forlaufend
General-318
inspektor der 4. deutschen Armee-Inspektion unter- nahm , seine Popnlarität im Süden. Friedrich fungierte auch als Präsident derLandesverteidigungskommif- sion. Sein.Hauptinteresse aber war jetzt den Werken des Friedens zugewandt. Als Protektor der königl. Museen (seit 1871) sorgte er mit liebevollem Ver- ständnis für die Bereicherung der Sammlungen der- selben; die Inangriffnahme der Ansgrabnngen in Olympia war wesentlich seiner Mitwirkung zu dan- ken. Die Anlage der Museen für Kunstgewerbe und Völkerkunde in Berlin [* 2] wurde von ihm gefordert.
Auf seine Veranlassung erschienen die «Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Groften Kurfürsten». Die Thätigkeit seiner Gattin auf dem Gebiete gemein- nützigen Vereinslebens unterstützte er warm, nament- lich die Arbeiterkolonien und Fortbildungsschulen. Nach dem Nobilingfchen Attentat fiel ihm bis Dez. 1878 die Leitung der Negierungs- gcschäfte zu; er suchte sie gewissenhaft im Sinne seines Vaters zu führen. Denkwürdig war aus dieser Zeit das ebenso feste als versöhnliche schrei- ben, das er an den Papst richtete.
Die Erneuerung des Staatsrates 1881, zu dessen Präsidenten er 11. Juni ernannt wurde, führte ihn wiederum den Regierungsgeschäften näher. Als es sich 1880 um die Ausführung der Polenvorlagen handelte (s. Preußen), [* 3] sprach er sich aufs entschiedendste gegen jede Beeinträchtigung des Deutschtums, sei es durch Polen, sei es von anderer Seite aus. Bei verschie- denen Gelegenheiten fungierte er als Vertreter des Kaifers: 1873 bei der Eröffnung der Wiener Welt- ausstellung und bei seiner auf Einladung des Kö- nigs Oskar II. erfolgten Reife nach Schweden [* 4] und Norwegen, 1875 bei dem König Victor Emanuel in Neapel, [* 5] 1883 bei Alfons Xll. von Spanien, [* 6] wobei er auf der Rückreise auch die ital. Königsfamilie und den Papst in Rom [* 7] besuchte, sowie bei dem Leichenbegängnis Ludwigs II. von Bayern, [* 8] bei der Feier des Heidelberger Universitäts- jubiläums im Aug. 1886 u. s. w. Anfang 1887 begann bei dem Kronprinzen ein schweres Halsleiden sich zu entwickeln; eine Kur m Ems [* 9] konnte die seit dem Januar aufgetretene Heiserkeit nicht beseitigen.
Die Berliner [* 10] ^lrzte Ger- hardt, Tobold und von Bergmann erkannten schon im Mai, das; Kehlkopfkrebs vorliege. Eine Opera- tion durch Professor von Bergmann war (für den 21. Mai) bereits in Aussicht genommen, als man sich noch entfchloß, den engl. Specialarzt Morell Mackenzie zu berufen. Dieser bezweifelte, daß Krebs [* 11] vorliege, und berief sich auf das Gutachten Virchows (vom der an dem von Mackenzie aus dem Kehlkopf [* 12] exstirpierten Stückchen kein bösartiges Symptom gefunden hatte.
Der Kronprinz reiste nun auf den Rat Mackenzies, der den Einfluß der deichen Nrzte zurückzudrängen verstand, nach Eng- land und Schottland und nahm auch 21. Juni an der teil. Im September ging er mit seiner Familie nach Toblach in Tirol. [* 13] Von hier aus drangen die ersten ungünstigen Gerüchte über sein Befinden wie- der in die Öffentlichkeit. Nach kürzerm Aufenthalt in Venedig [* 14] und Baveno am Lago-Maggiore ging Friedrich 3. Nov. nach San Remo, und hier erklärte Anfang November auch Mackenzie, der im Sommer schon die Nachricht der fast völligen Heilung ausgesprengt hatte, dieZuziehung anderer Arzte (Professor Schröt- ter aus Wien, [* 15] Krause aus Berlin und Schmidt aus Frankfurt [* 16] a. M.) wieder für notwendig, und dem einstimmigen Gutachten derselben, daß Krebs vor- liege, schloß sich nun auch Mackenzie an (9. Nov.). Die Arzte stellten dem Patienten die Wahl zwischen der Operation des Luströhrenschnittes, die ohne Be- seitigung des Grundübels das Leben nur verlängern konnte, und der totalen Kehlkopferstirpation; Friedrich ent- schied sich für die erstere. Gegen Ende des Jahres besserte sich jedoch das Befinden. Aber bald nahmen die Schwellungen im Halse wieder zu, und mußte Dr. Bramann, der Vertreter Bergmanns, den Luftröhrenfchnitt vornehmen und eine Kanüle einfetzen. Mit bewundernswerter Fassung ertrug Friedrich alle Stadien des furchtbaren Leidens; mit Seelen- stärke folgte er auch der Pflicht, als der Tod Kaifer Wilhelms 9. März ihn auf den Thron [* 17] rief. Trotz seiner schweren Krankheit und trotz der rauhen Witterung reiste er mit seiner Gemahlin 10. März von San Nemo ab, hatte in Genua [* 18] mit König Humbert von Italien [* 19] ein bewegtes Wiedersehen und traf am Abend des 11. März im Schlosse zu Char- lottenburg ein. In einer Proklamation «An mein Volk» und einem Erlasse an den Reichskanzler vom 12. März (unter Benutzung eines von Gesfcken fchon 1885 für ihn gefertigten Entwurfes) ent- wickelte Friedrich die Grundsätze seiner Negierung: Un- bekümmert um den Glanz ruhmbringender Groß- thaten in gewissenhafter Beobachtung der Reichs- und Landesverfassung nur der Wohlfahrt des Lan- des zu leben, - Versprechungen, die von etwas allge- meinem Klänge scheinen mochten, aber hier Wort für Wort aus der innersten Überzeugung eines gerechten und milden Gemütes kamen.
Die mancherlei. eM- nen Ideen zur Hebung [* 20] des sittlichen und wirtschaft- lichen Lebens der Nation, die der Erlaß enthielt, auszuführen, war ihm nicht gegeben, und dem Auf- raffen seiner Kräfte in den ersten Tagen der Regie- rung folgte Mitte April ein Rückschlag, der die nahende Auflösung voraussehen ließ. Dennoch fehlten der kurzen Negierungszeit nicht charakte- ristische Ereignisse. Ein Amnestieerlah und reiche Gnadenbezeigungen bekundeten den wohlwollenden Sinn des Herrschers.
Aber als ihm Anfang April in den: Plane, feine Tochter, die Prinzessin Victoria, [* 21] mit dem Prinzen Alexander von Battenberg zu ver- mählen, die Wahl gestellt wurde zwischen einem Interesse des Staates und dem Wuusche seines väterlichen Herzens und seiner Gemahlin, entschied er sich ohne schwanken für das erstere und bestimmte auf Bismarcks Rat, daß von der geplanten Ver- lobung der Prinzessin mit dem in Ruhland verhaß- ten Prinzen bis auf weiteres keine Rede sein sollte.
War eine ausgesprochene Neigung des Kaisers für eine bestimmte Partei auch nicht nachweisbar, so war doch eine liberale Grundrichtung seines polit. Denkens bei allem Festhalten an der monarchischen Autorität unverkennbar. Ohne sie wäre das wich- tigste polit. Ereignis seiner letzten Wochen, die Ent- lassung des den liberalen Parteien m'chüed'igen Mi- nisters des Innern, von Puttkamer (9. Juni), nicht möglich gewesen. Am 1. Juni war Friedrich nach Schloß Friedrichskron, wie er das Neue Palais bei Potsdam, [* 22] seine Geburts- stätte und seinen Lieblingsaufenthalt, umgetauft hatte, übergesiedelt. Am 13. Juni mußte zur künst- lichen Ernährung geschritten werden' 15. Juni vor- mittags verschied er, standhaft und ergeben, nach einer Regierung von 99 Tagen. Die 16. Juni er- folgende Sektion der Leiche ergab die vollständige Zer- störung des Kehlkopfes durch Krebs. Am 18. Juni ¶