s. v. w. Staatskasse, insbesondere ein Vorrat an barem
Geld, welcher vom
Staat für außergewöhnliche
Bedürfnisse, vornehmlich zur
Deckung der ersten großen
Ausgaben vor
Ausbruch und bei Beginn eines
Kriegs zurückgelegt und
unter besonderer
Verwaltung gehalten wird. Ein solcherSchatz wurde früher von Herrschern im dynastischen
Interesse
(Perser, orientalische
Fürsten) erhalten. Gegenwärtig hat nur das
Deutsche Reich
[* 4] einen S. von Bedeutung. In
Preußen,
[* 5] wo
FriedrichWilhelm I. einen ansehnlichen S. bildete, mußten Etatsüberschüsse, sofern über dieselben nicht anderweit durch
Gesetz verfügt war, in den S. abgeliefert werden, ohne daß für die
Höhe eine
Grenze gesetzt war. 1866 wurde,
nachdem der vorhandene
Schatz für Kriegszwecke verwandt worden war, ein neuer S. im Betrag von 30 Mill. Thlr. gebildet.
An dessen
Stelle ist 1871 der
Reichskriegsschatz (s. d.) getreten.
Die volkswirtschaftlichen, teilweise aus merkantilistischen Überschätzungen des
Geldes hervorgegangenen Bedenken, welche
man früher gegen den S. hegte, als werde durch denselben dem
Verkehr produktives
Kapital entzogen, halten
nicht
Stich gegenüber dem
Bedürfnis, bei unvermutetem
Ausbruch eines
Kriegs auf eine bereite
Summe rasch zurückgreifen zu können,
ohne durch sofortige Ausschreibung von
Kriegssteuern Mißtrauen zu erregen oder sich der
Gefahr auszusetzen, bei
Auflegung eines
Anlehens nicht die ganze gewünschte
Summe zu erhalten oder dasselbe zu allzu niedrigem
Kurs begeben zu
müssen. Wie viele andre
Güter, welche für den
Fall eines Bedürfnisses bereit gehalten werden müssen, ist der S., auch
wenn er keine
Zinsen trägt, keineswegs als
totes Kapital zu betrachten, sobald er nur seinen
Zweck erfüllt.
Übrigens ist die
Notwendigkeit der Ansammlung eines Staatsschatzes eine durchaus relative, indem sie durch die politische
Stellung des
Staats,
Beschaffenheit des Staatsgebiets,
Ausbildung des
Kreditwesens etc. bedingt ist.
amtliches
Register, in welches Darlehnsforderungen an die Staatskasse in der Form von
Buchschulden
eingetragen werden können. Nach dem preußischen
Gesetz vom kann der
Inhaber einer Schuldverschreibung
der konsolidierten
Staatsanleihe gegen Einlieferung des
Schuldbriefs die Eintragung dieser
Schuld in das bei der Hauptverwaltung
der
Staatsschulden geführte S. beantragen. Dadurch entsteht eine
Buchschuld des
Staats auf den
Namen des eingetragenen
Gläubigers.
Dieser
Eintrag vertritt die
Stelle einer
Obligation. Der
Gläubiger erhält zwar über den erfolgten
Eintrag
eine Benachrichtigung, allein diese Benachrichtigung
ist auch nichts weiter als eine solche; sie repräsentiert nicht wie
die Staatsobligation die
Forderung selbst. Da noch ein zweites
Exemplar des Staatsschuldbuchs an einem andern
Ort geführt wird,
so ist durch das S. der Vorteil einer absoluten Sicherheit gegeben. Das S. ist so für
Stiftungen,
Fideikommisse,
vormundschaftliche und ähnliche Vermögensverwaltungen, aber auch für einzelne
Privatpersonen von großer Wichtigkeit. Durch
Löschung der
Buchschuld und Ausreichung eines neuen Inhaberschuldbriefs kann der betreffenden
Forderung die Zirkulationsfähigkeit
wiedergegeben werden.
Vgl. »Amtliche Nachrichten über das preußische S.« (3. Ausg.,
Berl. 1888).
In
Frankreich wurde ein S. (Grand-livre de la dette publique) schon durch
Gesetz vom eingeführt.
Auch bei durchaus geordnetem Staatsleben ist eine unmittelbare
Deckung der erforderlichen
Ausgaben nicht
immer möglich. Oft können Leistung und Gegenleistung der
Natur der
Sache nach sich nicht sofort begleichen, und
es sind infolge dessen Kreditverträge unvermeidlich. Hieraus entspringen die sogenannten
Verwaltungsschulden, d. h. diejenigen,
welche aus der Wirtschaftsführung der einzelnen Verwaltungszweige hervorgehen, und die innerhalb des
Rahmens der diesen
Zweigen
überwiesenen
Kredite oder ihrer eignen
Einnahmen ihre Tilgung finden (A.
Wagner). Zu unterscheiden hiervon sind die Finanzschulden,
d. h. solche, welche die allgemeine Finanzverwaltung macht.
Dieselben werden zum Teil nur zu dem
Zweck aufgenommen, um in einer
Finanzperiode den
Etat kassengeschäftlich durchzuführen.
Einnahmen und
Ausgaben sind in einer solchen
Periode nicht immer gleich hoch, wenn sie sich auch summarisch begleichen. Erfolgen
die
Einnahmen erst später, während vorher die entsprechenden
Ausgaben zu bestreiten sind, so kann man
sich durch
Aufnahme einer vorübergehenden
Anleihe, einer sogen. schwebenden
Schuld (franz. dette flottante, engl. Floating
debt, flottierende
Schuld, auch unfundierte
Schuld genannt) helfen, deren Rückzahlung mit
Hilfe jener bestimmten
Einnahmen in
Aussicht genommen werden kann.
Die übliche Form solcher
Schulden ist die
Ausgabe von verzinslichen, zu festgesetzter Zeit wieder einlösbaren
Schatzscheinen (s. d.). Dem
Wesen nach sind hierher auch alle diejenigen
Schulden zu rechnen, welche dazu dienen, um
Störungen
infolge unerwarteter Mindereinnahmen oder Mehrausgaben zu begleichen, die in der folgenden
Finanzperiode ihre
Deckung finden
sollen und meist ebenfalls durch Begebung von
Schatzscheinen aufgenommen werden können. Solche schwebende
Schulden werden oft prolongiert und dadurch thatsächlich zu dauernden.
Sie werden aber auch oft, wenn die Finanzverwaltung mehr nur die Bedürfnisse der Gegenwart ins
Auge
[* 6] faßt, formell in bleibende
oder fundierte
Schulden umgewandelt. Überhaupt gehören zu den schwebenden
Schulden alle kurzfristigen und stets fälligen
Verbindlichkeiten, insbesondere die verschiedenen Depositenschulden, welche in
Frankreich
(Caisse des depôts
et des consignations) einen hohen Betrag ausmachen. Ursprünglich bezeichnete man als fundierte
Schulden solche, für deren
Verzinsung und Tilgung bestimmte
Einnahmen vorgesehen oder auch verpfändet waren. Heute, wo diese Art der Fundierung meist
außer
Gebrauch gekommen ist, nennt man fundierte
Schulden schlechthin solche, für welche eine rasche
Rückzahlung nicht vorgesehen oder eine bestimmte Tilgungspflicht nicht übernommen wird. Da
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Staatsschulden (Arten
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mehr
grundsätzlich die ordentlichen Ausgaben durch ordentliche Einnahmen gedeckt werden sollen, so dürfte die Aufnahme von dauernden
Schulden nur in Frage kommen, wenn es sich darum handelt, Mittel zur Ermöglichung außergewöhnlicher Aufwendungen zu beschaffen,
wie sie im Interesse des Schutzes und der Selbsterhaltung (Krieg) oder in demjenigen einer positiven Wohlfahrtsförderung durch
Ausführung kostspieliger Unternehmungen (Meliorationen, Flußregulierungen, Bahnbau etc.) nötig werden. Da nun in solchen
Fällen alle Aufwendungen thatsächlich jetzt schon gemacht werden, so sind auch alle Opfer von der Gesamtheit heute schon
zu tragen, sie können nicht der Zukunft durch Aufnahme von Anlehen zugewälzt werden.
Dieser Umstand gab zur Forderung Veranlassung, es sollten auch alle außerordentlichen Ausgaben durch Besteuerung
gedeckt werden. Man übersieht jedoch hierbei, daß alle Ausgleichungen von Störungen des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts
mit Opfern verknüpft sind, ferner daß, wenn auch bei der Steuer wie beim Anlehen die jetzt aufzulegende Last die gleiche ist,
doch nicht in beiden Fällen die gleichen Personen als Träger
[* 8] derselben erscheinen. Die Steuer muß von
allen Staatsangehörigen entrichtet werden ohne Rücksicht darauf, ob die Summen überall gleich verfügbar sind.
Bei dem freiwilligen Anlehen werden dagegen vorwiegend die disponibleren Summen angeboten. Strömt bei demselben auch Kapital
aus dem Ausland zu, so führt die augenblickliche örtlich-persönliche Übertragung der Last auch für
das ganze Volk zu einer zeitlichen, indem die jetzige Aufwendung von einer spätern Generation bei der Tilgung getragen wird.
Was hier von Volk zu Volk, das tritt im andern Fall von Klasse zu Klasse ein. Insofern kommt auch hier eine zeitliche Überwälzung derLast vor.
Eine solche Überwälzung ist an und für sich gerechtfertigt, wenn den spätern Steuerträgern auch die
Vorteile der außerordentlichen Aufwendung zu gute kommen. Zu ungunsten der Besteuerung kann noch weiter der Umstand sprechen,
daß die Veranlagung derselben praktisch immer unvollkommen ist, Ungleichmäßigkeiten aber um so schwerer empfunden werden,
je höher die Steuer ist. Hiernach kommen bei der Frage, ob Anlehen oder Besteuerung, im wesentlichen die
Wirkung der Steuerauflegung und die der außerordentlichen Aufwendung in Betracht.
Ist letztere sehr hoch, und kommt sie den spätern Staatsangehörigen vorzüglich zugute, so ist das Anlehen, im andern Fall
die Besteuerung am Platz. Da nun ersteres die Möglichkeit der Lastenüberschiebung bietet, so gibt es
allerdings leicht Veranlassung zu unwirtschaftlichen Mehrausgaben, welche unterblieben wären, wenn man sie sofort hätte
decken müssen. Für das Anlehen wird weiter geltend gemacht, daß dasselbe Gelegenheit zu sicherer Kapitalanlage biete, infolgedessen
zu Fleiß und Sparsamkeit anrege und in den Gläubigern konservative staatserhaltende Kräfte schaffe,
während freilich damit auch die Bildung müßiger Rentnerexistenzen veranlaßt wird.
Der Verkehr wird jeweilig bis zu einer gewissen MengePapiergeld willig annehmen, ohne daß der Kurs unter
pari sinkt. Dies geschieht jedoch, sobald jene Grenze überschritten wird, ohne daß dafür gesorgt ist, daß die überschüssige
Menge bei vorhandenen Einlösungsstellen wieder zurückfließen kann. Der Zwangskurs führt somit von jener Grenze ab zur Entwertung,
welche für Geldwesen, Verkehr und Staatskredit gleich schädlich ist. Die freiwilligen Anlehen sind innere,
wenn sie im Inland aufgelegt werden, was jedoch nicht ausschließt, daß sich bei denselben auch fremdes Kapital beteiligt.
Die äußern Anleihen werden im Ausland aufgenommen und lauten dann auf fremde Währung oder auf mehrere in ein festes Verhältnis
zu einander gesetzte Geldsorten. Bei unentwickeltem Kredit müssen den Gläubigern besondere Sicherheiten
bestellt werden. Dies geschah früher durch Verpfändung von Domänen und Landesteilen, durch »Radizierung« von Verzinsung
und Tilgung auf bestimmte Einnahmequellen, welche auch oft den Gläubigern zur eignen Verwaltung überwiesen wurden. In modernen
Kulturstaaten mit entwickeltem Kredit ist die Verpfändung nicht mehr nötig. An ihre Stelle tritt der
allgemeine auf Reichtum des Volkes u. Vertrauenswürdigkeit seiner Regierung gegründete Staatskredit, von dessen HöheZins und
Emissionskurs abhängen.
Die Begebung (Emission) von Staatsanleihen erfolgt entweder auf direktem Weg, indem der Staat sich unmittelbar an die Kapitalisten
wendet, oder indirekt, indem der Staat sich der Zwischenhändler bedient. Im erstern Fall kann der Staat
die Anlehenspapiere (Staatsschuldscheine, Staatspapiere) auf eigne Rechnung durch Agenten und Makler gegen Provision verkaufen
(Kommissionsanleihe, weil das Zusammenbringen der Zeichnungen in Kommission gegeben wird), was bei kleinen Beträgen anwendbar
ist, bei großen leicht einen Kursdruck bewirkt, oder er befolgt das französische System des beständigen
Rentenverkaufs durch Hauptsteuereinnehmer, welche das Recht haben, Inskriptionen im großen Buch vorzunehmen und Schuldtitel
auszustellen, oder endlich, er beschreitet bei großem Bedarf den Weg der Auflegung zur allgemeinen öffentlichen Subskription.
Bei letzterer werden die Kapitalbesitzer unmittelbar aufgefordert, an bestimmten Stellen (Zeichen-, Subskriptionsstellen)
ihre Erklärung zur Beteiligung an dem Anlehen in vorgeschriebener Weise kundzugeben und gegen meist ratenweise
Einzahlung die betreffenden Dokumente in Empfang zu nehmen. Wird der geforderte Betrag überzeichnet, so findet gewöhnlich
eine Reduktion nach Verhältnis der gezeichneten Summen statt. Die indirekte Emission (Negoziation) kommt meist in der Form der
Submission vor.
Der Staat fordert größere Geldinstitute, bez. Vereinigungen
von solchen (Konsortien) auf, ein Angebot zu stellen, leiht die erforderliche Summe von demjenigen, welcher sich unter sonst
gleich günstigen Bedingungen mit dem geringsten Gewinnsatz begnügt, also den höchsten Kurs zahlt, und überliefert ihm hierauf
die bedungenen Obligationen, welche der Darleiher bei dem Publikum durch Subskription, Verkauf an der Börse
oder sonst unter der Hand
[* 9] zu möglichst hohem Kurs auf eigne Rechnung unterzubringen sucht. Der gewöhnlich in Prozenten des
Anleihekapitals ausgedrückte Gewinn, den hierbei der Übernehmer der Anleihe¶