Titel
Bonaparte
Italien

* 2
Italien. (Buonaparte),
Name der corsischen
Familie, welcher der
Kaiser
Napoleon I. und die
Napoleoniden
entstammten. Der
Name findet sich schon seit dem 13. Jahrh. in
Italien,
[* 2] namentlich zu
Florenz,
[* 3]
Treviso,
San Miniato, Sarzano und
Genua.
[* 4] Ein Jacopo Bonaparte
, toscanischer
Edelmann aus der ersten Hälfte des 16. Jahrh., wird als der Verfasser des Werks »Ragguaglio
storico di tutto l'accorso giorno per giorno nel sacco di
Roma
[* 5] dell' anno 1527« (angeblich
Köln
[* 6] 1750; franz., Par. 1809; von
Ludwig Bonaparte
hrsg.,
Flor. 1830) genannt; ein
Niccolò Bonaparte
,
Edelmann und
Professor zu
San Miniato aus derselben Zeit, soll die
Komödie
»La vedova« (das. 1592, Par.
1803) verfaßt haben.
Ein Zusammenhang der verschiedenen
Familien Bonaparte
ist nicht erwiesen.
Gewiß ist nur, daß ein
Zweig der toscanischen Bonaparte
im Anfang
des 16. Jahrh. nach
Ajaccio auf
Corsica
[* 7] übersiedelte, wo die Bonaparte
bereits gegen die Mitte des 16. Jahrh.
als Padri del commune oder als Cittadini, d. h. als
Patrizier der Stadt, bezeichnet werden. Im 18. Jahrh.
repräsentierten drei männliche
Glieder
[* 8] die
Familie in
Ajaccio: der
Archidiakonus
Lucian Bonaparte
, dessen
Bruder
Napoleon und beider
Neffe Carlo Bonaparte
, der
Vater
Napoleons I. Litteratur über die
Familie Bonaparte:
»La storia genealogica della famiglia Bonaparte«
(Flor. 1847);
Leland Stanford Junior
![Bild 61.77: Leland Stanford Junior University - Le Mans [unkorrigiert] Bild 61.77: Leland Stanford Junior University - Le Mans [unkorrigiert]](/meyers/thumb/61/61_0077.jpeg)
* 9
Leland Stanford Junior University. Stefani und Baretta, Le
[* 9] antichità dei Bonaparte
(Vened. 1857);
Stefani, Origine des Bonaparte
(Turin
[* 10] 1859);
Wouters, Les Bonaparte depuis 1815 (Par. 1847);
Ambrosini und Huard, La famille impériale, etc. (das. 1860);
Leynadier, Histoire de la famille Bonaparte (das. 1866);
Kleinschmidt, Die Eltern und Geschwister Napoleons I. (Berl. 1878);
Du Casse, Les rois frères de Napoleon I (Par. 1883).
Monographien über einzelne Glieder der Familie sind bei diesen angegeben. Über Napoleon I. Bonaparte s. Napoleon 1).
Die Eltern Napoleons I.
Carlo Bonaparte, geb. zu Ajaccio, genoß als einziger Stammhalter der Familie eine sorgfältige Erziehung, begann seine Studien in Rom und [* 11] widmete sich dann zu Pisa [* 12] der Rechtswissenschaft. Bald nach seiner Rückkehr verheiratete er sich 1767 mit der schönen Patriziertochter Lätitia Ramolino. Im J. 1768 nahm er am Kampfe für Corsicas Unabhängigkeit gegen Frankreich unter General Paoli teil und erklärte sich erst dann für Frankreich, als jeder weitere Widerstand unmöglich war.
Paris

* 13
Paris.Die Familie Bonaparte wurde sodann von Ludwig XV. in den corsischen Adel aufgenommen. Im J. 1773 ward Bonaparte durch die Gunst des französischen Gouverneurs Marboeuf königlicher Rat und Assessor der Stadt und Provinz Ajaccio, und 1777 ging er als Mitglied der Deputation des corsischen Adels nach Paris. [* 13] Im J. 1781 trat er in den Rat der zwölf Edlen von Corsica und hielt sich dann mehrere Jahre in Paris auf, wo er seinem Sohne Napoleon Bonaparte eine Freistelle in der Militärschule zu Brienne erwirkte. Er starb in Montpellier, [* 14] wo er Heilung vom Magenkrebs gesucht hatte.
Seine Gattin, die Mutter Napoleons I., Maria Lätitia Ramolino, war zu Ajaccio aus einem Patriziergeschlecht geboren und zeichnete sich durch seltene Schönheit, gepaart mit großer Würde und Hoheit, natürlichen Verstand und Charakterfestigkeit aus. Ihre ganze Gestalt erinnerte an eine Römerin aus der Zeit der Republik. Die ersten Jahre ihrer Ehe widmete sie der Erziehung ihrer Kinder. Als sich die Engländer 1793 Corsicas bemächtigten, flüchtete sie nach Marseille, [* 15] lebte dort in ärmlichen Verhältnissen von einer französischen Pension, kam nach dem 18. Brumaire nach Paris, führte nach der Thronbesteigung Napoleons I. den Titel »Madame mère«, erhielt, obgleich persönlich allem Glanz abgeneigt, einen Hofstaat und wurde zur obersten Beschützerin aller Wohlthätigkeitsanstalten des Reichs ernannt.
Mit patriarchalischer Würde lebte sie als Oberhaupt der Familie und ließ sich namentlich die Erhaltung eines guten Einvernehmens zwischen dem Kaiser und seinen Brüdern angelegen sein. Im J. 1814 teilte sie mit ihrer Tochter Pauline Napoleons Exil auf Elba, und nach dem unglücklichen Ausgang der Hundert Tage zog sie nach Rom, wo sie bei ihrem Stiefbruder, dem Kardinal Fesch, nur von einigen ihrer Kinder oder Enkel umgeben, von den Kirchenhäuptern hoch in Ehren gehalten, einfach und zurückgezogen lebte.
Durch den Bruch eines Schenkels und Erblindung ans Zimmer gefesselt, starb sie in Rom.
Vgl. F. Arndt, Maria Lätitia Bonaparte (Leipz. 1875).
Thrombus - Thugut

* 16
Thron.Aus ihrer Ehe mit Carlo Bonaparte waren acht Kinder, fünf Söhne und drei Töchter, hervorgegangen. Successionsrechte auf den französischen Thron [* 16] erhielten durch den Senatsbeschluß vom (5. Frimaire XII) außer Napoleon I. nur dessen beide Brüder Joseph und Ludwig mit ihren Nachkommen; Lucian und Hieronymus hatte der Kaiser ausgeschlossen, weil diese damals nicht standesmäßig verheiratet waren.
Bonaparte (Joseph, Luc

* 17
Seite 3.183.Die Brüder Napoleons I. und ihre Nachkommen.
1) Joseph Bonaparte, der älteste Sohn des vorigen, geb. zu Corte auf Corsica, erhielt seine Bildung im Seminar zu Autun und wollte in die Armee treten, als ihn der Tod des Vaters 1785 nach Corsica zurückrief. Im J. 1793 ging er mit seiner Familie nach Marseille und bereitete sich für den Advokatenberuf vor. Im J. 1796 ward er in Corsica in ¶
mehr
den Rat der Fünfhundert gewählt, auf Napoleons Empfehlung Kriegskommissar, dann Bataillonschef und Chef der Administration bei der italienischen Armee; im März 1797 ward er zum Gesandten der Republik am Hof [* 18] zu Parma [* 19] und im Mai d. J. zum Gesandten in Rom ernannt. Als in Rom der Aufruhr ausbrach und der französische General Duphot (mit Josephs Schwester Pauline verlobt) getötet ward, kehrte er nach Paris zurück, wo er den Staatsstreich vom 18. Brumaire vorbereiten half.
Sizilien

* 24
Sizilien.Napoleon ernannte ihn zum Staatsrat und Tribun und übertrug ihm 1800 die Unterhandlungen über einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit den Vereinigten Staaten, [* 20] die Friedensverhandlungen mit Österreich [* 21] zu Lüneville (1801), mit England zu Amiens [* 22] (1802) und die Verhandlungen mit dem päpstlichen Stuhl über das Konkordat. Nach Napoleons Thronbesteigung wurde Joseph zum kaiserlichen Prinzen und nach Absetzung der bourbonischen Dynastie 1806 in Neapel [* 23] zum König beider Sizilien [* 24] ernannt.
Mit Masséna und Saint-Cyr eroberte er Neapel nach kurzem Kampf, hielt seinen Einzug in die Hauptstadt und trat 30. März daselbst die Regierung an. Er führte sofort zahlreiche Reformen ein, hob die Lehnsverfassung und die Fideikommisse auf, trennte die Justiz von der Verwaltung, zog Klöster ein, gründete Schulen, verbesserte mit Hilfe des Ministers Röderer das Finanzwesen durch Einführung eines neuen und allgemeinen Steuersystems etc., überließ aber die eigentliche Regierung dem gewandten Salicetti, welcher ein willkürliches Polizeiregiment einführte.
Ehe noch der neue Staat geordnet war, ward Joseph durch Napoleons Machtwort auf den Thron von Spanien [* 25] versetzt; doch machte er vor seiner Abreise (23. Juni) noch die eiligst entworfene Konstitution des Königreichs Neapel bekannt. Nachdem er 7. Juli Bayonne den Spaniern eine Verfassung gegeben, die von der liberalen Junta beschworen ward, hielt er 20. Juli seinen Einzug in Madrid. [* 26] Doch bestanden seine Anhänger (Josefinos) nur in den wenigen Liberalen, die von dem Napoleonischen Regiment Abschaffung der mittelalterlichen Mißbräuche und Einführung moderner Reformen erwarteten.
Rüstungen und Waffen

* 27
Waffen.In der Masse des Volkes hatte sein Thron gar keine Stütze, und er behauptete sich daher in dessen Besitz nur, soweit die französischen Waffen [* 27] herrschten. Schon 1. Aug. zwang ihn des Generals Dupont Niederlage bei Baylen zur Flucht aus Madrid. Er ging nach Vittoria und kam erst im Gefolge Napoleons in seine Hauptstadt zurück. Am wurde er durch Wellingtons siegreiches Vordringen abermals vertrieben, kehrte zwar nach einigen Siegen [* 28] des französischen Heers über die Verbündeten noch einmal nach Madrid zurück, verließ aber nach der Niederlage der Franzosen bei Vittoria den spanischen Boden für immer, zog sich auf sein Landgut Morfontaine zurück und erkannte auf Befehl des Kaisers in Gemäßheit des Vertrags von Valencay (Dezember 1813) Ferdinand VII. als spanischen König an. Im Januar 1814 von Napoleon zum Generalleutnant Frankreichs und Oberkommandanten der Nationalgarde ernannt, leitete er 30. März, als die Alliierten Paris bestürmten, die Verteidigung der Stadt und begab sich nach deren Übergabe nach Blois, wohin die Kaiserin und ihr Sohn schon gegangen waren.
Kantharidensalbe - Kan

* 29
Kanton.Nach der ersten Abdankung Napoleons zog er sich in den schweizerischen Kanton Waadt [* 29] zurück, wo er das Landgut Prangins kaufte. Nach des Kaisers Rückkehr von Elba 1815 erschien er wieder in Paris als französischer Prinz und Präsident des Regierungskonseils. Nach der Schlacht bei Waterloo [* 30] folgte er dem Bruder nach Rochefort. Auf der Insel Aix trennten sich die Brüder. Während Napoleon sich den Engländern ergab, schiffte sich Joseph nach Amerika [* 31] ein und erwarb sich bei Trenton in New Jersey ein großes Landgut und durch fünfjährigen Aufenthalt die Rechte eines amerikanischen Bürgers.
Orléans (Stadt)

* 32
Orléans.Als Graf von Survilliers lebte er sodann auf dem früher von Moreau bewohnten Landgut Point Breeze bei Bordentown am Delaware im Staat New Jersey, trieb eifrig Landbau, beschäftigte sich auch mit den Wissenschaften und ward der Wohlthäter und Beschützer aller Franzosen, die sich ihm nahten. In einer an die französische Deputiertenkammer gerichteten Adresse vom protestierte er von New York aus gegen die Thronfolge der Orléans [* 32] zu gunsten seines Neffen, des Herzogs von Reichstadt. Im J. 1832 begab er sich nach London, [* 33] um von da aus für die Aufhebung der französischen Verbannungsdekrete gegen die Napoleoniden zu wirken; aber erst 1841 erhielt er die Erlaubnis, nach Italien überzusiedeln, wo er in Florenz starb. Sein Leichnam ward im Juni 1862 in den Dom der Invaliden zu Paris übergeführt. Verständig, gutmütig und schlicht, besaß Bonaparte die Eigenschaften nicht, welche die ihm von seinem Bruder übertragenen hohen Stellungen erforderten.
Vgl. Du Casse, Mémoires et correspondance politique et militaire du roi Joseph (2. Aufl. 1856-58, 10 Bde.; eine sehr wertvolle, lehrreiche Sammlung);
Abbott, History of Joseph Bonaparte (New York 1869). -
Frankenwald - Frankfur

* 34
Frankfurt.Seine Gemahlin Julie Marie Clary, geb. zu Marseille, wo ihr Vater Seidenhändler war, die Schwägerin Bernadottes, hatte dem Gatten 1815 aus Gesundheitsrücksichten nicht nach Amerika folgen können, wohnte einige Zeit zu Frankfurt, [* 34] ließ sich dann in Brüssel [* 35] nieder und ging 1823 nach Florenz, wo sie starb. Joseph hinterließ zwei Töchter: Zenaide Charlotte Julie, geb. seit 1822 vermählt mit dem Fürsten von Canino, Sohn Lucian Bonapartes (siehe unten), Mutter einer zahlreichen Familie, gest. in Neapel, und Charlotte Napoleone, geb. seit 1827 vermählt mit Ludwig Napoleon, ehemaligem Großherzog von Berg (gest. zweitem Sohn Ludwig Napoleons, Exkönigs von Holland, älterm Bruder Napoleons III., gest. im Städtchen Sarzana auf einer Reise von Rom nach Florenz.
Bonaparte (Nachkommen

* 36
Seite 3.184.2) Lucian Bonaparte, Fürst von Canino, der dritte Sohn von Carlo Bonaparte, geb. zu Ajaccio, besuchte das Collège zu Autun, dann die Militärschule zu Brienne, endlich das Seminar zu Aix, flüchtete gleichfalls mit den Seinigen 1793 nach Marseille, erhielt eine Anstellung beim Verpflegungswesen des Heers und ward Magazinaufseher in St.-Maximin, wo er sich mit Christine Boyer, einer Gastwirtstochter, verheiratete. Als Präsident des dortigen Klubs des Terrorismus verdächtigt, ward er 1794 verhaftet, aber auf Verwendung des Abgeordneten Chiappe wieder in Freiheit gesetzt. Ende 1795 zum Kriegskommissar in Italien ernannt, legte er den Grund zu den Reichtümern, die er seitdem emsig sammelte. Im März 1798 wurde er Mitglied des Rats der Fünfhundert, in dem er durch seine Rednergabe Einfluß gewann. Kurz vor dem 18. Brumaire zum Präsidenten desselben ernannt, half er den Staatsstreich seines Bruders vorbereiten und ausführen, indem er am Abend des 18. durch eine Anzahl Deputierter die ¶
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Einsetzung des Konsulats beschließen ließ, wurde darauf Mitglied der Gesetzgebungskommission und, als er die Grundzüge der sogen. Konstitution von VIII entworfen, Minister des Innern, in welcher Stellung er mit rühmlichem Eifer Künste, Wissenschaften und öffentlichen Unterricht zu fördern suchte. Als Napoleon sein System der Militärgewalt durchsetzte, wurde Lucian, welcher immer noch an republikanischen Ideen festhielt, im Oktober 1800 als Gesandter nach Madrid geschickt, wo er den überwiegenden englischen Einfluß zu beseitigen und den König Karl IV., seine Gemahlin und deren Günstling für Frankreich zu gewinnen wußte.
Trier (Bistum) - Trier

* 37
Trier.Napoleon, der das diplomatische Talent seines Bruders anerkennen mußte, rief ihn nach Frankreich zurück und bemühte sich, durch glänzende Beweise seiner Zufriedenheit den begabtesten seiner Brüder von neuem an sich zu fesseln. Lucian trat ins Tribunat, wurde Mitglied des Instituts für die Klasse der politischen und moralischen Wissenschaften und erhielt bald darauf die Senatorie Trier. [* 37] Doch die Entfremdung zwischen den Brüdern wuchs, als Bonaparte sich 1802 zum zweitenmal mit der Witwe eines Wechselagenten Jouberthon verheiratete.
Als Napoleon den Kaiserthron bestieg, zog sich Lucian nach Italien zurück, wo er sich erst in Mailand, [* 38] später in Rom aufhielt und dann eine Villa bei Rom kaufte. Hier lebte er den Wissenschaften und Künsten im vertrauten Verkehr mit dem Papste, der ihn hochachtete. Vergeblich bot ihm Napoleon die Krone von Italien und die von Spanien an, indem er zugleich Trennung von seiner Gattin verlangte. Ebenso verweigerte Lucian seine Zustimmung zu der von Napoleon vorgeschlagenen Verheiratung seiner Tochter mit dem Prinzen von Asturien (nachmaligem König Ferdinand VII. von Spanien).
Der Kaiser wurde dadurch so erbittert, daß Lucian sich bewogen fand, mit seiner Familie nach Nordamerika [* 39] überzusiedeln. Wirklich segelte er von Civitavecchia ab, wurde jedoch von englischen Kreuzern aufgefangen und nach Malta und im Dezember nach England gebracht, wo er bis 1814 als Kriegsgefangener lebte, aber mit Auszeichnung behandelt wurde. Nach Napoleons Sturz 1814 freigelassen, ging er nach Italien und wurde vom Papst zum Fürsten von Canino, einem kleinen, von ihm angekauften Besitztum bei Viterbo, erhoben.
Europa. Fluß- und Gebi

* 40
Europa.Nach Napoleons Rückkehr von Elba 1815 eilte Lucian nach Paris und nahm, vom Kaiser zum Mitglied der Pairskammer ernannt, nicht unter den französischen Prinzen, sondern als Fürst von Canino seinen Sitz ein. Vergeblich riet er seinem Bruder, sich als Konsul an die Spitze der revolutionären demokratischen Elemente zu stellen und sie zum Kampf gegen das reaktionäre Europa [* 40] aufzurufen; ebenso vergeblich war nach der Niederlage bei Waterloo sein Rat, die Kammern auszulösen und als Diktator Frankreichs vereinigte Kraft [* 41] gegen die Koalition zu führen.
Als nichts mehr zu retten war, kehrte er nach Italien zurück. In Turin auf Befehl des österreichischen Generals Bubna verhaftet und auf die Citadelle gebracht, konnte er nur durch die dringende Fürsprache des Papstes und unter der Bedingung, daß er den Kirchenstaat nicht verlasse, im September 1815 seine Freiheit wiedererlangen. Mit seiner Rückkehr nach Rom endete seine politische Laufbahn. Er lebte von jetzt an bald in Rom, bald auf seinen Gütern. Erst nach der Julirevolution von 1830 ward er des Zwanges ledig und verweilte nun geraume Zeit in England, von wo er 1838 auch Deutschland [* 42] besuchte, später aber nach Italien zurückkehrte.
Fürstliche Pracht umgab ihn, und Beschäftigung mit Wissenschaft und Kunst füllte seine Tage aus. Er starb in Viterbo. Von seinen Schriften sind zu erwähnen: der Roman »La tribu indienne, ou Édouard et Stellina« (Par. 1799, 2 Bde.);
das von ihm während seines Aufenthalts in London verfaßte und dem Papst zugeeignete Epos »Charlemagne, ou l'Église délivrée« in 24 Gesängen (1814, 2 Bde.),
worin er gegen seinen Bruder eiferte und die Bourbonen feierte;
ein andres, »La Cyrnéide, ou la Corse sauvée« (1819),
Banco - Banda

* 43
Band.worin er die Vertreibung der Sarazenen aus Corsica besang, und »Mémoires«, von denen nur der erste Band [* 43] (deutsch, Darmst. 1836) erschienen ist.
Die nicht ganz zuverlässigen »Mémoires secrets sur la vie privée, politique et littéraire de Lucien Bonaparte« (Lond. 1819, 2 Bde.) sollen von Alphonse de Beauchamp verfaßt sein.
Vgl. Jung, »Lucien et ses mémoires« (Par. 1882-83, 3 Bde.).
Nachkommen von Lucian Bonaparte. Aus erster Ehe Lucians mit Christine Boyer (gest. gingen hervor zwei Töchter:
a) Charlotte, geb. nach dem 1841 erfolgten Tod ihres ersten Gemahls, des Fürsten Mario Gabrielli, seit 1842 Gattin des römischen Arztes Centamori, wohnte seitdem mit ihrem Gatten in Rom, starb daselbst und
b) Christine Egypte, geb. seit 1818 Gemahlin des schwedischen Grafen Arved Posse, seit 1824 des Lords Dudley, starb in Rom. - Aus Lucians zweiter Ehe mit der Witwe Jouberthon, Alexandrine Laurence de Bleschamp (geb. 1778, gest. in Sinigaglia; Verfasserin einer Dichtung: »Batilde, reine des Francs«, 1820, neue Aufl. 1846, sowie eines gegen Thiers' »Geschichte des Konsulats« gerichteten »Appel à la justice des contemporains de feu Lucien Bonaparte«, 1845), stammten fünf Söhne und vier Töchter, von denen sich folgende einen Namen gemacht haben:
c) Charles Lucien Jules Laurent, Prinz Bonaparte, Fürst von Canino und Musignano, geb. zu Paris, besuchte verschiedene italienische Universitäten und widmete sich dann in Amerika naturhistorischen Studien. Eine Frucht derselben war die »American ornithology« (Philad. 1825, 3 Bde.; neue Ausg. 1876) als Fortsetzung zu Wilsons gleichnamigem Werk. Hierauf nach Italien zurückgekehrt, wo er in Rom seinen Aufenthalt nahm, erwarb er sich durch das berühmt gewordene Prachtwerk »Iconografia della fauna italica« (Rom 1833-1841, 3. Bde.) unter den Naturforschern eine ehrenvolle Stellung. Schon vorher hatte er eine Schrift: »Sulla seconda edizione del regno animale di Cuvier« (Bologna 1830),
sowie einen »Saggio di una distribuzione degli animali« (Rom 1831) herausgegeben, wozu später noch der »Catalogo metodico dei mammiferi europei« (Mail. 1845) und der »Catalogo metodico dei pesci europei« (Neap. 1846) kamen. Auf den meisten wissenschaftlichen Kongressen Italiens [* 44] 1830-42 wurde er zum Präsidenten erwählt. Als Liberaler war er im Anfang der römischen Bewegung ein Verehrer Papst Pius' IX., wandte sich aber später dem Radikalismus zu und trat mit Sterbini, Cernuschi u. a. an die Spitze der republikanischen Partei. Seit Januar 1848 Oberst der akademischen Legion, wurde er zum Deputierten in die römische Konstituante gewählt und fungierte mehrmals als deren Vizepräsident. Nach dem Einzug der Franzosen in Rom flüchtete er nach Paris, wo er wieder naturwissenschaftlichen ¶