. und vollends im 19. Jahrh. die Erfindungen
sich häufen sehen, so ist
dies teils auf das rapide Fortschreiten der
Wissenschaften, teils aber auch auf die immer siegreicher
vordringende Einsicht, daß auf diesem Gebiet die größten
Siege durch Benutzung der
Wissenschaft zu erreichen sind, zurückzuführen.
Die moderne Chemie stellt sich als Hauptaufgabe die Erforschung der Konstitution der Körper, und die Einsicht, welche sie hierbei gewann, verwertete sie in glücklichster Weise zur künstlichen Darstellung von Körpern, welche bisher nur als Naturprodukte bekannt gewesen waren. So gelang die künstliche Darstellung des Alizarins (1869) und des Indigos (1878) aus Teerbestandteilen als das Resultat strengsten wissenschaftlichen Denkens, und es unterliegt keinem Zweifel, daß auch die Darstellung von Chinin, Morphium etc. gelingen wird.
Dampfmaschine I

* 5
Dampfmaschine.
Diese Art des Erfindens ist auch auf die Verbesserung alter Erfindungen
vielfach angewandt worden, und
wenn heute die 1768 von
Watt erfundene
Dampfmaschine
[* 5] eine so vollkommene Gestalt erreicht hat, so ist dies wesentlich der wissenschaftlichen
Thätigkeit der
Ingenieure zu danken. Die Ausnutzung der früh erkannten
Kraft
[* 6] gespannten
Dampfes führte zur der
Lokomotive
[* 7] (1804), die bald darauf (1830) den ersten Eisenbahnzug ziehen mußte, und zur Erfindung
des
Dampfschiffs (1807),
die Ausnutzung des 1802 entdeckten
Elektromagnetismus
[* 8] zur Erfindung
des
Telegraphen
[* 9] (1833) und der Dynamomaschine (1867). Die ganze
Elektrotechnik mit der
Galvanoplastik
[* 10] (1837) ruht auf wissenschaftlicher
Basis, und ebenso hat sich die
Photographie (1828) an der
Hand der
Wissenschaft entwickelt.
Erfindungspatent - Erf

* 17
Seite 5.774.
Das Maschinenwesen verdankt seine Erfindungen
wesentlich dem
Streben, Menschenkraft zu sparen und mit größerer Kraftentfaltung
zu arbeiten, als bei Anwendung von
Menschen- und Tierkraft möglich ist. Man suchte nach
Motoren, welche unter bestimmten Verhältnissen
der
Dampfmaschine vorzuziehen seien, und erfand unter andern die
Turbinen (1824), die
Heißluftmaschine
(1833), die
Gaskraftmaschine
[* 11] (1858), dann aber die zahlreichen
Arbeitsmaschinen, wie die
Spinnmaschine
[* 12] (1767) und den mechanischen
Webstuhl
[* 13] (1785), die
Nähmaschine
[* 14] (1829) und die
Strickmaschine
[* 15] (1867), ferner die
Säe- und
Dreschmaschine
[* 16] (1783 und 1785) und
die
Mähmaschine (1811), die
Hobelmaschine (1814) und viele ähnliche, durch welche die gesamte technische Thätigkeit
eine andre Gestalt gewonnen hat. Auch die volkswirtschaftlichen Verhältnisse haben den größten
¶
mehr
Einfluß auf die Erfindungen
ausgeübt. Die Befreiung der Gewerbe von alten Fesseln, die Beförderung des Gedanken- und Güteraustausches
durch Eisenbahnen und Telegraphen, der erleichterte persönliche Verkehr, die Hebung
[* 18] der Schulen und die Gründung von Fachschulen,
namentlich auch die Patentgesetze, welche den Erfindern die Früchte ihrer Arbeit zu sichern suchen, haben
wesentlich dazu beigetragen, daß in unsrer Zeit eine Erfindung
sich an die andre drängt und nach einmal gegebenem
Anstoß schnell eine eminente Entwickelung auf allen Gebieten sichtbar wird. Daß dabei der Industrialismus auch taube Blüten
treibt und sehr unerquickliche Erscheinungen hervorbringt, liegt in der Natur der Sache. Über die Geschichte
der Erfindungen
u. Entdeckungen vgl. die Litteratur bei Technologie.