Tragödie
(grch., wörtlich Bocksgesang, von tragos,
Bock,
[* 3] und ōdē,
Gesang),
Trauerspiel. Der
Name weist zurück auf
den Ursprung der Tragödie
, auf den
Gesang des in der Gestalt bocksfüßiger
Satyrn
[* 4] bei den Dionysischen Festen auftretenden
Chores.
Thespis (s. d.)
wird als Erfinder der Tragödie
bezeichnet, indem
er durch Hinzunahme eines Schauspielers, der sich in verschiedene Rollen
[* 5] verkleiden konnte, das dramat.
Leben in den dithyrambischen
Chor brachte. Vervollkommnet nach Form und
Inhalt wurde die Tragödie
vor allem durch
Äschylus,
Sophokles
und Euripides.
Durch diese Dichter ist sie zur wirksamsten aller Dichtungsgattungen geworden, zur anschaulichsten und ergreifendsten Darstellung des Menschen in seinem Handeln und Leiden. [* 6] Der einzelne Mensch, mag er noch so berechtigte Zwecke verfolgen, verfällt nichtsdestoweniger in sittliche Schuld, wenn er seine Zwecke und Rechte eigenmächtig von den ebenso berechtigten der allgemeinen Weltverhältnisse losreißen und seinen Sonderwillen auf Kosten des Ganzen durchsetzen will.
Dann machen nämlich diese Weltverhältnisse gegen den Eigenwillen des kämpfenden Helden ebenfalls ihre Rechte und Zwecke geltend und es entbrennt der heftigste Streit, der sog. tragische Konflikt. Das Ganze ist aber mächtiger als selbst der mächtigste Einzelne. Dieser, der tragische Held, unterliegt daher, und sein Untergang ist die Buße für seine Schuld, die Wiederherstellung der durch ihn verletzten allgemeinen Vernunft und Ordnung. In die Trauer und das Mitleid mischt sich so ein beruhigendes Gefühl ausgleichender, mit dem Schicksal versöhnender Gerechtigkeit.
Gleichheit - Gleichsch

* 7
Gleichgewicht.
Denn die Tragödie
, als die
Darstellung des Kampfes zwischen dem Einzelnen und dem
Allgemeinen oder, wie man sich ausdrücken kann,
zwischen der
Freiheit und der
Notwendigkeit, ist immer zugleich eine Verherrlichung der sittlichen
Vernunft,
ein
Sieg über selbstherrlichen Übermut und rechthaberischen Trotz.
Aristoteles setzt daher in seiner
«Poetik» den Zweck der
in die
Reinigung von Leidenschaften, und denselben
Gedanken spricht
Schiller aus, wenn er sagt, daß das
Schicksal den
Menschen
erhebe, wenn es ihn zermalme. Die Alten stellen dabei die Idee der herrschenden Weltordnung in den Vordergrund,
der Einzelne ist ihr unterworfen, sie ist sein
Schicksal oder Verhängnis; darum ist das
Gleichgewicht
[* 7] zwischen Schuld und
Strafe zu Ungunsten des Bereuenden gestört, das
Schicksal trifft schwerer als die Schuld es verdient; bei den Neuern ist das
Gemüt, der Charakter des
Menschen das Erste, und er bereitet sich sein
Schicksal durch seine Thaten.
Tragopane - Trainieren

* 8
Seite 65.943. Die moderne Tragödie
ist daher im Gegensatz zu der antiken
Schicksalstragödie wesentlich Charaktertragödie
, und die Schuld des
tragischen
Helden liegt hier einzig in der
Sophistik des eigenen
Herzens. Verfehlt war daher der Versuch, eine neuere
Schicksalstragödie
(s. d.) zu schaffen. Der Schöpfer der modernen Charaktertragödie
ist
Shakespeare. Auch
Goethe und
Schiller wandeln diesen Weg. Mit dem
Begriff der Tragödie
hängen die Gesetze ihrer
Komposition aufs
engste zusammen. Nach
Aristoteles zerfällt die Tragödie
wesentlich in drei
Teile. Der erste
Teil zeigt die Verstrickung des
Helden
in Schuld; der zweite
Teil ist das Hereinbrechen der gegenwirkenden rächenden Mächte, der
Wendepunkt,
wo die Schürzung aufhört und die Lösung beginnt (Peripetie); der dritte
Teil ist der
Untergang des
Helden,
¶
mehr
der Sieg der Idee, die Katastrophe. Daher sind auch drei Akte eine sehr naturgemäße Einteilung, die besonders bei den Spaniern
beliebt ist. Wenn die Engländer, Franzosen und Deutschen die Einteilung in fünf Akte vorziehen, so beruht das nur auf einer
reichern und selbständigern Ausgestaltung des Gegensatzes von auf- und absteigender Handlung. Die Unterscheidung
der Tragödie
je nach der Natur des Stoffs in die historische und bürgerliche Tragödie
ist nur für den Stil von Bedeutung. (S. Drama.)