Holberg
,
Ludwig, Freiherr von, der Vater des dänischen Lustspiels und der Schöpfer der neuern dänischen Litteratur, geb. zu Bergen [* 2] in Norwegen, [* 3] war von seinem Vater, der sich vom gemeinen Soldaten zum Oberstleutnant aufgeschwungen hatte, für den Militärdienst bestimmt, wurde, 10 Jahre alt, in ein norwegisches Regiment eingereiht, durfte jedoch später, da er im Soldatenstand keine Befriedigung fand, in Kopenhagen [* 4] Theologie studieren und ward 1702 Hauslehrer.
Spottiswoode - Sprache

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Sprache.Darauf erhielt er die geringe Stelle eines Pfarrvikars in Norwegen, erübrigte sich aber durch Privatunterricht so viel, daß er seine Lust, fremde Länder und Sitten kennen zu lernen, befriedigen und Holland und Frankreich bereisen konnte. Geldmangel nötigte ihn zur Rückkehr nach Kopenhagen, wo er nun als Lehrer der englischen, französischen und italienischen Sprache [* 5] lebte, worauf er eine Reise nach England und von da als Hofmeister eines jungen Grafen nach Deutschland [* 6] unternahm.
Einige geschichtliche Arbeiten verschafften ihm 1714 eine außerordentliche Professur an der Universität Kopenhagen und den Auftrag, die deutschen Universitäten zu besuchen. Statt dessen ging er aber nach Paris, [* 7] wo er während eines zweijährigen Aufenthalts sich mit der komischen und satirischen Litteratur Frankreichs innigst vertraut machte. Nachdem er noch Rom [* 8] besucht hatte, kehrte er in sein Vaterland zurück, wurde 1717 Professor der Metaphysik und 1720 Professor der Beredsamkeit zu Kopenhagen. Um diese Zeit begann er seine schriftstellerische Thätigkeit mit einigen polemischen Schriften auf historischem Boden und legte die ersten Proben seines poetischen Talents in dem Gedicht »Peder Paars af Hans Mikkelsen Borger i Kallundborg« (1719-20; neueste Ausg. von Liebenberg, Kopenh. 1879; deutsch, das. 1764) ab. »Peder Paars« ist ein in Alexandrinern abgefaßtes komisches Heldengedicht, das in klassischen Gestalten und Situationen alle Borniertheit und philiströse Selbstgefälligkeit der Zeit dem Leser vorführt, während das parodistische Element untergeordnet ist.
Das Gedicht rief einen wahren Sturm hervor, machte aber auch mit einem Schlag berühmt. Darauf folgten: »Hans Mikkelsens fire Skjemtedigte« (1722) und später »Hans Mikkelsens Metamorphoses eller Forvandlinger« (1726). Ein Zufall machte ihn zum Bühnendichter, und schnell hintereinander schrieb er eine große Anzahl Lustspiele, die unter dem Titel: »Hans Mikkelsens Komedier« (1723-25, 3 Bde.) erschienen (eine neue vermehrte Auflage in 7 Bdn. erschien u. d. T.: »Den danske Skueplads« 1731-1754; neueste Ausg. von Liebenberg, Kopenh. 1876) und auch in viele fremde Sprachen (deutsch in Auswahl von Öhlenschläger, Leipz. 1822-23; 4 Bde.; von R. Prutz, Hildburgh. 1868; in der ältesten deutschen Übersetzung hrsg. von Hoffory und Schlenther, Berl. 1885) übertragen wurden.
Als die vorzüglichsten müssen erwähnt werden: »Der politische Kannegießer«, der über die Lust der Handwerker, die schwierigsten politischen Fragen zu debattieren, satirisiert;
»Jakob v. Thyboe«, der in der Art des Plautus einen großprahlerischen Soldaten lächerlich macht: »Erasmus Montanus«, der über die gelehrte Pedanterie und Disputiersucht der Studenten an der Kopenhagener Universität spottet;
»Ulysses von Ithacia«, der mit allen Geschützen des Lachens die deutschen Komödien damaliger Zeit angreift;
»Jeppe vom Berge«, der mit großartigem Humor das jämmerliche Leben des damaligen dänischen Bauern darstellt;
»Don Ranudo de Colibrados«, worin über Dummstolz und damit verbundene Armut satirisiert wird, und »Die Wochenstube« welche uns eine ganze Reihe komischer Weibertypen damaliger Zeit vorführt.
Thrombus - Thugut

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Thron.
Durch sie ward Holberg
der
Stifter
der komischen
Bühne der
Dänen und bereicherte das von ihm gegründete
Nationaltheater zu
Kopenhagen (s.
Dänische Litteratur,
S. 521). Von anhaltender
Arbeit erschöpft, unternahm er 1725 seine fünfte und letzte
Reise nach dem
Ausland.
Christian VI., der kurz vor Holbergs
Rückkehr den
Thron
[* 9] bestiegen hatte, hemmte als Feind jeglichen
Vergnügens den Erguß
von Holbergs
komischem
Talent, der sich nun mehr mit gelehrten
Arbeiten beschäftigte. Er wurde 1730 zum
Professor der Geschichte, 1735 zum
Rektor, 1737 zum
Quästor der
Universität ernannt und 1747 geadelt. Holberg
starb in
Kopenhagen. Den
größten Teil seines bedeutenden
Vermögens vermachte er der
Ritterakademie zu
Sorö, wo er auch bestattet ward. Am wurde
in
Kopenhagen seine Bronzestatue (von
Th.
Stein) vor dem neuen
Nationaltheater enthüllt; eine andre (von dem schwedischen Bildhauer
Börjesson modelliert) schmückt seit 1884 die Vaterstadt des Dichters.
Außer den
Lustspielen, die das
Thun und
Treiben des dänischen
Volkes, vorzüglich des
Bürger- und Handwerkerstandes, auf das
meisterhafteste schildern und sich durch lebendige, kräftige
Laune, gediegenen
Scherz und originelle
Charaktere auszeichnen,
machte besonders noch Holbergs
satirisch-humoristischer
Roman
»Niels Klims unterirdische
Reise«, in lateinischer
Sprache (»Nicolaii Klimii iter subterraneum«, Leipz.
1741; zuletzt Kopenh. 1866; deutsch von
Wolf, Leipz. 1829; dän. von
Baggesen, 1789, und von N. V. Dorph, mit historisch-litterarischen
Erläuterungen von
Werlauff, 1841),
seinen
Namen unsterblich. Als Geschichtschreiber hat sich Holberg
durch seine »Danemarks
Riges Historie« (1732-35, 3 Bde.; neu
hrsg. von
Levin, Kopenh. 1856),
Holcus - Hölderlin

* 10
Seite 8.652.seine »Almindelig Kirke Historie« (1738-40, 2 Bde.; Ausg. von Liebenberg, Kopenh. 1867-68, 2 Bde.) und die »Beømmellge Mænds og Heltes sammenlignede Historier« (das. 1739; neu hrsg. von Liebenberg, das. 1864-65, ¶
mehr
2 Bde.) nebst den »Heltinders
eller navnkundige Damers sammenlignede Historier« (das. 1745; neu hrsg.
von Rode, das. 1861), worin er vergleichende Darstellungen berühmter Männer und Frauen nach Plutarchs Vorbild gibt, Verdienste
erworben. Wie bei allem, was Holberg
geschrieben, ist auch in diesen geschichtlichen Werken der moralische Gesichtspunkt von überwiegender
Bedeutung. Ganz selbständig tritt derselbe in mehreren seiner letzten Schriften auf, wie in den »Moralske
Tanker« (Kopenh. 1744; neu hrsg. von Roden, das. 1760) und in vielen seiner »Epistlar«
(das. 1748-54, 5 Bde.; Ausg.
von Brunn, das. 1865-76), die im übrigen Holbergs
Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit noch einmal in ihrer vollen Kraft
[* 11] zeigen.
Noch ist seine interessante, in kultur- und litterarhistorischer Hinsicht wichtige Selbstbiographie (in 3 latein.
Briefen, 1727-43) zu erwähnen. Eine kritische Behandlung von Holbergs
Schriften versuchten zuerst K. L. Rahbek und Nyerup in der
von ihnen veranstalteten Sammlung von Holbergs
»Udvalgte Skrifter« (Kopenh.
1804-14, 21 Bde.). Nach ihnen hat sich besonders
A. E. Boye durch seine Ausgaben der Lustspiele (1832 u. öfter) und des »Peder Paars« (1832 u. öfter) um die Herstellung des
echten Textes verdient gemacht.
Eine kritisch erläuterte Ausgabe der »Komedier« besorgte ferner die durch Liebenberg 1842 zu
Kopenhagen gestiftete Holberg
-Gesellschaft (Kopenh. 1848-53, 8 Bde.;
neue Ausg. 1884 ff.).
Vgl. Rahbek, Om Holberg
som Lystspildigter og om hans Lystspil (Kopenh. 1815-17, 3 Bde.);
Werlauff, Historiske Antegnelser til L. Holbergs
Lystspil (das. 1838, 2. Ausg.
1858);
Prutz, L. Holberg
, sein Leben und seine Schriften (Stuttg. 1857);
Smith, Om Holbergs
Levnet og populäre Skrifter (Kopenh. 1858);
Skavlan, Holberg
som Komedi forfatter (Christ. 1872);
Holm, Holbergs
statsretlige og politiske Standpunkt (Kopenh.
1879);