mehr
des waldarmen und eminent fruchtbaren Prairiegebietes die westeurop. Märkte mit immer gewaltiger anschwellenden Getreidemassen zu überschütten. In dem Zeitraum von 1879 bis 1881 belief sich ihre Getreide- und Mehlausfuhr durchschnittlich pro Jahr auf 102 Mill. hl, 1880/81-88/89 auf 63,1 Mill hl, 1891/92-93/94 wiederum auf 98,2 Mill. hl. Wenn auch die Exporte der einzelnen Jahre unter dem Einfluß der Ernteschwankungen und der angesammelten Vorratsmengen stehen, so ist doch unverkennbar seit einiger Zeit ein Stillstand oder Rückgang in den Ausfuhrmengen eingetreten, da nicht nur die gestiegenen Landpreise auf die weitere Ausdehnung [* 2] des Anbaues hemmend wirken, sondern auch die schnell wachsende Bevölkerung [* 3] des Landes immer größere Mengen der einheimischen Ernte [* 4] absorbiert. Im Export des wichtigsten Welthandelsproduktes, des Weizens, hat, von vorübergehenden Schwankungen abgesehen, Rußland in dem Maße, wie sein Eisenbahnnetz sich vervollständigte, in den letzten Jahren die Vereinigten Staaten [* 5] immer mehr überflügelt, wie es denn überhaupt weitaus den Vorrang auf dem Gesamtgebiet der Getreideausfuhr behauptet.
Seitdem die russ. Regierung 1889 gar noch die Regelung des ganzen Eisenbahntarifwesens an sich gezogen hat, wird überdies der Getreideexport durch eine planmäßige Tarifpolitik gestützt. Diese befolgt nicht nur die möglichste Verbilligung des Exportes als obersten Grundsatz, sondern verwirklicht diesen Zweck insbesondere noch in der Art, daß sämtliche Getreideexportgebiete des Inlandes in Bezug auf die Transportkosten in eine gleiche Lage versetzt werden, so daß auch die entferntesten Produktionsbezirke für die Ausfuhr herangezogen werden. In jüngster Zeit hat die Regierung, nachdem sie die Beleihung der Getreidevorräte in der weitgehendsten Weise direkt wie indirekt befördert hatte, sogar Agenturen an den Hauptgetreidemärkten des Auslandes eingerichtet, deren telegr. Berichten durch Anschlag auf sämtlichen größern Stationen des Ausfuhrgebietes die weiteste Verbreitung verschafft wird. Dem schnellen Wachstum der russ. Ausfuhr liegt indessen weniger eine fortschreitende Ausdehnung der Anbauflächen zu Grunde als eine fortschreitende Heranziehung der im Innern des Landes vorhandenen Vorräte.
Erst seit dem Anfang der achtziger Jahre gewinnt die ostind. Weizenausfuhr, die sich seit Beginn der siebziger Jahre zu entwickeln begann, zusammen mit der Reisausfuhr eine stärkere Ausdehnung. Auch hier handelt es sich wesentlich nur um Flüssigmachung vorhandener Vorräte durch eine allmählich fortschreitende Verkehrsentwicklung. Von einem plötzlichen Emporschnellen der Exportziffer im J. 1893 abgesehen, ist die Weizenausfuhr nach der Mitte der achtziger Jahre wieder erheblich zurückgegangen.
Nachdem sie längere Zeit auf einem gleichmäßigen Niveau sich behauptet hatte, ist sie in den letzten Jahren abermals stark gesunken. Während die Reisausfuhr auf 136,9 Mill. Rupien 1895 stieg, fiel die Weizenausfuhr infolge der guten amerik. Ernte auf 25,6 Mill. Rupien gegen 143,8 Mill. Rupien 1892, und das trotz der beispiellos niedrigen Löhne, die in der Landwirtschaft für Männer 6,60 M., für Frauen 4,40 M., für Kinder 2,20 M. monatlich betragen.
Während die Ausfuhr der Balkanstaaten in den letzten Zeiten ziemlich gleich bleibende Verhältnisse aufweist, hat Argentiniens Export in kurzem sich mit einer geradezu beispiellosen Schnelligkeit entwickelt. Seine Weizenausfuhr, die 1889 sich erst auf 228000 Doppelcentner belief, hob sich bis 1894 auf den Betrag von 16,1 Mill. Doppelcentner, und es ist schwer abzusehen, wann sie die Höhe ihrer Entwicklung erreicht haben wird. Von der gesamten zum Weizenbau geeigneten Fläche, die in dem vorwiegend ebenen Lande nach sorgfältigen Berechnungen gegen 60 Mill. ha, mithin mehr als die Gesamtfläche des Deutschen Reichs beträgt, sind bisher nicht viel mehr als 1 Mill. ha mit Weizen bestellt.
Dabei besitzen die bessern Distrikte einen unvergleichlichen Reichtum an mineralischen Pflanzennährstoffen bei großer Stärke [* 6] der Ackererde. Das Klima gestattet nicht nur zwei Ernten im Jahre einzuheimsen und das ganze Jahr hindurch landwirtschaftliche Arbeiten vorzunehmen, sondern gewährt auch eine mehrmonatige Saatzeit für das Getreide, [* 7] was eine bedeutende Ersparnis an Arbeitskräften und geringere Gefährdung der Ernte zur Folge hat. Die Möglichkeit, das Vieh das ganze Jahr über im Freien laufen zu lassen, und der Reichtum an natürlicher Weide, [* 8] der den Futterbau überflüssig macht, verbilligt die Viehhaltung und dadurch mittelbar auch den Ackerbau in ganz außerordentlichem Maße. Das Fehlen des Waldes und Buschwerks endlich, das die Kolonisierung von der schweren und langwierigen Rodungsarbeit befreit, sichert dem Gebiete die gleichen Vorteile, wie sie die Kultivierung der nordamerik. Prairiegebiete genossen hat.
In Bezug auf den Transport lebender Tiere und tierischer Produkte behauptet die Nordamerikanische Union noch immer weitaus den Vorrang, obschon die bis 1880 dauernde rapide Entwicklung der Ausfuhr für die meisten dieser Artikel seitdem ebenfalls zum Stillstand gekommen ist, oder gar einen mäßigen Rückgang erfahren hat. Die Ausfuhr umfaßt vorwiegend, außer lebenden Rindern und Schafen, Schinken und Speck, Rindfleisch frisch und gesalzen, Butter, Käse, Schmalz, konserviertes Fleisch und gesalzenes Schweinefleisch.
Neben ihr sind seit einiger Zeit andere Hinterländer stärker hervorgetreten, wie Australien [* 9] mit Neuseeland, Canada, Argentinien u. s. w. Insbesondere hat Australiens und Neuseelands Ausfuhr von frischem Rind- und Hammelfleisch seit Mitte der achtziger Jahre einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die austral. Wolle hat im Verein mit der Kapwolle schon seit den sechziger Jahren die Wollproduktion Europas nach und nach vernichtet, indem sie dieselbe unrentabel machte.
Von 1862 bis 1888 stieg die Wollausfuhr Australiens von 81 Mill. Pfund auf 473 Mill. Pfund. Bis 1891 waren die Schafherden Australiens und Neuseelands auf 120 Mill. Stück angewachsen. Neuseeland allein exportierte, Rinder [* 10] und Lämmer auf Schafe [* 11] rechnerisch reduziert, 1891 nicht weniger als 2153000 Stück Schafe in Gestalt von frischem Fleisch. In schneller Zunahme befindet sich die Ausfuhr von Molkereiprodukten Neuseelands und Canadas, die für Neuseeland 1890: 3,6 Mill. Pfund Butter und 3,7 Mill. Pfund Käse, für Canada 8,4 Mill. Pfund Käse umfaßte.
Das wichtigste Einfuhrland für alle vorgenannten landwirtschaftlichen Produkte war von jeher und ist auch gegenwärtig immer noch England, das hieraus eine erhebliche Förderung seiner großartigen industriellen und Handelsentwicklung empfängt, und dessen bedeutende Aufnahmefähigkeit bis dahin ¶
mehr
durch keinerlei handelspolit. Beschränkungen abgeschwächt wurde. Nur in der Form seuchenpolit. Maßregeln, welche die sofortige Abschlachtung des importierten lebenden Viehs in den Einfuhrhäfen des Landes erzwingen, ist der einheimischen hochwertigen Viehzucht [* 13] ein gewisser Schutz gegen die auswärtige Konkurrenz gewährt worden. Zur Zeit deckt England seinen Weizenbedarf nur noch höchstens zu einem Drittel mit dem Produkt der eigenen Ernte, das übrige liefert ihm das Ausland.
Wenn auch für die übrigen Getreidesorten, ausgenommen Mais, die Verhältnisse der Bedarfsdeckung für England günstiger liegen als beim Weizen, insofern noch der größere Teil der benötigten Erntemenge im Lande selbst gebaut wird, so wird doch die größere Hälfte des gesamten Kornbedarfs aus dem Auslande zugeführt, und zwar Gerste [* 14] und Hafer [* 15] vornehmlich aus Rußland. Aber auch für die Deckung seines Bedarfs an Fleisch und andern tierischen Produkten ist England in außerordentlich hohem und immer noch steigendem Grade auf das Ausland angewiesen. Von dem Gesamtbedarf an Rindfleisch wurden 1890 schon 36 Proz., von Hammel- und Lammfleisch 25 Proz., an Schweinefleisch sogar mehr als 50 Proz. durch das Ausland geliefert. In Molkereiprodukten (Butter und Käse) kommt die Einfuhr, an der Dänemark [* 16] und Holland hervorragend beteiligt sind, annähernd der inländischen Produktion gleich.
Großbritannien [* 17] zunächst stehen nach Größe der Getreideimporte Frankreich und Deutschland, [* 18] jedoch mit stark schwankenden Beträgen. Ihnen folgen Belgien [* 19] und die Niederlande; [* 20] neuerdings gewinnt auch Italien [* 21] in dieser Beziehung größere Bedeutung. 1893/94 führten Getreide aller Art ein in Tausenden Quarters (zu 2,9078 hl):
Großbritannien u. Irland | 43706 |
---|---|
Deutschland | 18882 |
Frankreich | 17406 |
Niederlande | 10022 |
Belgien | 8831 |
Italien | 2803 |
Deutschland insbesondere deckt seinen Gesamtbedarf an Getreide zu einem Fünftel bis zu einem Siebentel aus dem Auslande, und zwar in erster Linie durch russ. Zufuhren. Nur für Weizen behaupten gegenüber Rußland Argentinien und die Vereinigten Staaten von Amerika [* 22] den Vorrang, für Mais und Dari die Vereinigten Staaten von Amerika und Rumänien. [* 23] Von dem steigenden überseeischen Import von lebendem Vieh in Europa [* 24] ist Deutschland direkt bisher wenig berührt worden, obwohl seine Einfuhr in fortwährendem Wachsen begriffen ist, wohl aber indirekt, insofern es den vorteilhaften engl. Markt für den Absatz seiner Produkte mehr und mehr verloren hat. Die Hauptbezugsquellen für lebendes Vieh sind Österreich-Ungarn [* 25] und Dänemark. Die Einfuhr von Fleischprodukten aus Amerika und Australien hat auf dem europ. Kontinent bisher keine schwerwiegende Bedeutung erlangt. In Deutschland speciell wurde sie in Bezug auf amerik. Produkte durch ein von 1883 bis 1891 dauerndes Verbot gehemmt.
Diese ganze Entwicklung der Weltmarktverhältnisse mußte notwendig einen starken Druck auf die Preise der europ. Märkte ausüben. Am stärksten wurde dieser in dem freihändlerischen England fühlbar, das dem Anprall in erster Linie ausgesetzt war, während auf dem europ. Kontinent zunächst die Preise mehr indirekt durch Rückwirkung als direkt betroffen wurden. Hatte England dis dahin die höchsten Getreidepreise [* 26] verzeichnet, so erlangte es nunmehr unter dem Ansturm der überseeischen Konkurrenz die niedrigsten. Am meisten verspürten den Druck die Weizenpreise.
Sie sanken von 83 sh 11 d für das Quarter von 220 kg im Durchschnitt der J. 1801-10 und 54 sh 7 d während der J. 1851-60 allmählich bis auf 31 sh 11 d im J. 1890, was einem Preise von 143,5 M. pro Tonne entspricht, um später sogar auf 108 M. pro Tonne im J. 1895 weiter zu fallen. Weit weniger intensiv machte sich der Rückgang der Preise bei Gerste und Hafer geltend, obschon auch für diese Getreidearten die Preise erheblich und in fortschreitendem Maße fielen. Mit 1883 begannen auch die Viehpreise allmählich zu weichen. Es wurden notiert auf dem Londoner Markt durchschnittlich per Stein von 8 Pfund lebend:
Jahre | Rindvieh geringste Qualität sh | d | beste Qualität sh | d | Hammel geringste Qualität sh | d | beste Qualität sh | d | Schweine geringste Qualität sh | d | beste Qualität sh | d |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1883 | 4 | 3 | 6 | 1 | 5 | 6 | 7 | 3 | 4 | 0 | 4 | 9 |
1889 | 2 | 4 | 4 | 10 | 3 | 9 | 6 | 4 | 2 | 6 | 4 | 5 |
Übereinstimmend mit den englischen bewegten sich die Getreidepreise auf den kontinentalen Märkten, nur daß sie hier in den Haupteinfuhrländern Frankreich und Deutschland sich im allgemeinen um den Betrag der hier eingeführten oder erhöhten Zolle über dem Niveau des Londoner Marktes hielten. Während in Berlin [* 27] der Weizenpreis 1879-83 durchschnittlich noch mit 205,08 M. pro Tonne notiert wurde, sank er trotz einer vorübergehenden Erhöhung im J. 1891 bis zum J. 1894 auf 136,1 M. Roggen fiel 1881-94 ebendort von 219,5 M. auf 117,4 M. Weniger litt auch hier das Sommergetreide.
Große Braugerste ging in Danzig [* 28] während der angegebenen Periode im Preise von 152,4 auf 122,6 M. zurück, Hafer in Berlin von 150,6 auf 122,2 M. Trotz mancher Abweichungen im einzelnen ist die Bewegung auf allen Kontinentalmärkten eine völlig ähnliche. Indessen beschränkt sich der Preisrückgang auch hier keineswegs auf die verschiedenen Getreidearten, die allerdings nach dem Wertbetrag unter allen Welthandelsartikeln in erster Linie stehen. Eine Reihe anderer landwirtschaftlicher Produkte erlitten das gleiche Schicksal zunehmender Entwertung.
Auf dem Berliner [* 29] Wollmarkt sanken in dem Zeitraum von 1875 bis 1892 die Preise für mittlere Tuchwolle von 186-201 M. auf 111-130 M. pro Centner zu 50 kg, die Preise für feine wie für ordinäre Wolle in ähnlichem Verhältnis. Die Spirituspreise wurden in Hamburg [* 30] 1880 noch mit 51,4 M. für 10000 Literprozente Tralles mit Faß [* 31] notiert, 1894 nur noch mit 19,1 M., während die Preise der Speisekartoffeln bis zu Anfang der neunziger Jahre mit Schwankungen, die durch die wechselnden Ernteverhältnisse verursacht waren, eine steigende Tendenz behaupteten und erst seitdem einen erheblichen Rückgang zeigen.
Rohzucker sank im gleichen Zeitraum nach Magdeburger Notierung von 64,1 M. für 100 kg I. Produkt auf 24,3 M. Der Rapspreis stellt sich heute ungefähr auf etwa zwei Drittel des Preise der J. 1850-55. Hat der Rückgang der Voll- und Rapspreise eine allgemeinere Bedeutung, so wird von dem Rückgang der Spiritus- und Zuckerpreise in ganz hervorragendem Grade Deutschland getroffen, da neben Rußland Deutschland der bedeutendste Spiritusproduzent auf dem Weltmarkt ¶