Oper
(ital. opĕra), die Hauptgattung der
Bühnen- oder
Theatermusik. Der
Name entstand in der ersten Hälfte des 17. Jahrh.
in
Italien;
[* 2] nach neuern Untersuchungen hat ihn wahrscheinlich der
Venetianer Fr.
Cavalli zuerst (1639) für seine
Werke (opera
) gebraucht. Vorher und auch später noch nannten die
Italiener die Oper
vorwiegend dramma in musica oder dramma
per musica, Musikdrama, eine Bezeichnung, die bis heute die vornehmere und die Sache selbst treffende geblieben ist.
Die
Aufgabe der Oper
ist, eine dramat. Handlung durch Hilfe der
Musik zu veranschaulichen und dadurch den
Gefühls- wie den Phantasieinhalt des Ganzen wie der einzelnen Scenen zu gesteigerter und vertiefter Wirkung zu bringen.
Aus der Natur der
Musik ergiebt sich, daß sich nicht jedes
Drama zur Oper
eignet. Die zu
Grunde liegende
Arbeit des Dichters (das
Textbuch,
Libretto) hält sich am besten bescheiden im Hintergrund und erwartet
Glanz und Licht
[* 3] von der
Musik und von der Scene.
Oper

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Seite 62.600.Der Textdichter kann seine Meisterschaft aber in der Lösung folgender drei Aufgaben zeigen: in der Wahl des Gegenstandes, in dessen Entwicklung zu einer psychologisch richtigen, in wirkungsvollen, kontrastierenden Scenen sich fortbewegenden Handlung und in der Ausbildung einer musikalischen oder bequem komponierbaren Sprache. [* 4] Starke, allgemeine, sinnlich anschauliche Gegensätze der Motive und Charaktere werden vorzugsweise einer wirksamen musikalischen Behandlung fähig sein. Das musikalische Drama kann nicht, wie das ¶
mehr
rein poetische, Charaktere und Handlung dialektisch entwickeln und verstandesmäßig zurechtlegen, aber es kann sie mit einer
unmittelbarem Naturkraft der Empfindung zur Anschauung bringen. Darum werden in der Oper
die Charaktere und Situationen weniger
allmählich und in stetiger logischer Vermittelung vor unserm Auge
[* 6] aufwachsen wie im Drama, sondern mehr als gegebene
gegeneinandergestellt, dabei aber um so breiter und tiefer in ihren Kontrasten ausgemalt. Die Oper
giebt eine Reihe
dramat. Bilder, deren innerer Zusammenhang selbstverständlich sein muß, weil er musikalisch nicht im einzelnen entwickelt
werden kann.
Das schablonenhafte Ansehen, welches die äußere Anlage der Oper
dadurch erhält, wird noch erhöht durch die
typische Gleichartigkeit der musikalischen Charaktere, die sich in höchstens sechs Stimmlagen (Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor,
Bariton, Baß) bewegen müssen, und zwar so, daß durch den jeweiligen Charakter der Stimme der Charakter der Person beherrscht
wird. Die Hauptpersonen der Oper
sind daher in ihren allgemeinen Zügen mit Recht stereotyp geworden.
Stärke (natürliches Vo

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Stärke. Die Oper
als ein Kunstwerk, an dem mehrere Künste mitarbeiten müssen, wenn es zu stande kommen
soll, ist, wie alle komponierten Werke, der Gefahr ausgesetzt, einzelne Teile auf Kosten der übrigen zu bevorzugen und dadurch
das Ganze zu gefährden. Weil der Sologesang nirgends in solcher Unmittelbarkeit und Stärke
[* 7] wirkt als von
der Bühne aus, liegt für die Oper
der Abweg nahe, in der Entfaltung virtuoser Gesangskünste fast ihre einzige Aufgabe zu suchen.
Dies war der Mangel der im übrigen wahrhaft großen italienischen Oper
im 18. Jahrh. und in der
ersten Hälfte des 19. Jahrh.; sie wurde dadurch fast ein Konzert im Kostüm.
[* 8]
Die deutschen Oper
des 19. Jahrh. dagegen, ja fast sämtliche Oper
der Gegenwart,
leiden an einer zu starken Instrumentation auf Kosten des Gesangs, eine Folge verkehrter Anwendung des Beethovenschen Instrumentalorchesters
auf die Gesangskomposition. Eine Übertreibung anderer Art, die aber gern mit lärmenden Instrumenten Hand
[* 9] in Hand geht, liegt
nahe bei der Verwendung der Dekorationen, Maschinen und Verwandlungen. Schon gegen Ende des 17. Jahrh.
war die Oper
auf diesem Abwege, den sie seit Meyerbeer abermals in bedenklichstem Maße betreten hat.
Eine vierte Verirrung entsteht, wenn die Oper
auf das Gebiet des recitierenden Dramas übergreift und sich nicht begnügt, ein
musikalisches Drama zu sein, sondern die Stellung eines Centraldramas einzunehmen strebt. Diese Ausschreitung
ist von all den genannten anscheinend die berechtigtste, die legitimste, da aus einem Bestreben dieser Art die Oper
in der
Renaissancezeit hervorging; aber sie ist zugleich die gefährlichste, da sie leicht dahin umschlägt oder bereits umgeschlagen
ist, das Musikdrama an die Stelle des Dramas überhaupt zu setzen.
Die ganze Geschichte der Oper
bewegt sich um das Einhalten oder Erreichen des richtigen Verhältnisses zwischen den
dramat. und musikalischen Elementen. Zeiten, in denen die Dichter ihre Stoffe ohne Rücksicht auf die Natur der Musik wählten
und ausführten, waren Perioden des Verfalls (die Altvenetianische Oper, die Meyerbeersche), ebenso die,
in denen die Musik sich auf Kosten der Handlung vordrängte (die Periode der Neapolitaner von A. Scarlatti bis Hasse). Die an
beiden Endpunkten notwendig hervorgerufene Reaktion wird durch die Namen Gluck (s. d.) und Wagner (s. d.) vertreten. ^[]
Nach Art der Handlung und nach den verwendeten musikalischen Formen unterschied man von jeher mehrere Klassen von Oper. Am geläufigsten ist heute die Einteilung in große Oper (opera seria bei den Italienern, tragédie lyrique bei den Franzosen) und komische oder Spieloper (ital. opera buffa; frz. opéra comique). In beiden Gattungen wird bei den Italienern die ganze Dichtung durchkomponiert. Bei den Franzosen und den Deutschen wird in der zweiten auch gesprochener Dialog verwendet.
Geschichtskarten von D

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Deutschland.Das erklärt sich daraus, daß bei ihnen die komische oder Spieloper aus dem einfachen Lieder- oder Singspiel (das bei den Franzosen bis Adam de la Hale zurückgeht) hervorwuchs. Als Ausnahmen haben beide Völker auch einzelne ernste Oper aufzuweisen, die in dieser Mischform gehalten sind: Cherubinis «Medea», Mozarts «Zauberflöte», Beethovens «Fidelio», Webers «Freischütz». Im Anfang des 18. Jahrh. nannte man in Deutschland [* 10] alle Oper auch die ital. Singspiele (s. d.);
erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. wurde letzterer Name auf die Halbopern mit gesprochenem Dialog (im Französischen: Vaudevilles; im Englischen: Ballad-opera,) beschränkt.
Gegenwärtig ist für diese Gattung der Titel Operette allgemein gebräuchlich. Als besondere Art der Oper unterscheidet man wohl auch die in neuester Zeit besonders von Humperdinck und Goldmark kultivierte Märchenoper (vgl. L. Schmidt, Zur Geschichte der Märchenoper, 2. Aufl., Halle [* 11] 1896).
Die Oper entstand um 1590 in Florenz [* 12] im Kreise [* 13] der dortigen Platonischen Akademie aus dem Bestreben, die Weise der altgriech. Tragödie wieder aufzufinden und ihre Wirkung zu erneuern. Zu diesem Zweck wählte man pathetische, ergreifende Gedichte und wandte auf sie den eben erst erfundenen einstimmigen Gesang mit Begleitung (Monodie) an, der in der Folge durch das Musikdrama zur höchsten Ausbildung gelangte. Mit der Zeit verdrängte er sogar die in der ersten Periode noch mit großer Wirkung verwendeten Chorsätze vollständig.
Rom

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Rom.Das erstere größere Werk war «Dafne», 1597 aufgeführt, von Ottavio Rinuccini gedichtet und von Jacopo Peri komponiert. Das zweite und glänzendere Werk dieser Art war die auch in der Musik noch erhaltene «Euridice», von denselben Verfassern, 1600 bei der Vermählung Heinrichs Ⅳ. mit Maria von Medici zu Florenz mit großer Pracht dargestellt. Zu gleicher Zeit führte einer der florentin. Akademiker, Emilio del Cavalieri, in Rom [* 14] das erste Oratorium in diesem neuen Stil auf. (S. Oratorium.) Durch das Hinzutreten eines so großen Komponisten wie Monteverdi, der Striggios «Orfeo» und Rinuccinis «Arianna» komponierte und 1607 und 1608 zu Mantua [* 15] aufführte, kam in diese Bestrebungen ein neuer Geist, der sich nach und nach das ganze Gebiet der Musik unterthan machte.
Opera - Operationslini

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Seite 62.601.Sein bedeutendster Nachfolger war Francesco Cavalli. Rinuccinis «Dafne» verdeutschte Opitz, und Heinrich Schütz brachte sie 1627 in Musik. Doch faßte die Oper erst gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland Wurzel; [* 16] in Frankreich zur selben Zeit; gegen 1660 in England. Das erste öffentliche Operntheater entstand 1637 zu Venedig; [* 17] das erste deutsche (von Schloßtheatern abgesehen) 1678 zu Hamburg. [* 18] In Frankreich erstand Lully, in England Purcell, in Deutschland (Hamburg) Keiser, in Italien Scarlatti, sämtlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. Von jenen vier Männern beherrschten Lully und Scarlatti die folgende Entwicklung. Die weitere Geschichte des ¶
mehr
musikalischen Dramas ist schon oben in ihren Hauptrichtungen und Höhenpunkten angedeutet. –
Vgl. H. Kretzschmar, Die venetianische Oper (Lpz. 1891);
Oper Neitzel, Führer durch die Oper des Theaters der Gegenwart (Bd. 1, ebd. 1890‒94);
H. Bulthaupt, Dramaturgie der Oper (2 Bde., ebd. 1887);
H. Riemann, Opernhandbuch (ebd. 1887; Supplement 1893).
(S. auch Musik und die Specialartikel Deutsche, [* 20] Französische, Italienische Musik.)