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Aufmerksamkeit auf die Verteidigung des einzigen Zuganges. Lag die in der Ebene, so war man bemüht, ihr einen möglichst geringen Umfang zu geben, damit die Besatzung sie überall zu verteidigen vermöge. Der Kreis [* 2] oder das Quadrat waren daher die beste Grundform, welche im 10. und 11. Jahrh. vorzugsweise bei den aus Holz [* 3] und Erde errichteten Burg (Spitzwällen, s. d.) in Anwendung kam. Ähnlich waren aber auch die Steinburgen. Diese bestanden aus einem Burgturm, meist von rechtwinkliger Gestalt, der sich nach unten in 2-3 terrassenförmigen Absätzen verbreiterte.
Jeder dieser Absätze war mit Zinnen versehen. Diese Türme (s. Tafel: Burgen [* 4] I, [* 1] Fig. 2), die in neuerer Zeit ungenauer Weise Bergfried (s. d.) heißen, hatten im Erdgeschoß keine Thüren, der Eingang lag vielmehr mehrere Meter über dem Boden und war nur durch Leitern, herabgelassene Stricke, wohl auch durch Fallbrücken zugänglich. Die Türme hatten nach außen Buckelquadern, um das Emporschieben der Leitern durch den Feind zu erschweren, meist gar keine Fenster und waren daher zum Wohnen wenig geeignet, dienten vielmehr zur Verteidigung und zum Auslugen.
Doch erhielten sie oft Kamine, in den tiefen Fensterbrüstungen Sehgelegenheit und backofenartige Gelasse zum Schlafen. Die Besatzung oder der Burgherr mit seiner Familie bewohnten sie nur im Augenblick der höchsten Gefahr, während für gewöhnlich sein oberstes Stockwerk dem Wächter zum Aufenthalt und im Kriegsfalle zur Aufstellung von Wurfgeschossen diente, mit Zinnen und einem Schutzdach gegen feindliche Geschosse [* 5] versehen war. In ältester Zeit ward der Burgturm rund oder viereckig, später auch drei- und fünfeckig, dann aber stets mit schrägen Flächen und in spitzem Winkel [* 6] den anfliegenden Geschossen entgegengestellt.
In dem untern, nur durch eine Öffnung von oben zugänglichen, sehr stark und ohne Fensteröffnungen angelegten Teil des Burgturms befanden sich das Verließ oder Gefängnis, in das die Gefangenen hinuntergelassen wurden, und Vorratsräume. Die Abmessungen des Burgturms waren oft sehr bedeutende: in der Wartburg bei Eisenach [* 7] 9 m breit, Mauerstärke 3 m, Thür 5 m über dem Boden, Verließ 12 m tief, Höhe bis zur Plattform 22 m;
Burg Steinsberg bei Sinsheim 11 m breit, Mauerstärke 3,8 m, 29 m hoch, Thür 12 m über dem Boden, Verließ 11 m tief;
Niederburg zu Rüdesheim 9,5 m breit, Mauerstärke 3,6 m, Höhe 39 m;
das Verließ ein Schacht von 2 m Breite [* 8] und über 20 m Tiefe.
Die nur um den Burgturm gruppierten Anlagen nannte man Burgställe, festes Haus oder bei größerer Ausdehnung [* 9] Hofburg; bei geringern Mitteln ihrer Erbauer oder bei beengender Lage auf Felsen (woher «Stein» in vielen Burgnamen) bestehen die Burgställe aus einer Umfassungsmauer, einem Palas, einem Frauenhause, einer Küche und dem Turme. Da sich aber Palas, Kemenate und Küche leicht im Turme anbringen ließen, so finden sich nicht selten Burg, die nur aus Mauer und Turm [* 10] bestehen. Als Beispiel einer solchen nur für Besatzungszwecke dienenden Anlage mag die Oberburg bei Rüdesheim (s. Taf. 1, [* 1] Fig. [* 11] 3) gelten, deren Türme sich über drei inmitten eines Grabens gelegenen, von Zinnen umgebenen Stufen erhebt, sodaß der Zugang zu der letzten, nur durch Seile zugänglichen Thür hartnäckig auch nach der Einnahme der untern Bauwerke verteidigt werden kann. Bei andern Burg, die an der Lehne eines Berges liegen, bildet der meist breit angelegte Turm den Schild [* 12] gegen die von der benachbarten Höhe kommenden Geschosse (Schildburgen). Oft werden dann auch zwei durch einen Wehrgang verbundene Türme angelegt. Als Beispiel einfacher Anlage dienen die Burg Liebenzell (s. Taf. I, [* 1] Fig. 1) und als solche reicherer Anordnung Schloß Ehrenfels (s. Taf. II, [* 1] Fig. 5). In den meisten Fällen wurden die ältern Burgställe im 15. und 16. Jahrh. zu Hofburgen nachträglich umgestaltet, wie z. B. das Schloß Kriebstein in Sachsen [* 13] (s. Taf. I, [* 1] Fig. 4), in welcher der starke, mit sechs Pechnasen versehene Turm schon zu Ende des 15. Jahrh. von einem Hof [* 14] und Baulichkeiten umgeben wurde, welche den Felsenkegel in allen Teilen für den Haushalt des Besitzers ausnutzen.
Solche Hofburgen waren allseitig, namentlich an den von Natur schwachen Stellen von einem Wall, einem Graben und Mauer- oder Pfahlwerk (den Zingeln) umschlossen. Durch dieses gelangte man mittels eines, selten zweier Thoreingänge zu dem geräumigen Vorhofe (Zwinger, Zwingelhof, Zwingolf), der sich zwischen den Zingeln und der eigentlichen Burg befand. Die Thore selbst waren entweder kleine Burg für sich oder neben oder zwischen niedern, zur Verteidigung des Eingangs bestimmten Türmen angebracht.
Ein Teil des Zwingers war gewöhnlich von Wirtschaftsgebäuden und Ställen eingeschlossen und durch einzelne, in der Umfassungsmauer angebrachte Türme geschützt, aber nach der Burg zu offen und, wie überhaupt der ganze Zwinger, von letzterer durch einen Graben geschieden. Über den zwischen Zwinger und eigentlicher Burg befindlichen Graben gelangte man, namentlich bei größern Burganlagen und Wasserburgen, auf einer Zugbrücke (Schiffbrücke, Slagebrücke) zu dem auf einem festen, in den Graben vorspringenden Mauerwerk ruhenden, ein Steingewölbe bildenden Thor (Porte, Fallthor; s. Taf. I, [* 1] Fig. 5). Über diesem war die Mauer mit Zinnen versehen, hinter denen sich ein bedeckter, nach dem Innern der Burg zu offener Gang [* 15] (die Wer oder Letze) hinzog, von dem aus man durch die Luken (Fenster) der Zinnen mit Armbrüsten oder Steinen schoß.
Hölzerne Wergänge wurden vor den Zinnen angebracht, damit man auf die Angreifer am Fuße der Mauer Steine senkrecht hinabwerfen konnte. Durch das Thor trat der Ankommende unmittelbar in den Burghof oder erst in einen zweiten, engern, von der Burgmauer und den im Burghof befindlichen Gebäuden gebildeten Zwinger. Bei letzterer Einrichtung gelangte man aus diesem innern Zwinger, der bisweilen nicht um die ganze Burg herumlief oder teilweise, besonders in der Nähe der Frauenwohnungen, in einen Baumgarten umgeschaffen war, durch einen offenen, hallenartigen, mittels Fallgittern schließbaren Durchgang in den innern Burghof.
Das Leben auf solchen hat man sich keineswegs als ein behagliches darzustellen. In den kleinen Burgställen fehlte es oft am Nötigsten. Die Heizung [* 16] durch Kamine war ungenügend, die Fenster durch Brettläden verschlossen, sodaß man zwischen Dunkelheit und Zug zu wählen hatte, der Fußboden aus Estrich, die Zahl der Geräte war selbst noch im 15. Jahrh. unbedeutend. Doch fehlte selten in der Nähe ein Spiel- und Turnierplatz, ein Gärtchen u. dgl. In erweiterter Form zeigen solche Anlagen aus früherem Mittelalter das Schloß Ehrenfels am Rhein (s. Taf. II, [* 1] Fig. 5) und aus dem 15. Jahrh. die an ¶
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der Zwickauer Mulde gelegene Rochsburg in Sachsen (s. Taf. I, [* 17] Fig. 6).
Die Hofburgen erlangten unter Umständen, namentlich wenn sie zu ständigem Sitz größerer Fürsten bestimmt waren, sehr bedeutende Ausdehnung. Von den Gebäuden dieser Burg sind Palas und Hauptturm die wichtigsten. Der meist nicht oder nur nach der Außenseite befestigte Palas, welcher gewöhnlich die eine Seite des Hofs einnimmt und in den Wohnsitzen mächtigerer Fürsten oft großen Raum bietet, hatte meist zwei Stockwerke. Das gewölbte Erdgeschoß enthielt Vorratskammern, Bier- und Weinkeller u. dgl. Darüber befand sich der eigentliche Saal oder Palas, welcher zum täglichen geselligen Verkehr und zur Abhaltung von Festen bestimmt war. Eine Freitreppe (die Grede) führte aus dem Hofe zu ihm hinauf; mehrere, oft reichgeschmückte und von den Burgherren selbst bewohnte Gemächer (Kemenaten) standen mit ihm in unmittelbarer Verbindung. Die Palas mehrerer Hofburgen aus dem frühen Mittelalter haben sich erhalten. Als Beispiele seien erwähnt das Kaiserhaus zu Goslar [* 18] (s. Taf. II, [* 17] Fig. 1) aus dem 12. Jahrh., das Landgrafenhaus auf der Wartburg (s. Taf. II, [* 17] Fig. 4) aus derselben Zeit, die Burg Dankwarderode zu Braunschweig, [* 19] die Kaiserburg zu Gelnhausen, [* 20] der Reichenstein bei St. Goarshausen, die Burg zu Eger, [* 21] Nürnberg, [* 22] Wimpfen am Berg u. a. Nach der ältern, strengern Sitte war den Frauen der freie Zutritt zum Palas nicht gestattet; sie bewohnten meist ein eigenes Gebäude des Burghofs, das, vorzugsweise die Kemenate genannt, wenigstens drei Abteilungen hatte, eine für die Herrin nebst den nächsten weiblichen Angehörigen, eine für die Dienerinnen und eine dritte (das Gaden), wo die letztern weibliche Arbeiten verrichteten.
Außer der Küche und mancherlei Vorratshäusern besaß jede größere Burg eine Kapelle, und zwar zumeist von zweigeschossiger Anlage (Doppelkapellen, s. d.). Der Burghof umfaßte häufig einen kleinen Rasenplatz mit einer oder einigen Linden, denen zunächst sich gewöhnlich der Brunnen [* 23] befand. Die Verteilung dieser Gebäude in dem Burgraume war vom vorhandenen Platze abhängig, Anzahl, Größe, Ausschmückung von Macht und Reichtum des Burgherrn. In vielen Fällen gestaltete die Burg sich nach und nach zur Stadt aus, indem die Flächen zwischen den äußern Ummauerungen (Burgfreiheit) von Hintersassen bebaut und nach Bedürfnis weitere Gebiete wieder mit Mauern umgeben wurden.
Diese umfangreichen von Landes- oder Kirchenfürsten geschaffenen Anlagen hat leider der Baueifer späterer Zeiten am meisten beeinträchtigt. Doch lassen sich großartige Anlagen, wie die Burg zu Halle, [* 24] zu Braunschweig, zu Freising, [* 25] in ihren Hauptteilen noch deutlich erkennen. Sie umfassen zum Teil großartige Kirchenbauten. Trefflich erhalten ist die Burg zu Meißen [* 26] (s. Taf. II, [* 17] Fig. 6 u. 7), in welcher neben dem seit 1471 von Arnold von Westfalen [* 27] erbauten, schon schloßartigen Palas (der Albrechtsburg, A) sich der mit seinen ältesten Teilen bis ins 13. Jahrh. zurückreichende Dom B, das Bischofsschloß C, die Domherrenhöfe D, E bis T befanden, während H den Thorturm, I das Kornhaus darstellt. M ist der Brunnen, G, K und L sind moderne Anlagen und zwar ein Gasthaus, eine offene Halle und ein Denkmal Herzog Albrechts.
Dem besondern Zwecke der mönchisch-ritterlichen Gemeinschaft entsprechend sind die Burg des preuß. Ordenslandes gestaltet, wo die Ordensritter im 13. und 14. Jahrh. die in Syrien und Palästina [* 28] gesammelten Erfahrungen für den Burgenbau zu verwerten begannen. Es bestehen diese Burg aus mächtigen meist rechtwinkligen Baumassen, deren Ecken meist durch kleine und einen großen Turm (Dansker) flankiert werden. In dem Hause befindet sich der Kapitelsaal, der Remter (Speisesaal), die Kapelle.
Solche Ordensburgen finden sich in Golub (etwa 1300), Thorn, [* 29] Lochstett (1266), Graudenz [* 30] (1250); berühmt ist namentlich die großartige Marienburg [* 31] (s. Taf. II, [* 17] Fig. 2 u. 3). Diese besteht aus einem palastartigen, um einen Brunnenhof geschlossenen, seit 1280 errichteten Hochschloß A, an welches sich einerseits die Kapelle, andererseits ein die Wasserzufuhr beherrschender, durch eine Brücke [* 32] verbundener Turm anschließt, und dem Mittelschloß B, welches die vielgestaltigen Wohnräume, den Remter und die andern Festsäle beherbergt. Zum ausgedehnten Hofe dieses Bauteils gelangt man von dem Wirtschaftshofe wieder über eine Brücke.
Die geschichtliche Entwicklung des Burgenbaues ist noch nicht in allen Teilen aufgeklärt. Während des frühern Mittelalters entwickelte er sich vorzugsweise an den noch bestehenden röm. Bauresten. Er erlangte dann während der Kreuzzüge eine glänzende Entfaltung. Die Burg jener Länder, in welchen der Kampf mit den Mohammedanern am erbittertsten geführt wurde, so Syrien, Palästina, Spanien [* 33] und an diese sich anschließend die normannischen in Italien [* 34] und England, die des südl. Frankreich und jene der preuß. Ordensritter, zeichnen sich durch planmäßige, militärisch wohlerwogene Anlage aus. In Deutschland [* 35] verfiel der Burgenbau nach dem Niedergang der großen Fürstengeschlechter, welche auch hier bedeutende, wenn auch fortifikatorisch selten gleich durchbildete Anlagen geschaffen hatten. Es ist daher unberechtigt, von der Größe und Stärke [* 36] der Burg auf ihr Alter zu schließen.
Das 12. und 13. Jahrh., in welchem der kleinere Adel vorzugsweise Burg baute, brachte die wenig größern Anlagen zu stande; die von Kaiser Karl IV. erbaute Karlsburg bei Prag [* 37] ist durch südfranz. Architekten errichtet. Erst mit dem Erstarken der Fürstengewalt gegen Ende des 15. Jahrh. beginnt wieder der Bau großer Anlagen, sinken aber die kleinern zu Raubschlössern (Raubritterburgen) herab, die sowohl von den Fürsten als von den wehrkräftigen Städten in großer Zahl zerstört wurden.
Die Einführung der Schießwaffen brach vollends ihre frühere Unüberwindlichkeit. Zwar wurde vielfach versucht, sie mit neuern Befestigungswerken zu umgeben und der Landesverteidigung dienstbar zu machen; aber der Dreißigjährige Krieg erwies sie als unhaltbar und machte die städtische Festung [* 38] zum Stützpunkt der Heere. Seitdem sind die Burg fast überall verlassen und verfallen, bis zu Anfang dieses Jahrhunderts die Romantik sich für ihre Erhaltung zu bemühen begann.
Von besonderer Bedeutung für die nun vielfach beginnende Restaurierung der Burg war jene der Wartburg (durch Ritgen), des Stolzenfels (von Schinkel), des Schlosses Hohenzollern [* 39] (durch Stüler), des Schlosses Hunyad (durch Schmidt), der Marienburg (durch Steinbrecht), der Albrechtsburg, Karlsburg u. a. In neuerer Zeit hat man vielfach aus romantischer Neigung neue und burgartige Landhäuser gebaut, so schon im vorigen Jahrhundert die Löwenburg bei Cassel, 1801 die Franzensburg bei Laxenburg in Österreich, [* 40] 1842 Schloß ¶