Gefahr
Gefährdeeid - Gefällig

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Seite 6.994. (lat.
Periculum), im Rechtswesen die Möglichkeit oder die
Wahrscheinlichkeit der schädlichen
Folge eines zufälligen
Ereignisses. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch versteht man unter Gefahr
allerdings nicht die Möglichkeit,
sondern die
Wahrscheinlichkeit und zwar die dringende
Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses. In diesem
Sinn ist
auch im
Strafrecht von Gefahr
die
Rede, wenn z. B. das deutsche
Strafgesetzbuch (§ 54) eine im unverschuldeten
Notstand begangene
Handlung für straffrei erklärt, wofern dieselbe zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr
für
Leib und
Leben des Thäters oder eines
Angehörigen begangen ist. Auf der andern Seite straft das
Gesetzbuch (§ 360, Ziff.
10) denjenigen mit
Geldstrafe bis zu 150
Mk. oder mit
Haft bis zu sechs
Wochen, der, bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr
oder
Not von der Polizeibehörde zur
Hilfe aufgefordert, keine
Folge leistete, obgleich er der
Aufforderung ohne
erhebliche eigne Gefahr
genügen konnte. Im
Privatrecht und namentlich im Obligationenrecht wird indessen auch schon die Möglichkeit
eines schädigenden
Zufalls oder der mögliche
Schade, welcher jemand zufälligerweise treffen kann, als Gefahr
bezeichnet und
aufgefaßt. Wesentlich ist hierbei, daß es sich um ein zufälliges Ereignis handeln muß; es darf kein
Verschulden des Geschädigten vorliegen, während ein schuldhaftes
Handeln dritter
Personen sehr wohl unter den
Begriff der
Gefahr
fallen kann. Übrigens wird auch das zufällige schädigende Ereignis selbst nicht selten als Gefahr bezeichnet,
und in diesem
Sinn wird der
Ausdruck Gefahr
namentlich im
¶
mehr
Versicherungswesen gebraucht. Bei der Seeversicherung z. B. hat der Versicherer alle Gefahren
zu tragen, welchen Schiff
[* 3] oder
Ladung ausgesetzt sind, sofern nicht Gesetz oder Vertrag Ausnahmen statuieren. Er trägt nicht nur die Gefahr
der Elementarereignisse
und der Seeunfälle, selbst wenn sie durch Dritte verschuldet sind, wie Strandung, Schiffbruch, Sinken, Feuer, Explosion,
Blitz u. dgl., sondern auch die Gefahr
des
Kriegs und der Verfügung von hoher Hand,
[* 4] des Seeraubs, der Plünderung, der Kaperei (Revier- und Türkengefahr
) und nach deutschem
Seerecht auch der Baratterie, d. h. der Unredlichkeit des Schiffsvolkes.
Ebenso spricht man bei der Feuerversicherung (s. d.) von der Versicherung gegen Feuersgefahr
, ebenso von der
Versicherung gegen Krankheits- und Unfallsgefahr
etc. Im Obligationenrecht ist die Frage vielfach von Bedeutung, mit welchem
Zeitpunkt die Gefahr
von dem einen auf den andern Kontrahenten übergehe, so namentlich bei dem Kauf (s. d.) die Gefahr
des Unterganges
oder der Verschlechterung (Deterioration) der Ware. In betreff der nach auswärts zu sendenden Waren trägt
nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (welches jedoch das bürgerliche Recht bestehen läßt, insofern es einen frühern Zeitpunkt
festsetzt) der Käufer von dem Augenblick an die in welchem die Ware an den Spediteur oder Frachtführer oder die sonst zum Transport
bestimmte Person übergeben wurde, wofern nichts Anderweites ausdrücklich vereinbart ist. Im Verkehr der
deutschen Eisenbahnen ist reglementmäßig als Zeitpunkt der Übergabe die Abstempelung des Frachtbriefs anzusehen und hiernach
der Gefahr
übergang zu bestimmen.
Für den Frachtführer gilt die Regel, daß derselbe für Verlust und Beschädigung des Gutes von der Empfangnahme bis zur Ablieferung
haftet, also auch für den Zufall (casus), es sei denn, daß der Schade durch höhere Gewalt (vis major,
force majeur), durch die natürliche Beschaffenheit des Gutes oder durch äußerlich nicht erkennbare Mängel der Verpackung
entstand. Diese auch für die Eisenbahnen geltenden Regeln hat das Betriebsreglement für die deutschen Eisenbahnen dahin präzisiert,
daß die letztern für die Gefahr
nicht haften, welche mit dem Transport in unbedecktem Wagen verbunden ist
oder mit dem Mangel der Verpackung oder deren mangelhafter Beschaffenheit.
Sie haften ebensowenig für die besondere Gefahr
, die mit der eigentümlichen natürlichen Beschaffenheit des Gutes oder mit dem
Transport lebender Tiere zusammenhängt, und endlich auch nicht für eine Gefahr, deren Abwendung durch Begleitung
bezweckt wird.
Vgl. Deutsches Handelsgesetzbuch, Art. 277, 324 f., 345 ff., 357, 363 ff., 395 ff., 423 ff.; Betriebsreglement für die Eisenbahnen Deutschlands [* 5] vom (»Zentralblatt für das Deutsche [* 6] Reich«, 2. Jahrg., Nr. 21).