Titel
Wagner.
Wagner

* 7
Seite 16.320.
1)
Johann
Jakob,
Philosoph, geb. zu
Ulm,
[* 2] studierte seit 1795 in
Jena
[* 3] unter
Fichte,
[* 4] seit 1796 in
Göttingen,
[* 5] wurde 1803
Professor
der
Philosophie zu
Würzburg,
[* 6] 1809 pensioniert, war 1815-34 wieder als solcher angestellt und starb in seiner
Vaterstadt. Ursprünglich reiner Schellingianer, ging Wagner
nach seinem
Grundsatz:
»Konstruieren ist Kreuzigen« darauf aus, zwischen
der idealen und realen Seite des
Wissens einen
Parallelismus und infolgedessen zwischen
¶
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den Welt- und Erkenntnisgesetzen entschiedene Übereinstimmung nachzuweisen. Da jene mathematisch seien, so falle Mathematik
und Erkennen, Denken und Rechnen zusammen. Die konstruierende Methode selbst aber bestimmte Wagner
(abweichend von der triadischen
Fichtes, Schellings und Hegels) als tetradische, wobei das (überall identische) Wesen das Anfangsglied, die beiden Gegensätze,
in welchen dasselbe auseinander geht, das mittlere Doppelglied und deren Vermittelung das Schlußglied
der Reihe bildet. Von der Unfehlbarkeit derselben war Wagner
so fest überzeugt, daß er in seiner »Dichterschule«
(Ulm 1840, 2. Aufl. 1850) Anweisung gab, wie man mittels derselben »ohne Genie« Kunstwerke hervorbringen könne.
Unter seinen oft geistreichen, öfters barocken Schriften sind hervorzuheben als Hauptwerke: »Theodicee« (Bamb. 1809); »Mathematische Philosophie« (Erlang. 1811); »Organon der menschlichen Erkenntnis« (das. 1830),
welches seine Logik,
und »Religion, Wissenschaft und Staat, in ihren gegenseitigen Verhältnissen betrachtet« (das. 1819), welches seine
Geschichtsphilosophie enthält. Nach letzterer soll die Weltgeschichte vor Christo im Gemüt eine visionäre, nach ihm im
Geist eine freie Weltanschauung der Dinge gehabt haben. Kleine Schriften gab Ph. L. Adam heraus (Ulm 1839, 2 Bde.). Gesammelt erschienen
Wagners
Schriften Ulm 1852-57 in 7 Bänden.
Vgl. Adam und Kölle, J. J. Wagner
Lebensnachrichten und Briefe (Ulm 1849);
Rabus, J. J.
Wagners
Leben, Lehre
[* 8] und Bedeutung (Nürnb. 1862).
Bairak - Baireuth

* 9
Baireuth. 2) Moritz, Reisender und Naturforscher, Bruder von Wagner
6), geb. zu Baireuth,
[* 9] widmete sich dem Kaufmannsstand und kam in
ein Handelshaus nach Marseille,
[* 10] von wo aus er Algerien
[* 11] besuchte. Die hierdurch geweckte Reiselust veranlaßte ihn, 1833 bis 1836 in
Erlangen
[* 12] und München
[* 13] Naturwissenschaft, speziell Zoologie, zu studieren. Sodann ging er nach Paris,
[* 14] bereiste
zwei Jahre lang Algerien und machte als Mitglied der wissenschaftlichen Kommission den zweiten Feldzug nach Konstantine mit.
Die Resultate dieser Reisen legte er in den »Reisen in der Regentschaft Algier in den Jahren 1836, 1837 und 1838« (Leipz. 1840, 3 Bde. mit Kupferatlas) nieder. Nach seiner Rückkehr studierte er in Göttingen Geologie; [* 15] aber schon 1844 und wieder 1850 und 1852-1855 unternahm er neue größere Reisen, über die er in »Der Kaukasus und das Land der Kosaken« (Leipz. 1848, 2 Bde.),
»Reise nach dem Ararat und dem Hochland Armenien« (Stuttg. 1848),
»Reise nach Kolchis und den deutschen Kolonien jenseit des Kaukasus« (Leipz. 1850),
»Reise nach Persien [* 16] und dem Lande der Kurden« (das. 1852-53, 2 Bde.),
Nord-Amerika. Fluß- un

* 17
Nordamerika. »Reisen in Nordamerika«
[* 17] (mit Scherzer, das. 1854, 3 Bde.)
und »Die Republik Costarica« (das. 1856) berichtete. Eine fünfte Forschungsreise führte ihn 1857-59
nach den Staaten Panama
[* 18] und Ecuador.
[* 19] 1860 wurde er ordentlicher Professor und Direktor des ethnographischen
Museums zu München. Er starb Zur Darwinschen Theorie nahm Wagner
insofern eine eigentümliche Stellung ein, als er (»Die
Darwinsche Theorie und das Migrationsgesetz«, Leipz. 1868; »Einfluß
der geographischen Isolierung und Kolonienbildung auf die morphologischen Veränderungen der Organismen«, Münch. 1871) die
Bildung einer neuen Rasse, die Zuchtwahl überhaupt, von einer lange Zeit dauernden Trennung ausgewanderter Organismen von ihren
Artgenossen abhängig machen wollte. Wagner
veröffentlichte noch: »Naturwissenschaftliche Reisen im tropischen Amerika«
[* 20] (Stuttg.
1870);
»Beiträge zu einer physisch-geographischen Skizze des Isthmus von Panama« (Gotha [* 21] 1861).
Aus seinem Nachlaß erschien: »Die Entstehung der Arten durch räumliche Absonderung« (mit Biographie von Scherzer, Basel [* 22] 1889).
Wien

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Wien.3) Adolf, deutscher Nationalökonom, geb. zu Erlangen, Sohn von Wagner 6), studierte Rechte und Staatswissenschaften, ward 1858 Lehrer der Nationalökonomie an der Handelsakademie in Wien, [* 23] 1863 in Hamburg, [* 24] 1865 ordentlicher Professor in Dorpat, [* 25] 1868 in Freiburg [* 26] und 1870 in Berlin. [* 27] In den ersten Jahren seiner Wirksamkeit war er vorzüglich mit dem Bank- und Währungswesen beschäftigt. Es erschienen von ihm: »Beiträge zur Lehre von den Banken« (Leipz. 1857);
»Die Geld- und Kredittheorie der Peelschen Bankakte« (Wien 1862);
»Die österreichische Valuta« (das. 1862);
»Die Ordnung des österreichischen Staatshaushalts« (das. 1863);
»Die russische Papierwährung« (Riga [* 28] 1868);
»System der deutschen Zettelbankgesetzgebung« (Freiburg 1870, 2. Aufl. 1873) und »Die Zettelbankreform im Deutschen Reich« (1875).
Auch der Statistik wandte er sein Interesse zu, wie sein Werk »Die Gesetzmäßigkeit in den scheinbar willkürlichen menschlichen Handlungen« (Hamb. 1864) zeigt. Im Oktober 1871 hielt er in der »freien kirchlichen Versammlung evangelischer Männer« einen Vortrag über die soziale Frage, in welchem eine tiefe Differenz zwischen seinen Ansichten und denen der deutschen Freihandelsschule hervortrat. H. B. Oppenheim fand in dieser Rede wie in verwandten Kundgebungen den Anlaß zu dem Stichwort »Kathedersozialisten« (s. d.),
worauf Wagner in einem »Offenen Brief« (Berl. 1873) antwortete. Während Wagner für den von ihm bis 1872 innegehabten Standpunkt an Männern wie Schmoller, Held, Nasse und Brentano eine kräftige Unterstützung fand, ging er bald über dieselben hinaus, so daß er aus dem Vorstand des Vereins für Sozialpolitik austrat und in einem Nachwort zu seinem Gutachten über die »Kommunalsteuerfrage« (Berl. 1877) seinen abweichenden Standpunkt darlegte. In öffentlichen Versammlungen der verschiedensten Art erklärte er seine Überzeugung von der Notwendigkeit einer durchgreifenden Änderung der bestehenden Wirtschaftsordnung.
Die neue, noch nicht zum Abschluß gelangte Ausgabe von Raus »Lehrbuch der politischen Ökonomie« (Leipz. 1870 ff.), die er in Gemeinschaft mit E. Nasse übernommen hat, gestaltete sich zu einem völlig neuen Werk, in welchem er der Volkswirtschaft neue rechtsphilosophische Unterlagen zu geben sich bemühte. Daneben war er für die Tübinger »Zeitschrift für Staatswissenschaft«, für die Hildebrandschen »Jahrbücher« u. a. sehr thätig und schrieb eine große Anzahl von Flugschriften. 1882-85 war Wagner Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses.
Wagner

* 31
Seite 16.321.4) Hermann, Geograph und Statistiker, Bruder des vorigen, geb. zu Erlangen, studierte in Göttingen und Erlangen Mathematik und Naturwissenschaften und übernahm 1864 eine Lehrerstelle am Gymnasium zu Gotha. Nachdem er 1868 in das geographische Institut von Perthes als Redakteur des statistischen Teils des »Gothaer Almanachs« getreten war, gründete er mit Behm eine Publikation, welche bestimmt war, die außerordentlich zerstreuten Materialien über Areal und Bevölkerungsangaben der gesamten Erdoberfläche zu sammeln und kritisch zu sichten. Dieselbe ist unter dem Titel: »Die Bevölkerung [* 29] der Erde« von 1872 bis 1882 siebenmal als Ergänzungsheft zu »Petermanns Mitteilungen« erschienen. 1874 veröffentlichte Wagner eine von ihm bearbeitete große Wandkarte von Deutschland [* 30] (4. Aufl., ¶
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Gotha 1887) und 1888 einen Atlas [* 32] von 44 Karten für die Einführung in das Studium der Geographie (Sydow-Wagners »Methodischer Schulatlas«, 2. Aufl., das. 1889). Außer Arbeiten über die Methodik der Erdkunde [* 33] in dem »Geographischen Jahrbuch«, dessen Redaktion Wagner 1879 übernahm, und in »Petermanns Mitteilungen« gab er Guthes »Lehrbuch der Geographie« (5. Aufl., Hannov. 1883) vollständig umgearbeitet heraus. 1876 wurde Wagner als Professor der Geographie nach Königsberg [* 34] und 1880 als Nachfolger Wappäus' als Professor der Geographie und Statistik nach Göttingen berufen.
Neapel (Provinz, Stadt

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Neapel.5) Wilhelm, Philolog, geb. zu Steinau bei Hanau, [* 35] studierte in Berlin und Bonn, [* 36] war 1864-67 Privatlehrer in Manchester, [* 37] lebte dann in London [* 38] den Studien, wurde 1870 ordentlicher Lehrer, 1872 Oberlehrer, 1874 Professor am Johanneum zu Hamburg und starb am Schluß eines halbjährigen Urlaubs, während dessen er die italienischen Bibliotheken nach mittelgriechischen Handschriften durchforscht hatte, in Neapel. [* 39] Seine litterarischen Arbeiten beziehen sich teils auf die klassischen Schriftsteller, besonders auf Plautus, teils auf die mittelgriechische, teils auf die englische Litteratur. Von erstern erwähnen wir seine Ausgaben von Plautus' »Aulularia« (Cambr. 1866, 2. Aufl. 1876),
Terentius' Komödien (das. 1869),
Platons »Apologie des Sokrates« und »Kriton« (das. 1869),
alle mit englischen Anmerkungen. Auch besorgte er neue Ausgaben von Bentleys »Dissertation upon the letters of Phalaris [* 40] etc.« (Berl. 1874) sowie von Dobrees »Adversaria critica« (das. 1874-75, 2 Bde.) und »Observationes Aristophaneae« (das. 1875). Zur zweiten Klasse gehören besonders: »Medieval Greek texts« (Lond. 1870);
»Carmina graeca medii aevi« (Leipz. 1874);
»L'histoire d'Imberios« (Par. 1874);
»Alphábetos tes agapes« [»Ἀλφάβητος τῆς ἀγάπης«] (Leipz. 1879);
»Trois poèmes grecs du moyen-âge« (Berl. 1881).
Der englischen Litteratur sind zugewendet: »Shakespeare u. die neueste Kritik« (Hamb. 1874);
Ausgaben von Shakespeares »Macbeth« (Leipz. 1872),
Scotts »Lady of the lake« (das. 1876),
Marlowes »Tragedy of Doctor Faustus« (Lond. 1877);
die von Pröscholdt fortgesetzte Ausgabe von »Works of Shakespeare with critical notes« (Hamb. 1879 ff.) u. a.
Vgl. Metz, [* 41] Zur Erinnerung an Wagner. Wagner (Hamb. 1881).
Mediziner.
6) Rudolf, Physiolog, geb. zu Baireuth, Bruder von Wagner 2), studierte seit 1822 in Erlangen und Würzburg, ward dann in Paris durch Cuvier für die vergleichende Anatomie gewonnen, besuchte die Küsten der Normandie und Südfrankreichs, um an niedern Tieren Forschungen anzustellen, ging 1828 nach Cagliari, wo er die geognostische Verhältnisse studierte, ward 1829 Privatdozent und 1833 Professor der Zoologie in Erlangen und 1840 an Blumenbachs Stelle Professor der Physiologie und vergleichenden Anatomie und Zoologie in Göttingen, wo er starb. Er schrieb: »Lehrbuch der vergleichenden Anatomie« (Leipz. 1834-35, 2 Abtlgn.; 2. Aufl. u. d. T.: »Lehrbuch der Zootomie« (das. 1843-47, 2 Bde.);
»Icones physiologicae« (das. 1839-40, 3 Hefte; neu bearb. von Ecker, das. 1851 bis 1859, 4 Hefte);
»Lehrbuch der Physiologie« (das. 1839; 4. Aufl., bearb. von Funke, das. 1857);
»Handatlas der vergleichenden Anatomie« (das. 1841);
»Grundriß der Encyklopädie und Methodologie der medizinischen Wissenschaften nach geschichtlicher Ansicht« (Erlang. 1838);
»Zur vergleichenden Physiologie des Bluts« (Leipz. 1833, mit Nachträgen 1838);
auch gab er das epochemachende »Handwörterbuch der Physiologie« (Braunschw. 1842-53, 4 Bde.) heraus.
Zitteraal - Zitterfisc

* 42
Zitterrochen.Seine »Neurologischen Untersuchungen« (Göttingen 1854), veranlaßt durch Studien über den Zitterrochen, [* 42] und seine daran sich anschließenden Forschungen über Nervenphysiologie mit Rücksicht auf Psychologie führten zu einem heftigen litterarischen Streit besonders mit Karl Vogt, in welchem Wagner die extremste spiritualistische Richtung zu verteidigen suchte. Hierher gehören die Schriften: »Menschenschöpfung und Seelensubstanz« (Götting. 1854);
»Über Wissen und Glauben« (das. 1854);
»Der Kampf um die Seele vom Standpunkt der Wissenschaft« (das. 1857).
1861 veranlaßte er eine Anthropologenversammlung in Göttingen, welche sich über die Methode der Messungen am menschlichen Körper einigte. Die gewonnenen Resultate gab er in einem mit v. Baer veröffentlichten Bericht (Leipz. 1861) heraus. Auch schrieb er im Verfolg seiner anthropologischen Arbeiten: »Zoologisch-anthropologische Untersuchungen« (Götting. 1861) und »Vorstudien zu einer wissenschaftlichen Morphologie und Physiologie des menschlichen Gehirns« (das. 1860-62, 2 Tle.).
7) Ernst Leberecht, Mediziner, geb. zu Dehlitz an der Saale, studierte in Leipzig, [* 43] Prag [* 44] und Wien, habilitierte sich 1855 in Leipzig als Privatdozent, wurde 1859 außerordentlicher, 1862 ordentlicher Professor der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie daselbst, 1867 Prosektor im Jakobshospital und Konservator der pathologisch-anatomischen Sammlung. Nach Wunderlichs Tod wurde er 1877 unter Enthebung von seinen bisherigen Funktionen zum Professor der speziellen Pathologie und Therapie und zum Direktor der medizinischen Klinik ernannt. Er starb Wagner schrieb: »Der Gebärmutterkrebs« (Leipz. 1858);
»Die Fettmetamorphose des Herzfleisches« (das. 1864);
»Das tuberkelähnliche Lymphadenom« (das. 1871);
»Handbuch der allgemeinen Pathologie« (mit Uhle, 7. Aufl., das. 1876);
»Morbus Brightii« (in Ziemssens »Handbuch«, 3. Aufl., das. 1882);
»Krankheiten des chylopoetischen Apparats« (mit Vogel und Wendt, ebenda, 2. Aufl. 1878);
auch redigierte er 1860-78 das »Archiv der Heilkunde«.
Nuphar - Nürnberg

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Nürnberg.Technologen und Chemiker.
8) Rudolf von, Technolog, geb. zu Leipzig, studierte daselbst, in Berlin und in Paris Chemie, ward 1846 Assistent am Universitätslaboratorium zu Leipzig, habilitierte sich 1850 als Privatdozent der chemischen Technologie daselbst, ward 1851 Professor der technischen Chemie an der polytechnischen Schule zu Nürnberg, [* 45] 1856 Professor der Technologie in Würzburg, 1858 ordentlicher Professor in der staatswirtschaftlichen Fakultät daselbst und (bis 1868) Ministerialprüfungskommissar der technischen Lehranstalten Bayerns.
Nachdem er bereits Mitglied der Ausstellungskommission in München und Generalsekretär der Jury gewesen, beteiligte er sich als Jurymitglied auch an den Ausstellungen in London (1862), Paris (1867) und Amsterdam [* 46] (1869) und war 1872-74 Bevollmächtigter der bayrischen Regierung für die Wiener Weltausstellung. Nach Abschluß der letzten Arbeit erhielt er vom König von Bayern [* 47] den mit dem persönlichen Adel verbundenen Orden [* 48] der bayrischen Krone. Er starb in Würzburg. Wagner schrieb: »Die Chemie« (Leipz. 1850, 6. Aufl. 1873);
»Theorie und Praxis der Gewerbe« (das. 1857-64, 5 Bde.);
»Handbuch der chemischen Technologie« (12. Aufl. von Fischer, das. 1886);
»Studien auf der Pariser Ausstellung des Jahrs 1867« ¶