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der Kaiserzeit versuchten die Ägypter, ihre Unabhängigkeit wiederzuerringen, mußten aber meist hart dafür büßen, besonders als nach Besiegung der Königin Zenobia von Palmyra, die auch Alexandria einige Zeit innegehabt, ein reicher Kaufmann, Firmus, sich zum Herrn des Landes gemacht, von Aurelian aber unterworfen worden war, und wieder, als Diokletian nach Unterdrückung des Usurpators Achilles nur durch grausame Maßregeln die Ägypter beugen und einschüchtern zu können glaubte.
Das Christentum fand schon im 1. Jahrh. unsrer Zeitrechnung in Ägypten [* 2] Eingang, angeblich durch den Evangelisten Markus, den Stifter des Bistums Alexandria; doch wurde der alte Götterkult nicht sofort verdrängt und z. B. der Isiskult in Philä erst um die Mitte des 6. Jahrh. unter Justinian aufgehoben. In Ägypten kam unter dem Einfluß der Landesnatur das Einsiedler- und Klosterleben durch den heil. Antonius von Theben auf. Auch die christlich-theologische Gelehrsamkeit wurde mit Eifer gepflegt und Alexandria bald ein Hauptschauplatz der über das Verhältnis der göttlichen und menschlichen Natur in Christo sich entspinnenden dogmatischen Kämpfe.
Aber eben in diesen subtilen Streitigkeiten und in der asketischen Übertreibung rieb sich die Kraft [* 3] der sich die rechtgläubige nennenden Partei auf, und es wurde die für ketzerisch erklärte Partei der Monophysiten die überwiegende, welche sich einen eignen Patriarchen wählte, während der vom byzantinischen Hof [* 4] ernannte orthodoxe Patriarch seinen Sitz in Alexandria behielt. Die echt ägyptische (häretische) Kirche nannte sich die koptische (d. h. ägyptische) und verachtete die Orthodoxen als Malchiten oder Kaiserchristen. Durch deren Verfolgungssucht steigerte sich der feindliche Gegensatz zwischen beiden Kirchen so weit, daß die Kopten [* 5] den Mohammedanern zur Eroberung Ägyptens geradezu Vorschub leisteten.
Seit der Teilung des römischen Reichs im J. 395 eine Provinz Ostroms, teilte den Verfall dieses Reichs. Raubzügen von Äthiopien und Arabien aus machtlos preisgegeben, wurde es durch die Perser unter dem Sassaniden Chosroes II. bis an die Südgrenze durchzogen (616). Wenige Jahre nach ihrem erkauften Abzug (641) wurde es von Amru, dem Feldherrn des Kalifen Omar, zu einer Provinz des Reichs der Kalifen gemacht. Mit den Arabern erhielt der Islam bald das Übergewicht über das Christentum.
Jeder Gewaltthat preisgegeben, sank die koptische Bevölkerung [* 6] in völlige Ohnmacht. Die Statthalter Ägyptens versuchten bald, sich von der Obergewalt der Kalifen zu befreien, so Achmed, mit dem 868 die Dynastie der Tuluniden auf den Thron [* 7] Ägyptens kam. Nachdem 905 der Kalif von Bagdad sich wieder zum Oberherrn des Landes gemacht, stiftete Abubekr Mohammed, der Ikschide, 935 eine neue Dynastie unabhängiger Herrscher Ägyptens; aber schon 969 eroberte Moez Eddin Allah, der erste fatimidische Kalif, das Land und gründete die Stadt Masr el Kahira (die Siegreiche), das heutige Kairo, [* 8] das er zur Hauptstadt erhob.
Der glanzvollen Herrschaft der Fatimiden in Ägypten wurde 1171 durch den Kurden Saladin ein Ende gemacht, der sich zum Sultan von Ägypten und Syrien aufschwang und als solcher eine neue Dynastie, die der Ejubiden, gründete, unter der das Land sich aus seinem tiefen Verfall etwas hob und namentlich Alexandria eine der blühendsten Städte des Orients wurde, deren Handel sich von Spanien [* 9] bis Indien erstreckte. Die ersten Kalifen hatten das Land an arabische Pflanzer verpachtet, der Ejubide Nedschem Eddin aber verteilte es unter seine aus gekauften Sklaven bestehende Leibwache, die Mamelucken (s. d.), als Lehen, und von diesen wurden die Bewohner des flachen Landes völlig zu Leibeignen herabgedrückt.
Aber dieselbe übermütige Miliz machte auch der Herrschaft der Ejubiden selbst ein Ende; denn als Nedschems Sohn Moadham mit dem gefangenen König Ludwig IX. von Frankreich einen Vertrag abschloß, ohne die Mamelucken dabei zu Rate zu ziehen, ermordeten ihn diese (1250) und erhoben aus ihrer Mitte Moez Ibegh zum Sultan. Mit diesem begann die Herrschaft der mameluckischen Dynastie oder der Bahariden. Unter ihr versank das Land in den traurigsten Zustand; den ungezügelten Begierden einer wilden Prätorianerschar preisgegeben, wurde es überdies durch die Zwistigkeiten der Mameluckenemire, von denen die Sultane abhängig waren, zerrissen.
Kräftigere Herrscher waren Bibars I. (gest. 1277), welcher der um sich greifenden Anarchie Einhalt that und seine Herrschaft über die südlichen Grenzlande sowie über Syrien und einen Teil Arabiens ausdehnte, und Mohammed I. (gest. 1341), welcher durch Begünstigung des Ackerbaus, Verminderung der Abgaben und Anlegung von Kanälen sich um das Land große Verdienste erwarb. Der Übermut der aus Cirkassiern sich ergänzenden Mamelucken stieg aber immer höher, und 1382 gelang es wieder einem ihrer Obern, Barkok Dhaher, sich zum Sultanat emporzuschwingen.
Mit ihm bestieg die zweite mameluckische Dynastie, die cirkassische oder die der Bordschiten, den Thron. Ihre Geschichte bietet eine ununterbrochene Reihe von Empörungen, Gewaltthaten und Greueln aller Art. Sultan Barsebai eroberte Cypern [* 10] 1426, infolgedessen die dortigen Könige zu ägyptischen Statthaltern erniedrigt wurden. Aber im Innern wurde die Zerrüttung immer größer; die Mamelucken setzten Sultane ein und ab und übten den furchtbarsten Druck aus, bis endlich der Osmanensultan Selim I. 1517 das Land eroberte und in eine türkische Provinz verwandelte.
Als solche wurde es zwar von Paschas regiert, blieb aber doch in einer gewissen Unabhängigkeit. Unter dem Pascha bestanden nämlich 14 Mameluckenbeis fort, an deren Zustimmung die Paschas hinsichtlich ihrer Maßregeln gebunden waren, daher diese bald zu willenlosen Werkzeugen der tyrannischen Willkür jener herabsanken. Die Mameluckenbeis befehligten die Miliz, erhoben die reichen Staatseinkünfte und zahlten nur einen Tribut an den Pascha So stand Ägypten, statt unter einem, unter vielen Tyrannen, die fortwährend einander bekämpften und das Land vollständig ruinierten.
Ägypten sank zu völliger Bedeutungslosigkeit herab. 1763 machte sich Ali Bei von der Pforte fast ganz unabhängig und unterwarf einen Teil von Arabien und Syrien. Er wurde von seinem Schwiegersohn Mohammed Abudhabad gestürzt, der sich 1773 von der Pforte als Pascha von Ägypten bestätigen ließ. Nach ihm teilten die Beis Murad und Ibrahim die Herrschaft unter sich und machten sich von der Pforte fast ganz unabhängig. Unter ihnen landete General Bonaparte mit einem französischen Heer 1798 in Ägypten und schlug die Mamelucken bei den Pyramiden (s. Ägyptische Expedition der Franzosen). Bonapartes Plan, sich Ägyptens, dieses Schlüssels zum Orient, zu bemächtigen, schlug zwar fehl; aber die Augen der europäischen Mächte waren wieder auf Ägypten gelenkt und die Schwäche der Türkei [* 11] bloßgelegt. Die Mamelucken suchten, von den Briten, die Alexandria bis März ¶
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1803 besetzt hielten, unterstützt, ihre alte Macht wiederzugewinnen. Durch den Abzug der Engländer verloren sie ihre Hauptstütze, boten aber dennoch der Pforte Trotz und ermordeten deren Statthalter Aali Pascha, wurden aber von den Albanesen aus Kairo vertrieben. Chosrew Pascha, der, als Privatmann zu Alexandria lebend, hierbei sehr thätig gewesen war, erhielt darauf 1804 die Statthalterschaft, wurde aber bald durch die Ränke Mehemed Alis, des Befehlshabers des Albanesenkorps, verdrängt.
Neueste Zeit.
Mit der Wirksamkeit Mehemed Alis (s. d.) als Statthalters (1805) beginnt eine neue Epoche in der Geschichte Ägyptens. Seine erste erfolgreiche That war die Vernichtung der Mamelucken, seine zweite die Organisation eines regelmäßigen Heers und die Herstellung einer Flotte zur Durchführung seiner ehrgeizigen Pläne. Dem entsprechend verfolgte eigentlich seine ganze Regierung die eine Tendenz, durch Anwendung europäischer Regierungskünste den Despotismus auf das höchste zu steigern.
Nachdem er fast sämtliche Ländereien des Nilthals in seinen Besitz gebracht hatte, konnte er die Landbauern nach Gutdünken ausbeuten. Gegen die unglücklichen Fellahs brachte er ein geregeltes System der Aussaugung in Anwendung und unterwarf sie der rücksichtslosesten Konskription für das Heer. Maßlos war auch der Steuerdruck. Bis auf den trocknen Kuhmist und das Stroh, das kümmerliche Brennmaterial des Fellahs, herab wurde alles besteuert; von jedem Palmbaum mußte eine bestimmte Abgabe entrichtet werden.
Besteuert wurden auch alle Fabrikate von den Palmen, [* 13] die Barken, das Vieh jeder Art. Die Kopfsteuer betrug jährlich 700,000 Beutel, [* 14] etwa 8¼ Mill. Mk., und zwar war durch das System der Solidarität der Steuerzahler der Regierung stets der volle Betrag dieser Steuern gesichert. Zu diesem allen kam nun noch das Handels- und Monopolsystem. Dasselbe ging aus der altorientalischen Gewohnheit hervor, die Steuern durch Naturallieferungen zu ersetzen, und wurde bis 1833 in solchem Umfange geübt, daß die Regierung dem Fellah seine ganze Ernte [* 15] um von ihr selbst festgesetzte Preise abkaufte und ihm dann um höhern Preis so viel wieder verkaufte, als er zum Lebensunterhalt und zur Aussaat brauchte.
Seit 1833 nahm die Regierung nur noch so viel, als die Steuern betrugen; doch wurde nun, abgesehen von der noch fortbestehenden Willkür bei Bestimmung des Preises, dem Fellah von der Regierung vorgeschrieben, wieviel Getreide, [* 16] Baumwolle [* 17] etc. er bauen sollte. Der größte Teil seiner Felder war für den Indigo- und Baumwollbau bestimmt, wofür die Regierung sich ein Monopol ausbedungen hatte, und die ganze Ernte mußte eingeliefert werden, um dann vom Pascha zu von ihm selbst festgesetzten Preisen verkauft zu werden.
Sind auch die Verdienste Mehemed Alis um die Fabrikation von Seide, [* 18] Baumwolle und Indigo [* 19] nur zweifelhafter Natur, so blieben doch seine umfangreichen Damm- und Kanalbauten ein Geschenk von höchstem Wert für Ägypten Als er 1805 die Zügel der Regierung ergriff, hatte Ägypten nicht mehr als 2,500,000 Morgen (Feddans) urbares Land, 1840 aber bereits 6,500,000 Morgen. Gleich groß war die Sorge des Paschas für Ordnung und Sicherheit im Innern. Mehemed Ali setzte sich ferner über die gewohnte Intoleranz hinweg; er berief Christen zu den höchsten Stellen, schickte junge Araber und Türken zur Ausbildung nach Europa [* 20] und gründete Schulen und Institute aller Art. Hierauf schritt er zu einer durchgreifenden Reform der öffentlichen Verwaltung.
Eine Notabelnversammlung wurde 1829 nach Kairo berufen, um Vorschläge der Regierung über die Verwaltung zu beraten. Zu den Maßregeln, die durch diese Versammlung hervorgerufen wurden, gehörte namentlich die Einführung von Verwaltungsräten in den 16 Provinzen, welche aus öffentlichen Beamten bestanden und über die Angelegenheiten des gemeinen Wohls sich zu beraten hatten. Durch die neue Ordnung wurde einiges System in das Verwaltungswesen gebracht.
Auch nach außen wuchs Ägyptens Macht. Durch glückliche Expeditionen seines Adoptivsohns Ibrahim Pascha machte sich Mehemed Ali seit 1816 einen Teil von Arabien (die Landschaft Hidschas mit den heiligen Städten Mekka und Medina) sowie die Länder am obern Nil (Nubien, Senaar, Kordofan) zinspflichtig. Im Kampf gegen das aufständische Griechenland [* 21] wurde die ägyptische Flotte bei Navarino vernichtet. Um eine neue imposante Seemacht herzustellen, mußte das Land seine letzten Kräfte aufbieten.
Händel mit dem Pascha von Akka gaben dem Pascha willkommene Veranlassung, mit Heeresmacht in Syrien einzurücken, und im Lauf eines Jahrs eroberte Ibrahim Pascha (1831) die ganze Provinz. Durch die Intervention Rußlands zu gunsten des Sultans mußte aber Mehemed Ali in den Frieden von Kutahia willigen, der ihm zwar nicht volle Unabhängigkeit, aber doch den erblichen Besitz Ägyptens und den lebenslänglichen Syriens gab. In einem neuen Krieg (1839) sah sich Mehemed Ali nach dem Sieg von Nisib (24. Juni) und dem Übergang der türkischen Flotte zur ägyptischen am Ziel seiner ehrgeizigen Bestrebungen. Aber Rußland und England brachten die Londoner Quadrupelallianz vom zu stande, in der sich die beiden genannten Mächte mit Österreich [* 22] und Preußen [* 23] zur gemeinschaftlichen Intervention zu gunsten des Sultans verpflichteten. Frankreich beobachtete eine dem Pascha günstige Politik, welche Absonderung einen europäischen Krieg in Aussicht stellte. Inzwischen erschien ein britisch-österreichisch-türkisches Geschwader an der syrischen Küste und begann die Beschießung der dortigen festen Plätze. Von Frankreich im Stiche gelassen und plötzlich von Kleinmut befallen, zog Mehemed Ali seine Kriegsmacht, ohne daß ein entscheidender Kampf stattgefunden, aus Syrien zurück und unterwarf sich dem Sultan völlig. Durch einen unter Vermittelung der Großmächte im Februar 1841 zwischen dem Sultan und Mehemed Ali abgeschlossenen Vertrag wurde das Verhältnis Ägyptens zur Pforte neu geregelt. Hiernach sollte den männlichen Deszendenten des Paschas nach dem Rechte der Erstgeburt die erbliche Herrschaft über Ägypten mit Einschluß der Erwerbungen am obern Nil verbleiben; doch sollten die Administrativgesetze des Landes mit denen der übrigen Provinzen in Einklang gebracht, die Abgaben im Namen und unter Zustimmung des Sultans erhoben, sämtliche von der Pforte mit dem Ausland geschlossenen Traktate auch für Ägypten gültig sein und der von dem Pascha jährlich zu entrichtende Tribut (vorläufig ein Dritteil der Jahreseinkünfte) pünktlich bezahlt werden. Auch mußte sich der Pascha zu einer Reduktion seines Heers auf 18,000 Mann verstehen, die Ernennung der höhern Offiziere vom Obersten an dem Sultan überlassen und versprechen, zur Vermehrung des Heers sowie zum Bau von Kriegsschiffen die Genehmigung des Sultans einzuholen.
Nach der syrischen Katastrophe warf sich Mehemed Ali mit ganzer Energie auf die Landeskultur und ¶