Turm
,
Turma - Turmalin

* 3
Turm.
[* 3] jedes Bauwerk aus
Stein, Holz
[* 4] oder
Eisen,
[* 5] das im Verhältnis zu seiner Grundfläche eine bedeutende Höhe hat,
mag dasselbe eine spitze oder stumpfe Endigung haben. Turm
dienten zunächst Zwecken der Verteidigung,
und zwar meist gleichzeitig um den Angegriffenen vor dem Feinde zu schützen und ihm die Möglichkeit leichterer
Abwehr zu
gewähren, dann aber auch zur
Aufstellung von Schleudermaschinen und
Geschützen sowie zur Aussicht
(Lug ins Land, Wartturm
),
um den Feind zu erspähen.
Sie haben aber oft auch den Zweck, Glocken, Fahnen, Leuchtfeuer, optische Telegraphen, ein Nebelhorn u. a. aufzunehmen, welche man weithin hören oder sehen soll, oder werden in manchen Fällen zur Aufnahme eines Wasserreservoirs (Hochreservoir) oder auch nur wegen einer schönen Aussicht erbaut. Am häufigsten sind die runden oder eckigen Festungstürme der antiken und mittelalterlichen Stadtmauern und Burgen. [* 6] Dahin gehören auch die Thortürme, weil die Thore (s. d.) bei der Befestigung einer Stadt besondere Sorgfalt verlangten.
Rolle - Rollett

* 7
Rollen.
Zum
Angriff einer belagerten Stadt dienten im Mittelalter die aus Holz konstruierten, auf Rollen
[* 7] oder Rädern stehenden sog.
«Wandeltürme». Künstlerisch bedeutungsvoller sind die Kirchtürme, welche
schon in der Frühzeit des
Christentums als
Glockentürme
(Campanile, s. d.) auftreten.
Ihre vollendete Ausbildung
erfuhren die Kirchtürme jedoch erst im Norden.
[* 8] Der roman.
Stil liebte es, sogar den
Kirchen deren mehrere zu geben und zwar
je zwei an den Façaden des Längs- und Querschiffs und einen über dem Schneidepunkt beider (Vierungsturm
).
In der
Gotik erhielten die Turm
weitere Schmuckmotive, die reich verzierten
Strebepfeiler und namentlich
die durchbrochenen
Helme.
[* 9] Als schönstes
Beispiel got. Turm
anlagen kann der Turm des
Münsters in Freiburg
[* 10] i. Br. gelten (s.
Tafel:
Deutsche Kunst
[* 11] II,
[* 1]
Fig. 4). Die Frauenkirche zu
Eßlingen,
[* 12] die Elisabethkirche zu
Marburg,
[* 13] die Liebfrauenkirche zu
Würzburg
[* 14] sind weitere
Beispiele
schöner alter Turm.
Die riesigen Doppeltürme der großen
Dome wurden meist erst in der Spätgotik oder
gar nicht fertig.
Die bedeutendsten fertig gewordenen
Anlagen sind: der Nordturm
des
Münsters zu
Straßburg
[* 15] (von Erwin mit der ganzen Westfaçade
angefangen, von
Ulrich von Ensingen 1419 fortgeführt, von
Johannes Hültz 1439 vollendet, 142 m hoch;
[* 1]
Fig. 10);
der Nordturm
von St.
Stephan in
Wien
[* 16] (um 1350 begonnen, wahrscheinlich von
Meister Wenzla nach neuem
Plan weiter geführt, 1433 von
Hans von Prachatitz vollendet, 1859-64 von Ernst und Schmidt erneuert, 137,8 m hoch;
[* 1]
Fig. 6);
der Nordturm
der
Kathedrale zu
Antwerpen
[* 17] (nach 1500 von
Herman
van Waghemakere vollendet, 123 m hoch; s.
Tafel:
Niederländische Kunst
[* 18] 1,
[* 1]
Fig. 1);
ferner mehrere Turm
franz. und engl.
¶
mehr
Kathedralen. Halbfertig und erst in unserm Jahrhundert ausgebaut sind die Turm
am Dom zu Köln,
[* 20] zu Regensburg,
[* 21] zu Ulm,
[* 22] zu Frankfurt
[* 23] u. a. m.
Die Renaissance übertrug den Bau von Ziertürmen auch auf den Profanbau, bildete die Kirchtürme jedoch nicht mehr in altem
Glanz weiter. Doch entstanden namentlich in Belgien,
[* 24] England (durch Chr. Wren) und Oberitalien
[* 25] noch eine
Reihe von in Stein, meist wurde das Hauptgewicht auf die Durchbildung der Holzhelme gelegt, so namentlich in Holland und dem
von ihm künstlerisch abhängigen Oberdeutschland. Die Kuppeln (s. d.) bildeten das Ideal der Kirchenbaumeister jener Zeit,
die Turm
erscheinen oft nur als Begleiter dieser.
Geschichtskarten von D

* 32
Deutschland.
So an Sant' Agnese in Rom,
[* 26] St. Paulskathedrale in London
[* 27] (s. Tafel: Londoner Bauten,
[* 3]
Fig. 3), La Superga bei Turin,
[* 28] Theatinerkirche
in München,
[* 29] Nikolaikirche zu Prag.
[* 30] Einer der schönsten Turm
der Barockzeit ist der der kath. Kirche zu Dresden
[* 31] (von Chiaveri).
In neuerer Zeit hat man den Bau von Kirchtürmen wieder lebhafter betrieben. Die höchsten neuen in Deutschland
[* 32] sind das Turmpaar
des Kölner
[* 33] Doms (160 m hoch; s. Tafel: Kölner Dom, Bd. 10, S. 502), der Turm der Nikolaikirche zu
Hamburg
[* 34] (1845-74 von G. G. Scott, 117 m hoch) und des Münsters zu Ulm (1890 vollendet, 161 m hoch).
Auch die Mohammedaner bauten neben ihre Gebethäuser Turm, welche zum Teil von großer Schönheit sind, z. B. der Turm der Kathedrale in Sevilla, [* 35] s. Tafel: Arabische Kunst I, [* 3] Fig. 4. (S. Minaret.)
Das Turmdach (s. Dach) [* 36] ist entweder eine Pyramide (Helmdach, Kaiserdach) oder ein Kegel (Kegeldach). Bei hölzernen Turmdachstühlen bediente man sich früher des sog. Kaiserstiels, der in der Mittelachse durch die ganze Höhe reichte und in jedem Geschoß [* 37] durch sog. Balkenschlösser (kreuzweis übereinander gelegte Balken) befestigt wurde (s. nachstehende [* 3] Fig. 1). Die damit verbundene feste Vereinigung der Turmpyramide mit dem Mauerwerk wirkt jedoch schädlich, da die erforderliche elastische Bewegung des Turm bei Wind direkt auf das Mauerwerk übertragen wird; ferner erfordert diese Konstruktion viel Holz, und die Balkenschlösser verbauen den Innenraum. Man wendet daher jetzt nur noch die Mollersche Konstruktion [* 3] (Fig. 2) an, bei der die Turmpyramide auf einem unverschieblichen Kranz von Schwellen steht, die auf dem abgeglichenen Mauerwerke ruhen, und bei der einer Drehung des Daches durch Wind mittels liegender Andreaskreuze (s. Kreuzstreben) entgegengewirkt wird.
Knäs - Knaus

* 38
Knauf.Nur im obern Teil ist ein kurzer Kaiserstiel eingefügt. Auf gleiche Weise werden die Dachreiter (s. d.) gebildet. Massive Turmdächer werden aus Haustein oder Ziegel verschieden konstruiert. Eiserne Konstruktionen werden den hölzernen nachgebildet. Die Bekrönung eines Turm geschieht durch einen Knauf [* 38] aus Werkstein oder Metall; durch denselben geht eine Eisenstange hindurch, die oben ein Kreuz, [* 39] einen Turmknopf (s. d.) oder eine Wetterfahne trägt. Bei Kirchtürmen tritt als oberer Abschluß auch die Kreuzblume [* 40] (s. d.) auf. - In neuerer Zeit sind einige freistehende eiserne Turm von bedeutender Höhe entstanden, wie der Eiffelturm [* 41] (s. d.) und der Watkinturm (s. d.). -
Vgl. Sutter, Turmbuch (Berl. 1888; 2. Aufl. 1895).
Über Turm im Schachspiel s. d.