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für die Gemeinschaft arbeiten; diese erhält auch alle Produkte des Ackerbaues und der Industrie und verteilt sie gleichmäßig unter alle Bürger; sie ist es, die alle nährt, kleidet, unterrichtet, die allen liefert, was sie bedürfen, erst das Notwendige, dann das Nützliche, endlich das Angenehme. Über seinen Versuch, sein System zu verwirklichen, s. Cabet.
Von sehr großem Einfluß auf die Ereignisse der Februarrevolution und die ihr folgende Arbeiterbewegung waren namentlich die Theorien von Louis Blanc und Proudhon. Louis Blanc (s. d.) gehörte zu einer Gruppe von jungen Leuten, welche sich nach der Julirevolution (1830) um Philipp Buonarotti, den Genossen Babeufs, gesammelt hatten. Er erblickte die Hauptquelle alles Übels in der freien Konkurrenz, durch welche der Arbeiter deshalb so sehr gegenüber dem Kapitalisten benachteiligt sei, weil er machtlos sei gegen die Konkurrenz des Kapitals; der Zins sei nichts Ungerechtes, aber es müßten Einrichtungen getroffen werden, die es dem Arbeiter ermöglichen sollen, auf leichte Weise Kredit zu erlangen, um mit dem Kapital erfolgreich konkurrieren zu können; zu dem Zwecke schlägt Blanc in seiner Schrift «Organisation du traveil» (1839), ähnlich wie später Lassalle, die Gründung von Arbeiterproduktivgenossenschaften mit Staatskredit vor.
Von dem Gewinn der auf Staatskredit gegründeten Genossenschaften sollen zunächst alle Auslagen der Produktion, einschließlich der Arbeitslöhne, ferner die Zinsen der vom Staat vorgeschossenen Kapitalien bestritten werden; von dem Rest ist ein Viertel auf die Amortisierung der vorgeschossenen Kapitalien selbst, das zweite Viertel zur Gründung eines Unterstützungsfonds für die Arbeitsunfähigen, das dritte Viertel zur Verteilung unter den Genossenschaftern zu verwenden.
Das letzte Viertel endlich soll in einen allgemeinen Reservefonds fließen, der alle Arbeiterassociationen im Falle einer Krisis unterstützen soll. Den Wünschen Louis Blancs entsprechend bestimmte auch ein Dekret der Konstituierenden Versammlung vom einen Betrag von 3 Mill. Frs. zur Unterstützung von Arbeiterassociationen, welche in der Weise verwendet wurden, daß Kredite unter 25000 Frs. mit 3 Proz., Kredite in einem höhern Betrag mit 5 Proz. zu verzinsen waren.
Die 3 Mill. Frs. wurden auch fast vollständig an 50 Associationen in Paris [* 2] und in den Provinzen verteilt; doch fiel der Bericht, der im Febr. 1850 über die Verwendung der Gelder abgestattet wurde, so ungünstig aus, daß von da ab keine weitern Staatsgelder mehr an Associationen gegeben wurden. Die zahlreichen Arbeiterproduktivassociationen, die sich zur Zeit der Februarrevolution in Frankreich bildeten, gingen fast alle in kurzer Zeit wieder zu Grunde, namentlich weil sich in der Regel Uneinigkeit zwischen den einzelnen Mitgliedern über die Art und Weise der Produktion, der Leitung der Geschäfte u. s. w. herausstellte.
Während Louis Blanc sein socialistisches System mit Hilfe des Staates verwirklichen wollte, wünschte P. J. Proudhon (s. d.) ohne Staatsunterstützung nur durch die eigene Initiative des Arbeiterstandes seine Pläne durchzuführen. Proudhon hatte sich zuerst berühmt gemacht durch sein 1840 erschienenes Buch «Qu'est-ce que la propriété?», worin er das Eigentum als Diebstahl bezeichnete; später entwickelte er ein neues System, das er Mutualismus (s. d.) nannte, und das eine Versöhnung zwischen Individualismus und S. darstellen sollte. Es sollte das Privateigentum nicht aufgehoben, auch die freie Konkurrenz nicht beseitigt werden, nur die nach Proudhons Ansicht bestehenden Hauptübel der modernen Gesellschaft sollten abgeschafft werden, nämlich das Geld und der Zins. Um beides zu beseitigen, schlug Proudhon die Errichtung einer Volksbank vor;
in dieser Bank sollten die Produzenten ihre Waren gegeneinander austauschen und zwar vermittelst Tauschnoten (bons d'échange);
die Waren sollten nach dem Maßstab [* 3] der auf sie verwandten Arbeit bewertet und ausgetauscht werden;
auf diese Weise sollte das Geld überflüssig werden;
aber auch der Zins sollte verschwinden;
denn die in der Volksbank vereinigten Produzenten sollten sich gegenseitig unentgeltlich Kredit gewähren, und dadurch würde allmählich der Privatkapitalismus mit seinem Zinsenbezug verschwinden.
Proudhon ist auch als der erste wissenschaftliche Vertreter des Anarchismus (s. d.) zu bezeichnen, der für ihn die einfache Konsequenz des mutualistischen Systems auf dem polit. Gebiet war. Doch ist diese ursprüngliche Art des Anarchismus, die ein bestimmtes ökonomisch-polit. System darstellt, sehr zu unterscheiden von dem modernen Anarchismus, der eine radikal-socialrevolutionäre Partei darstellt.
Unter den engl. Socialisten ist an erster Stelle Robert Owen zu nennen, dessen Lehren [* 4] eine Zeit lang einen bedeutenden Einfluß auf die engl. Arbeiterbewegung hatten. Den Irrtum der klassischen Nationalökonomie teilend, daß der Wert eines Erzeugnisses gleich der Summe der darauf verwendeten Arbeit sei, kritisierte Owen die heutige Gesellschaft, weil in ihr die zur Herstellung eines Gutes aufgewendete Arbeit nicht mehr der Wertmesser sei, und damit der Arbeit der ihr zukommende Lohn entzogen werde.
Von diesem Standpunkte aus greift Owen das System der Konkurrenz an, welchem die zahllosen Spaltungen der Menschheit in Sekten, Religionen und Parteien entsprungen seien. Es habe bewirkt, daß ein gewisser Reichtum zwar angesammelt sei, aber daß die Mehrzahl des Volks nichts besitze und die Besitzenden für ihren Besitz täglich zu zittern hätten; dabei vermindere es auch die Hervorbringung von Gütern. Sein Ideal war der Kommunismus, und Owen machte auch einen Versuch, eine kommunistische Gesellschaft zu gründen (s. Owen). Einen andern praktischen Versuch, um das Los der arbeitenden Klassen auf Grundlage der bestehenden Gesellschaft zu verbessern, machte er mit seiner Arbeitstauschbank (Labour Exchange).
Durch diese Bank sollte der theoretische Grundsatz, daß die Arbeit der natürliche Maßstab alles Werts sei, praktisch durchgeführt werden. Die Bank, welche im Sept. 1832 in London [* 5] eröffnet wurde, hatte folgende Einrichtung: Jedes Mitglied der Gesellschaft konnte in den Magazinen der Bank Waren deponieren und hatte das Recht, dafür Arbeitsgeld (labour notes) nach Maßgabe einer Schätzung zu empfangen. Die Werteinheit war eine Arbeitsstunde, welcher ½ Sh. Metallgeld gleichstehen sollte. Bei jeder Ware wurde einerseits der Wert des Rohmaterials, andererseits die von dem Arbeiter darauf verwandte Arbeit geschätzt. Jeder Deponent erhielt nicht etwa so viel Arbeitsstunden, als er an Zeitarbeit wirklich verwendet hatte, sondern jene Zeit, welche nach Ansicht der Taxatoren ein gewöhnlicher Arbeiter auf die betreffenden Waren verwenden würde. Diese Bank hat nur anderthalb Jahre bestanden; im Mai 1834 wurde sie wieder aufgelöst, ¶
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weil sich der Übelstand herausstellte, daß sich unnütze, wenig beliebte Waren massenhaft in der Bank anhäuften, während die beliebten gangbaren Artikel schnellen Absatz fanden. Außer Owen sind noch eine Reihe engl. Socialisten zu nennen, die in ihren Theorien, namentlich in der Wertlehre, vielfach Ähnlichkeit [* 7] mit der modernen Ausbildung der socialistischen Theorie, speciell mit Karl Marx aufweisen;
unter ihnen sind die wichtigsten: Charles Hall, [* 8] The effects of civilisation on the people in the European States (1805);
William Thompson, An enquiry into the principles of distribution of wealth (1824);
John Gray, A lecture on human happiness (1825);
J. F. Bray, Labour's wrongs and labour's remedies (1839).
Von allen Ländern hat aber Deutschland [* 9] die bedeutendsten theoretischen Vertreter des S. hervorgebracht, vor allen Karl Rodbertus und Karl Marx. Doch sind aus früherer Zeit noch zwei Namen zu nennen, der Philosoph des S.: Johann Gottlieb Fichte, [* 10] und der kommunistische Agitator: der Schneider Wilhelm Weitling. Fichte tritt in seinem 1800 erschienenen Werke «Der geschlossene Handelsstaat» für das energischste Eingreifen des Staates in die wirtschaftliche Ordnung ein.
Seine praktischen Vorschläge gehen darauf hinaus, daß die Staatsgewalt zum Betrieb von Industrie und Handel nur so viel Personen zuläßt, als die vorhandenen Ackerbauer ernähren können, daß aber andererseits die Ackerbauer, die Industriellen und Handelsleute ein ausschließliches Recht auf den Betrieb ihres Berufszweiges haben sollen. Überdies hätte die Staatsgewalt die Preise aller Dinge zu bestimmen, und zwar wären diese in dem unentbehrlichsten Lebensmittel (Roggen, Weizen) auszudrücken. - Wilhelm Weitling stiftete in der Schweiz [* 11] einen Kommunistenbund mit internationalen Verzweigungen und entfaltete als Agitator große Geschicklichkeit und Energie.
Sein System legte er in einer Schrift «Garantien der Harmonie und Freiheit» (Vevey 1842) dar; nach seinen Vorschlägen soll die Gesellschaft verpflichtet sein, jedem Mitglied die notwendigen und die nützlichen Produkte der Dienstleistungen zu liefern, wogegen dieses zu einer gewissen Zeitarbeit (sechs Stunden täglich) verpflichtet ist. Sodann aber hat jedes Mitglied auch noch das Recht, weitere Arbeitsstunden (Kommerzstunden) zu leisten, um sich dadurch auch die bloß angenehmen Produkte oder Dienstleistungen zu verschaffen. Eine zweite Schrift Weitlings: «Evangelium des armen Sünders», gab der Pariser Regierung Veranlassung zum Einschreiten. Weitling wurde über die Grenze geschafft und ging nach London.
Eine ganz besondere Stellung nimmt der theoretische Socialist Karl Rodbertus (s. d.) ein. Er war kein socialistischer Agitator, in die Arbeiterbewegung hat er praktisch nicht eingegriffen; er war Gelehrter und hat sein socialistisches System nur in rein wissenschaftlichen Werken niedergelegt, hat aber namentlich auf die sog. Kathedersocialisten, die einen Teil seiner Lehren acceptieren, mächtigen Einfluß ausgeübt. Rodbertus findet die gemeinsame Ursache des Pauperismus und der Handelskrisen in der Erscheinung, daß die Arbeiter nicht den vollen Wert ihrer Arbeit erhalten, sondern nur eine kleine Quote.
Infolge des Grund- und Kapitaleigentums könnten nämlich die Arbeiter von dem gesamten Nationaleinkommen nicht mehr erhalten als den notwendigen Unterhalt, während den Grund- und Kapitalbesitzern der ganze Rest in der Form von Grundrente und Kapitalgewinn zufiele. Die Konsequenz dieses geringen Lohnes seien auch die Handelskrisen, denn während infolge der immer neuen technischen Verbesserungen die Produktenmasse immer stiege, bleibe die Kaufkraft der großen Masse der Arbeiter immer gleich gering, so daß viele Produkte unverkauft bleiben müßten.
Rodbertus meint aber nicht, daß sofort an Stelle dieser Rechtsordnung das Gemeineigentum an Boden und Kapitalien treten solle; er glaubt vielmehr, daß erst in später Zukunft, etwa in 500 Jahren, der Zeitpunkt für eine kommunistische Gesellschaftsordnung gekommen sei; vorläufig könne es sich nur um ein Kompromiß zwischen der bestehenden Rechtsordnung und dem S. handeln. Der wesentliche Inhalt der sofort ins Werk zu setzenden Vorschläge ist folgender: Der Staat hätte die Bestimmung des Preises der Lohnarbeit und der Waren nicht mehr dem freien Verkehr zu überlassen, sondern sie durch ein umfangreiches Taxsystem selbst in die Hand [* 12] zu nehmen.
Die Preise wären aber nicht, wie gegenwärtig, in Metallgeld, sondern in Arbeitsgeld zu bestimmen. Zu diesem Zwecke müsse in jedem Gewerbe der normale Zeitarbeitstag und das normale Arbeitswerk eines solchen Zeitarbeitstags festgesetzt werden; in diesen normalen Arbeitsstunden oder -Tagen wird auch der Preis aller Waren und Dienstleistungen festgesetzt. Bei Waren ist nicht nur die unmittelbar verwendete Arbeit, sondern auch der Wert der Werkzeuge [* 13] nach dem Verhältnis der Abnutzung anzurechnen. Da die Produktivität der Arbeit Veränderungen unterworfen ist, folglich dasselbe Maß normaler Arbeit zu verschiedenen Zeiten mehr oder weniger Produkte erzeugt, so muß der Staat periodische Revisionen seiner Preislisten vornehmen. Um die Cirkulation des Arbeitsgeldes in Gang [* 14] zu bringen, hätte der Staat sich dessen Emission vorzubehalten, den Arbeitgebern billigen Kredit in diesen Geldzeichen zu gewähren und Staatsmagazine anzulegen, in denen die Waren aufbewahrt und gegen Arbeitsgeld eingetauscht werden.
Der Vorteil, welcher aus diesen Maßregeln für die arbeitenden Klassen entspringen würde, besteht nach der Absicht Rodbertus' hauptsächlich darin, daß ihnen nunmehr eine feste Quote des gesamten Nationaleinkommens (z. B. 2/10) gesichert wäre. Während gegenwärtig das Einkommen der arbeitenden Klassen auch bei steigender Produktivität der Arbeit immer auf dem Niveau des notwendigen Unterhalts zurückgehalten wird, würde dasselbe in Zukunft in gleichem Maße wie Kapital, Gewinn und Grundrente steigen.
Im Gegensatz zu Rodbertus ist Ferdinand Lassalle (1825-64) weniger Theoretiker des wissenschaftlichen S., sondern hervorragender praktischer Agitator. Die ökonomische Theorie Lassalles, wie er sie namentlich in seinem Buche «Herr Bastiat Schulze von Delitzsch, [* 15] der ökonomische Julian» (Berl. 1864) niedergelegt hat, ist im wesentlichen andern Socialisten, namentlich Marx entlehnt, obwohl Lassalle sich nicht ganz an Marx angeschlossen hat, sondern nur einige Sätze aus dessen Schriften benutzt hat. Lassalle eröffnete seine socialistische Agitation mit dem 1863 erschienenen «Offenen Antwortschreiben an das Centralkomitee zur Berufung eines allgemeinen deutschen Arbeiterkongresses», worin er das «eherne» ökonomische Gesetz aufstellt, daß der durchschnittliche Arbeitslohn nur auf den notwendigen Lebensunterhalt reduziert bliebe, der in einem ¶