Er fand, daß die Bacillen des Schweinerotlaufs meist schon bei 55° in 5
Minuten getötet werden, bisweilen aber auch 70°
ebenso lange ertrugen. In mehr als etwa 1 kg schweren Fleischstücken gelang es durch
Kochen,
Schmoren,
Braten nicht, mit Sicherheit
alle, auch in der Tiefe oder im
Knochenmark vorhandenen Bacillen zu töten, nur durch 2 ½ stündiges
Kochen nicht schwerer
Stücke wurde vollständige Vernichtung der Bacillen erreicht. Nach einmonatlichem
Einsalzen waren die
Bacillen noch ungeschwächt vorhanden; sie hielten sich in gepökeltem, mit
Lake zugedecktem Fleisch mehrere
Monate, dann trat geringe
Abschwächung ein, aber selbst nach einem halben Jahr waren noch entwickelungsfähige Bacillen in dem
Fleisch vorhanden. In einem monatelang gepökelten, dann 14
Tage gründlich geräucherten Fleisch waren die Bacillen ungeschwächt;
ihre Giftigkeit nahm erst bei weiterm Aufbewahren des geräucherten
Fleisches ab, und nach einem Vierteljahr waren in einem
Schinken noch virulante
Bakterien vorhanden. Erst nach einem halben Jahr schienen sie abgestorben zu sein.
Über das
Kochen bakterienhaltigen
Fleisches s. Naturforschergesellschaft.
Die Versorgung der breiten Volksschichten mit einer hinreichenden Fleischmenge ist von der tiefeinschneidendsten
Bedeutung für das
Wohl und die Leistungsfähigkeit der
Völker. Mangelhafte
Ernährung richtet mehr
Menschen
zu
Grunde, als der
Genuß kranken
Fleisches
(Bollinger). Grundbedingung für die Möglichkeit einer allgemeinen guten Versorgung
mit
Fleisch ist ein nicht zu hoher, mit den Erwerbsverhältnissen nicht in zu grellem
Widerspruch stehender
Preis desselben.
In
Deutschland
[* 4] ist infolge der durch die Grenzsperren hervorgerufenen Fleischteuerung der
Konsum in allen
Teilen erheblich zurückgegangen.
StatistischeErhebungen für das ganze
Reich liegen noch nicht vor. Indessen gewährt der
Auftrieb
[* 5] zu dem Viehmarkt und Schlachthof in
Berlin nach den vorliegenden Nachrichten aus den einzelnen Teilen des
DeutschenReiches ein ziemlich zuverlässiges
Bild für die Gestaltung des
Viehhandels im ganzen
Reiche.
Hiernach zeigt der Auftrieb des
Jahres 1890, obwohl die
Bevölkerung
[* 6]
Berlins um fast 59,000
Seelen oder
ca. 4 Proz. im letzten
Jahre zugenommen hatte, in demselben Zeitraum eine Abnahme um:
Der Rückgang der Schlachtziffern war bei allen Tiergattungen, mit Ausnahme der
Schafe,
[* 8] ein ganz beträchtlicher. Besonders
groß ist der
Ausfall an
Rindern im J. 1890 gewesen
(ca. 20,003
Stück). Das scheinbare
Mehr an
Hämmeln erweist sich bei genauerer
Betrachtung ebenfalls als ein
Minus, soweit der
BerlinerKonsum in
Frage kommt. Denn es gingen im J. 1890:
110,865 geschlachtete Hämmel nach
Paris,
[* 9] gegenüber 89,539 im Vorjahr. Mithin war auch die Zahl der für
Berlin geschlachteten
Hämmel (von anderm
Fleisch findet ein nennenswerter
Export nicht statt) auf 284,700 gegen 306,579 im Jahre zuvor gefallen.
Die
Schweiz und das
KönigreichHolland kommen aber bei der Versorgung mit Fleischvieh weniger in Betracht, weil beide
Länder
eine hochentwickelte
Zucht- und
Milchwirtschaft betreiben.
Eines regelmäßigen
Imports an
Fleisch bedürfen
England,
Frankreich
(namentlich von Hammelfleisch) und, wie die letzten Grenzsperren gezeigt haben, auch
Deutschland.
Deutschland
ist durchaus nicht imstande, alles zum
Konsum notwendige
Fleisch selbst zu produzieren. Die Grenzsperren und der hierdurch
verhinderte
Import hatten es so weit gebracht, daß in etlichen Teilen
Deutschlands
[* 18] selbst zu dem höchsten
Preis kein Schlachtvieh
mehr aufgekauft werden konnte. Vorher aber schon hatten die hohen Eingangszölle für
Rindvieh den
Import
und damit den Ist-Bestand bedeutend beeinträchtigt. Die Einfuhr von
Rindern nach
Deutschland hat betragen:
Im J. 1878 war die Vieheinfuhr
Deutschlands noch zollfrei; die Zollpflicht begann mit und zwar mit folgenden Beträgen:
Ochsen 20 Mk. das
Stück,
Stiere 6 Mk. das
Stück,
Kühe 6 Mk. das
Stück, Jungvieh 4 Mk. das
Stück,
Kälber 2 Mk.
das
Stück. Gegenwärtig sind jedoch zu entrichten: für
Ochsen im allgemeinen
Verkehr 30 Mk. das
Stück, für
Ochsen, eingeführt
zum eignen Wirtschaftsbetrieb im
Grenzbezirk, 20 Mk., für
Stiere 9 Mk., für
Kühe 9 Mk., für Jungvieh im
Alter bis
zu 2 ½
Jahren 6 Mk., für
Kälber unter 6
Wochen 3 Mk.
In den einzelnen
Staaten gibt es wiederum
Distrikte, welche mit ihrem täglichen
Bedarf an
Fleisch auf Nachbardistrikte angewiesen
sind, so z. B. alle größern
Städte, ferner die ausgesprochenen Industriebezirke, wie in
Deutschland die Rheingegend sowie
gewisse TeileSachsens und
Schlesiens.
Die Versorgung mit
Fleisch kann durch Einfuhr lebenden Viehes oder ausgeschlachteten
Fleisches geschehen. Beide
Arten der Versorgung
haben ihre Vor- und Nachteile. Dieselben liegen auf hygienischem und national-ökonomischem Gebiet.
¶
mehr
I. Die Einfuhr lebenden Schlachtviehes hat den großen und unbestrittenen Vorteil, daß das Fleisch nach dem Schlachten
[* 20] völlig
frisch in die Hände der Konsumenten gelangt, und daß es möglich ist, die Schlachttiere vor und nach dem Schlachten einer
gründlichen sanitätspolizeilichen Untersuchung zu unterziehen. Die Schattenseiten der Einfuhr lebenden Schlachtviehes
liegen in den hohen Transportkosten sowie in der steten Gefahr der Einschleppung von Tierseuchen.
Mit Recht wird jetzt die Forderung allgemein erhoben, daß alles zur Nahrung für Menschen bestimmte Fleisch nur nach vorgängiger
sachverständiger Untersuchung und nach erfolgter Ausmerzung aller kranken Tiere und Teile in den Verkehr gelange. Dieses ist
im südlichen Deutschland (Bayern,
[* 21] Württemberg,
[* 22] Baden
[* 23] und Hessen)
[* 24] schon seit Jahrzehnten der Fall. Im KönigreichSachsen
[* 25] wird in kurzem dieselbe Einrichtung getroffen werden, und in Preußen
[* 26] ist in den letzten 10 Jahren durch die Errichtung
von öffentlichen Schlachthäusern in den größern Städten ein bedeutsamer Anfang hierzu gemacht worden. So wird es
nicht mehr allzu lange Zeit währen, daß in Deutschland kein Fleisch mehr genossen werden wird, welches nicht von gründlich
auf ihren Gesundheitszustand untersuchten Tieren herstammt.
Und dieses ist mit Hinsicht auf die zahlreichen kleinen und großen Gefahren, welche mit dem Genuß kranken Fleisches verbunden
sein können, kategorisch zu verlangen. Die Staaten und Städte nun, welche mit großen finanziellen Opfern
und nach Überwindung großer Schwierigkeiten seitens der Schlächter und eines Teiles des Publikums öffentliche Schlachthäuser
errichtet und Schlachtzwang in diesen nebst sachverständiger Untersuchung aller Schlachttiere eingeführt und somit das
Möglichste gethan haben, um dem Publikum nur tadellose Ware zu bieten, diese Staaten und Städte richten
ihr ganzes Streben dahin, daß nur lebendes Vieh zum Schlachten eingeführt werde.
Denn an ausgeschlachtetem Fleisch ist eine sichere sanitätspolizeiliche Kontrolle nicht durchführbar. Genügende Sicherheit
ist nur durch die Besichtigung der Tiere vor dem Schlachten und durch eine genaue Untersuchung aller Teile, namentlich sämtlicher
Eingeweide,
[* 27] gegeben. Diese beiden gewichtigen Momente kommen bei der Untersuchung ausgeschlachteten Fleisches
in Wegfall. Es wurde schon versucht, der Inspektion des ausgeschlachteten importierten Fleisches eine größere Sicherheit
dadurch zu verleihen, daß die Einfuhr des Fleisches nur gestattet wurde, wenn die dazu gehörigen Organe gleichzeitig beigebracht
wurden.
Diese Forderung hat jedoch nur dann einen Sinn, wenn ein Nachdruck darauf gelegt wird, daß die Organe in
natürlichem Zusammenhang mit dem eingeführten Fleisch sich befinden. Dieses durchzuführen ist aber praktisch ein Ding der
Unmöglichkeit. Der Magen
[* 28] und die Gedärme z. B. können gar nicht, andre für die Untersuchung wichtige
Eingeweide aber, wie Leber, Milz und Lunge,
[* 29] nur mit großer Gefahr für die Haltbarkeit der benachbarten Teile
des Fleisches eingeführt werden.
Denn alle Eingeweide sind blutreicher als das Fleisch und fallen infolgedessen viel rascher der Fäulnis anheim als das letztere.
Die Bestimmung der Behörden, daß das im ausgeschlachteten Zustande importierte Fleisch am Orte des Verkaufs noch einer
sachverständigen Untersuchung unterzogen werde, bedeutet nur einen halben Schutz in hygienischer Hinsicht. Eminent gesundheitsschädliches
Fleisch kann nämlich das Aussehen, die Farbe, den Geruch und die
Konsistenz ganz normalen Fleisches besitzen. Namentlich ist dies
der Fall bei sehr rasch verlaufenden Krankheiten, bei welchen
die Tiere aber noch vor dem natürlichen Tode geschlachtet werden (Notschlachtungen bei Milzbrand, Blutvergiftungen
2c.). Vollen Schutz in hygienischer Hinsicht gewährt, wie bereits erwähnt, einzig und allein die sachverständige Untersuchung
der Tiere vor und nach dein Schlachten.
Heute liefert es nur noch Schafe nach Frankreich. Bekanntlich ist die letzte allgemeine Grenzsperre verfügt
worden, weil die Maul- und Klauenseuche unter dem Wiederkäuer- und Schweinebestande Deutschlands in einem geradezu erschreckenden
Maße um sich gegriffen hatte und die amtlichen Nachforschungen ergeben hatten, daß ein Teil der Seuchenfälle auf Viehimporte
österreichisch-ungarischer Herkunft zurückzuführen war. Die Grenzsperre richtete sich thatsächlich fast nur gegen
die Einfuhr von Schweinen aus Österreich-Ungarn, weil die Einfuhr von Rindern aus demselben Lande wegen der die Einfuhr erschwerenden
Maßregeln, namentlich der Erhöhung des Eingangszolles, ganz bedeutend zurückgegangen war. Es wurden aus Österreich-Ungarn
importirt:
Österreich-Ungarn war überhaupt das einzige Land gewesen, welches noch Schlachtvieh nach Deutschland einführen durfte, nachdem
bereits 1887 Dänemark nebst Schweden und Norwegen wegen der dort grassierenden Schweinepest von dem deutschen Schweinemarkt
ausgeschlossen worden waren. Rußland war seit längerer Zeit schon wegen der Gefahr der mittelbaren und
unmittelbaren Rinderpesteinschleppung in Bezug auf alle Schlachttiere ohne Unterschied deutscherseits abgesperrt worden.
Die Zufuhr von Rindern und Schweinen aus Dänemark und Österreich-Ungarn hatte nicht nur genügt, daß Deutschland stets hinreichend
und billiges Schweinefleisch besaß, sondern sogar noch Deutschland in den Stand gesetzt, einen schwunghaften
Export von Rindern sowohl als von Schweinefleischwaren, und zwar von Hamburg
[* 31] aus, nach England zu betreiben. Dadurch, daß die
dänische Zufuhr, welche fast ausschließlich den HamburgerMarkt mit Schweinen versorgte, abgeschnitten wurde, ist zunächst
der deutsche Export vollkommen unmöglich gemacht worden.
Die Exporteure verlegten ihre Schlachthäuser, in welchen sie täglich viele HunderteSchweine
[* 32] schlachteten
und zu Exportware herrichteten, nach Dänemark. Die Schließung der österreichisch-ungarischen Grenze aber führte in kurzem
durch die immense Steigerung der Schweinefleisch- und rückwirkend auch der übrigen Fleischpreise zu einem solchen Notstand
in Deutschland, daß die Regierung nach Jahresfrist sich veranlaßt sah, die Grenzen wieder bedingungsweise
zu öffnen.