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in höchst affektiertem Stil geschriebenen «Lettres sur l'ltalie». Noch widriger sind Demoustiers vielgelesenen ^[richtig: vielgelesene] «Lettres à Émilie sur la mythologie» (1786). Der Briefwechsel behielt auch in diesem Jahrhundert neben dem sich entwickelnden Journalismus seine Bedeutung. Für Litteratur- wie Sittengeschichte wichtig ist die «Correspondance littéraire, philosophique et critique» (1753-93), die Grimm, Diderot, Raynal und Meister mit auswärtigen Höfen führten. Einen interessanten Beitrag zur Geschichte der franz. Gesellschaft in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts geben die Memoiren der Madame d'Epinay.
Die akademische Beredsamkeit feiert in dieser Periode ihre Blütezeit. D'Alembert, Chamfort, La Harpe, Thomas (besondere Berühmtheit erhielt dessen «Éloge de Marc-Aurèle»),
Maury, Mairan, Bailly und Graf Guilbert zeichneten sich darin aus.
Den Höhepunkt erreicht der unter der Einwirkung des Engländers Richardson stehende sentimentale Herzens- und Familienroman in Rousseaus «La nouvelle Héloïse» (1761). Es folgen dann in dem sentimentalen Genre Marmontel und Florian und die in glänzende Naturschilderung gefaßte Herzensgeschichte «Paul et Virginie» (1787) von B. de Saint [* 2] Pierre. Die andere Richtung, den philos. Tendenzroman, vertreten vornehmlich die Erzählungen Voltaires («Candide», 1759 u. a.) Endlich der unterhaltende Abenteurerroman verfällt den in gewählter Sprache [* 3] vorgetragenen Schlüpfrigkeiten Louvets de Couvray («Faublas», 1787-89). Die Bemühungen des Grafen Tressan, durch Erneuerung des Geschmacks an den ältern Ritterromanen die giftigen Produkte des Tages zu verdrängen, hatten geringen Erfolg.
Zur Umwandlung der herrschenden dramaturgischen Theorien trug von den Tragikern Ducis (1733-1816) bei, der den Mut hatte, Shakespeare, zum Teil freilich in verstümmelten und verwässerten Bearbeitungen, auf die Bühne zu bringen. Der gewandte Chamfort machte sich durch Tragödien und Komödien beliebt. Die patriotische Saite schlug P. L. de Belloy (1727-75) in seinen Tragödien aus dem Mittelalter an. Teils nach ihm, teils nach Crébillon bildete sich Lemierre (1733-93). Chateaubrun (gest. 1775) suchte sich den tragischen Stil des Sophokles und Euripides anzueignen.
Auch La Harpe traf in einigen seiner bessern Stücke den Ton des Heroismus. Dagegen versteht Madame Riccoboni durch Wärme [* 4] des Gefühls zu rühren. Von Guymond de Latouche ist eine «Iphigénie en Tauride») erwähnenswert. Diderot begründete theoretisch und praktisch das empfindsam-moralische bürgerliche Schauspiel («Fils naturel», 1757, «Père de famille», 1758),
eine Weiterbildung von La Chaussées Rührstück. Seinem Beispiel folgten Sedaine («Le [* 5] philosophe sans le savoir», 1765),
Saurin und Beaumarchais («Eugénie», 1767). Nur Beaumarchais erweckte das heitere Lustspiel wieder zu neuem Leben durch seine witzsprühenden Komödien «Barbier de Séville» (aufgeführt 1775) und «Mariage de Figaro» (aufgeführt 1784),
die aber mit scharfen satir. Ausfällen gegen die bevorrechteten Klassen durchsetzt sind, und von denen besonders «Figaro» als ein Vorbote der Revolution gelten darf. Charles Collé (gest. 1783) war zu sehr von der Frivolität seiner Zeit angesteckt, um etwas Großes zu leisten. Für die Oper (seit 1762 bestand die «Opéra comique») schrieben Badé (gest. 1757),
Poullain de Saint Foix (gest. 1776),
Marmontel, Rousseau in seinem «Devin du village», Favart (gest. 1792) und Sedaine.
Mehrere Dichter dieser Periode suchten Voltaires geistreiche poetische Erzählungen nachzuahmen. Am glücklichsten hierin waren Evariste de Parny (gest. 1814), der sein Vorbild an Schlüpfrigkeit überbot, und sein Freund Bertin (gest. 1790). Auf gleicher Stufe mit ihnen stehen Jean Baptiste Joseph Willart de Grécourt (gest. 1743) und Madame Verdier. Der Chevalier de Boufflers (gest. 1815) erzählt lebendig. Marie Anne du Boccage (gest. 1802) versuchte sich im größern Heldengedichte («Colombiade»). Moncrif (gest. 1770) wurde der Schöpfer der Ballade, und Dorat, Watelet, der Kardinal de Bernis u. a. lieferten Lehrgedichte. Ganz ausgezeichnet sind zum Teil Saint Lamberts (gest. 1803) beschreibende Gedichte.
Nic. Joh. Gilbert (1751-80) war ein vorzüglicher Satiriker und großes lyrisches Talent. Die Idyllendichter, namentlich Léonard (1744-93) und Berquin ahmten zum größten Teile Geßner nach. Florian und Aubert erwarben sich durch Bearbeitung der Fabel einen Namen, obgleich sie Lafontaine durchaus nicht gleichgestellt werden können. Auch an frivolen Lehrdichtern fehlte es nicht; P. J. Bernard (1710-75) lehrte in seinem «L'Art d'aimer» die Kunst zu verführen. In der leichtfertigen Poesie oder der Chanson und in der epikureischen Lyrik glänzte neben Voltaire der reichbegabte Alexis Piron (gest. 1773). Panard (gest. 1765) ist ein berühmter, heiterer Volksdichter. Colardeau (1732-76) führte die Heroide ein; Malfilâtre (gest. 1767) berechtigte zu großen Erwartungen, die sein früher Tod täuschte; durch anmutige Verse und Fabeln zeichnete sich auch der Herzog von Nivernais (gest. 1798) aus. Als Odendichter verdient neben Gilbert nur Lefrane de Pompignan (1709-84) erwähnt zu werden, dessen «Chant sur la mort de J. B. Rousseau» eine der schönsten Dichtungen des 18. Jahrh. ist. Nach ihm erwarb sich Lebrun (1729-1807, gen. Lebrun Pindare) den Lorbeer der klassischen Ode.
Zu den litterar. Arbeiten dieser Periode, die auf die Bildung der Sprache Einfluß ausgeübt haben, gehören auch die zahlreichen, auf Treue und Glanz ausgehenden Übersetzungen klassischer Werke des Altertums und des Auslandes. Cicero wurde von Bouhier und Olivet, Quintilian von Gédoyn, Terenz von Lemonnier, Juvenal von Dussaulx, Persius von Sélis, Homer von Bitaubé und dem Fürsten Lebrun und unter den modernen Dichtern Tasso ebenfalls von Lebrun, Ariosto von Tressan, Shakespeare und Young von Letourneur bearbeitet. -
Vgl. über diesen Zeitraum Villemain, Cours de littérature française (Neue Aufl., 6 Bde., Par. 1864);
Barante, De la littérature française pendant le XVIIIe siècle (5. Aufl., ebd. 1832);
Vinet, Histoire de la littérature française au XVIIIe siècle (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1876);
Hettner, Geschichte der im 18. Jahrh. (2. Bd. der «Litteraturgeschichte des 18. Jahrh.», 5. Aufl., Braunschw. 1894).
8) Die Revolutionszeit und das erste Kaiserreich (1790-1815). Wie sehr auch die Aufklärungslitteratur des 18. Jahrh. der polit. und socialen Umwälzung vorgearbeitet hat, einen unmittelbaren Anstoß zu einer Umgestaltung und Neuschöpfung der überlieferten litterar. Formen haben weder sie noch das eigentliche Zeitalter der Revolution gegeben. Zuerst waren die Geister durch die Behandlung anderer ¶
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Fragen in Anspruch genommen, und gleichgültig ließ man in der Dichtung den traditionellen Klassicismus sich aufrecht erhalten, um so mehr, als dessen nüchterne Verständigkeit und rhetorisches Pathos trotz seiner aristokratischen Bestandteile dem polit. Rationalismus sowohl republikanischer wie monarchischer Gewaltherrschaft innerlich verwandt ist. So blieb der Klassicismus auch unter Napoleon I. die anerkannte litterar. Macht. Hingegen ist es leicht erklärlich, daß eine der Verstandespoesie den Rücken wendende Geistesrichtung gern die in der Revolution erworbene Freiheit und größere Selbständigkeit des Einzelnen annahm, sich aber auflehnte gegen den durch den Fanatismus der Aufklärung bis zum Götzendienst getriebenen Vernunftkult und auf die nicht weniger realen in Gemüt und Phantasie der Menschen wurzelnden Mächte zurückgriff.
Während der Revolutionszeit waren Zeitungen und Flugschriften die in den Vordergrund tretenden litterar. Erscheinungen, und insbesondere entfaltete sich die parlamentarische Beredsamkeit zu großer Blüte. [* 7] Der berühmteste von allen Rednern dieser Zeit war Mirabeau. Um ihn gruppierten sich der Kardinal Maury, Mounier, Lally-Tollendal, Clermont-Tonnerre, Adrien Duport, Barnave, Sieyès und der milde royalistische Cazalès. Während der Assemblée législative traten die Girondisten und unter ihnen besonders Vergniaud hervor. Die Reden der Convention nationale und des Directoire arteten nicht selten in wahre Wutausbrüche aus. Das vollständigste Bild der franz. Journalistik und Beredsamkeit während der Revolutionszeit gewährt die «Histoire parlementaire de la Révolution française» von Roux und Buchez (40 Bde., Par. 1833-38). - Fast nur geschichtliches Interesse haben die vielen Gelegenheitsgedichte, die in den «Poésies nationales de la Révolution française» gesammelt sind.
Das am meisten charakteristische lyrische Erzeugnis der Epoche ist die «Marseillaise» (von Rouget de l'Isle). Lebrun-Pindares republikanische Oden, M. J. Chéniers «Hymne à l'Être suprême» drückten polit. und religiöse Ideen der Revolution mit klassischer Gespreiztheit aus. Der größte Dichter des Zeitalters, André Chénier, wurde ein Opfer der Schreckenszeit Seine Elegien, Idyllen und übrigen Dichtungen, an wahrer Empfindung, Kraft, [* 8] frischer Sinnlichkeit und reinem Geschmack unerreicht, eröffneten den Franzosen den Ausblick in eine ihnen bisher unbekannte poet. Welt, aber sie blieben damals ziemlich unbekannt, und erst ein Menschenalter später (1819) gleichsam neu entdeckt, trugen sie Frucht für das dann folgende Dichtergeschlecht.
Unter den dramatischen Dichtern dieser Zeit erwarb sich Andrés Bruder, M. J. Chénier, einen angesehenen Namen. Er liebte es, seine histor. Tragödien mit Anspielungen auf Zeitereignisse zu würzen und das Theater [* 9] zur Rednerbühne zu machen. Neben ihm zeichneten sich Fabre d'Eglantine und Laya mehr als Lustspieldichter aus. Besonderes Gefallen erregten Schauerdramen wie die «Victime cloîtrées». Daneben war das Theater mit Gelegenheitsstücken aller Art überschwemmt, unter denen viele vom Schauspieler Dugazon herrührten.
Meist wurde in diesen Stücken der großen Menge und den Gewalthabern Weihrauch gestreut; nur einige Dichter, z. B. Laya in seinem «Ami des lois», hatten Mut genug, die Terroristen offen anzugreifen. Auch Collot d'Herbois, der eine so schreckliche Rolle in der Revolution spielte, schrieb mehrere Komödien. Das merkwürdigste Schauspiel indes, das wäbrend der Revolution zur Aufführung kam, war wohl «Le jugement dernier des rois» von dem fruchtbaren Sylvain Maréchal. Auch die Comédie larmoyante fand Beifall, besonders erhielt die Bearbeitung von Kotzebues «Menschenhaß und Reue» eine günstige Aufnahme. Demoustier war in seinen dramat. Stücken «Le conciliateur» und «Les femmes» ebenso affektiert als in seinen «Lettres à Émilie». -
Vgl. Géruzez, Histoire de la littérature française pendant la Révolution (Par. 1859);
Lotheissen, Litteratur und Gesellschaft in Frankreich zur Zeit der Revolution 1789-94 (Wien [* 10] 1872).
Als aber das Jahrhundert zu Ende ging und auf die innern Stürme des polit. Lebens in Frankreich eine Ruhebedürftigkeit folgte, die es dem siegreichen Feldherrn möglich machte, die Leitung des Staatswesens in seine feste Hand [* 11] zu nehmen, erhielt jene obenbezeichnete, der Aufklärungslitteratur und Verstandesdichtung feindliche Richtung ihre berufenen Vertreter, und als Verkündiger und Vorkämpfer einer Dichtung von neuem Ideengehalt traten hervor Châteaubriand («Génie du christianisme», 1802) und Frau von Staël («De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales», 1800; «De l'Allemagne», 1810), beide durch außerhalb Frankreichs gesammelte Erfahrungen und Eindrücke über die engen Grenzen [* 12] des franz. Klassicismus erhaben; der erstere vermischte in seinen farbenprächtigen Dichtungen feine Begeisterung für die Schönheit des Christenglaubens mit Wertherschem Subjektivismus und Rousseauscher Naturschwärmerei, während Frau von Staël, für die Freiheit der Persönlichkeit in Leben und Dichtung kämpfend, dem erstarrenden Konventionalismus der franz. Poesie, unter Hinweis auf die Kunst und Litteratur Italiens [* 13] und Deutschlands, [* 14] die Forderung der Naturwahrheit, der Übereinstimmung von Leben und Kunst entgegenstellte.
Freilich blieb die natürliche Weiterentwicklung der auch nach dem Emporkommen der Napoleonischen Herrschaft ans zweifachem Grunde gehemmt. Einmal war Napoleon I. aus polit. Erwägungen den freien geistigen Regungen abgeneigt, und nur die naturhistor. und mathem. Wissenschaften fanden bei ihm Förderung und Begünstigung, dann aber wurden die meisten hervorragenden Geister durch die kriegerischen Unternehmungen Frankreichs von der Beschäftigung mit Kunst und Wissenschaft abgezogen.
Die Verdienste, die sich Napoleon durch die neue Organisation des gesamten Unterrichtswesens um die Wissenschaft erworben hat, sind nicht zu verkennen; aber das Wort, das er selbst mit so großem Erfolge zu gebrauchen verstand, schien ihm eine gefährliche Waffe, deren Handhabung er durch eine strenge Censur regeln zu müssen für notwendig hielt. Châteaubriand, dessen Verherrlichung des kath. Glaubens Napoleon für seine polit. Zwecke willkommen war, konnte doch zum Kaiser in ein dauerndes Verhältnis nicht kommen; Frau von Staël wurde von der kaiserl. Polizei in die Verbannung gejagt und ihr Werk über Deutschland [* 15] in Paris [* 16] eingestampft. Dagegen begünstigte Napoleon alle Schriftsteller, die als gemäßigte Voltairianer und Anhänger verständiger Aufklärung und Ordnung in den ausgefahrenen Gleisen des Klassicismus die Poesie vor sich hertrieben. Als Meister ¶