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Naturbleiche ist ein von alters her angewandtes Verfahren und beruht darauf, daß die in Betracht kommenden färbenden Substanzen fast sämtlich unter der Einwirkung von Luft, Feuchtigkeit und Sonnenlicht, wahrscheinlich infolge der Bildung von Ozon oder Wasserstoffsuperoxyd, zerstört werden. Es erfolgt dies um so leichter und vollkommener, je vollständiger alle sonstigen fremden Stoffe vorher durch Waschen, Bäuchen (Büken) u. s. w. beseitigt sind. Die vorbereiteten Stoffe werden so im feuchten Zustande der Wirkung des Sonnenlichts ausgesetzt, indem man sie auf ebener Unterlage, am besten und einfachsten auf dem Rasen (Rasenbleiche) ausbreitet. Der dem Boden entsteigende Wasserdampf, der sich niederschlagende Tau trägt zur Erhaltung der nötigen Feuchtigkeit bei, die aber bei trockner Luft und hoher Wärme [* 2] durch Besprengen zu vermehren ist. Allmählich tritt dann eine Veränderung im Aussehen der Stoffe ein, das ursprüngliche Grau schwindet mehr und mehr, bis nach einigen Monaten das reine, schneeige Weiß hervortritt.
Gegenwärtig ist die Naturbleiche, die sich wegen der langen Zeit, die sie erfordert, für die Großindustrie nicht eignet, durch die chemische Bleiche oder Kunstbleiche fast gänzlich verdrängt. Unter Laien herrscht vielfach noch Vorurteil gegen die chem. Bleiche, namentlich wird viel darüber geklagt, daß dadurch die Stoffe verdorben, weniger haltbar als früher würden. Wenn es auch unbestreitbar richtig ist, daß die meisten der jetzigen Gewebe [* 3] nicht mehr die Dauer besitzen wie die vor langen Zeiten gefertigten, so liegt doch die Ursache dazu viel weniger in der Art des Bleichen als vielmehr in der Herstellungsweise der Faser und der Gewebe.
Andererseits ist nicht zu leugnen, daß eine ungeeignete Behandlung in der chem. Bleiche selbst den besten Stoff verderben kann; das zeigt sich dann aber meist sofort und nicht erst allmählich. Man bedient sich zum Bleichen der unterchlorigsauren Salze, der schwefligen Säure und des Wasserstoffsuperoxyds. Die unterchlorigsauren Salze werden in verdünnter wässeriger Lösung angewendet, so das Kalium- und Natriumhypochlorit (Eau de Labaraque und Eau de Javelle), die Thonerdebleichflüssigkeit (nach Wilfen) und der Chlorkalk. [* 4]
Vor allem findet der Chlorkalk Verwendung zum Bleichen von Baumwolle, [* 5] Leinen, Papierzeug, dagegen nie bei Seide, [* 6] Wolle, Stroh, weil letztere durch Chlorkalk zerstört werden; hier muß schweflige Säure dienen. Bei der Vorbereitung der Stoffe ist dasselbe zu berücksichtigen, was bei der Naturbleiche erwähnt ist: die gründlichste Reinigung muß unter allen Umständen dem Bleichen vorhergehen. Baumwollene Ware wird mit schwacher Sodalösung gekocht und gebaucht; wollene Stoffe werden durch Walken in immer erneuertem Wasser von allem Schmutze befreit; Seide muß in lauwarmem Seifenwasser von dem ihr anhängenden Fett und Wachs gereinigt werden.
Die Behandlung mit Chlorkalk geschieht so, daß man eine ganz schwache wässerige Lösung desselben herstellt; diese kommt in einen geräumigen Behälter, durch den man die zu einem langen Bande zusammengehefteten Stoffe langsam hindurchzieht. Sofort nach dem Verlassen des Chlorkalkbades werden sie dann in ein Bad [* 7] von verdünnter Salzsäure gebracht, um dann einer gründlichen Wäsche unterzogen zu werden. Die größte Sorgfalt ist darauf zu verwenden, daß weder das Chlorkalk- noch das Säurebad eine zu hohe Konzentration habe; hat man es mit stark gefärbten Waren zu thun, bei denen eine einmalige Behandlung nicht ausreicht, so giebt man besser ein zweites, unter Umständen auch ein drittes Bad, als nur ein Bad in einer stärkern Lösung, weil diese die Haltbarkeit des Stoffes gefährdet.
Seide, Wolle, Haare [* 8] und Stroh werden gewöhnlich so gebleicht, daß man sie im nassen Zustande in einem geschlossenen Raume aufhängt, in dem man durch Verbrennen von Schwefel gasförmige schweflige Säure erzeugt. Letztere wird von dem den Stoff durchtränkenden Wasser aufgesogen und zerstört die Farbstoffe. In neuerer Zeit wendet man sehr zweckmäßigerweise wässerige Bäder von schwefliger Säure an, in welche die Stoffe so lange eingetaucht werden, bis sie entfärbt sind.
Die nicht vollständig auszuwaschende Säure kann, nachdem sie durch
Wasserstoffsuperoxyd zu Schwefelsäure
[* 9] oxydiert ist, leicht entfernt werden.
Wasserstoffsuperoxyd wird auch im ausgedehnten
Maße zum Bleichen von
Seide, Federn,
Knochen,
[* 10] Haaren u.s.w. benutzt. Das Bleichverfahren
von Hermiter beruht darauf, daß
Chlor aus einer verdünnten Chlormagnesiumlösung
durch
Elektrolyse
[* 11] freigemacht wird. Auch übermangansaure
Salze werden zum Bleichen verwendet.
Beim Einweichen schlägt sich
auf der Faser braunes
Manganoxyd nieder, das man durch verdünnte Schwefelsäure oder schweflige Säure später entfernt.
- Das einzige Material, bei dem die
Naturbleiche noch durch kein chem.
Mittel hat ersetzt werden können, ist das
Wachs.
Dieses wird im geschmolzenen Zustande in dünnem Strahle langsam über eine zur Hälfte in kaltes Wasser eintauchende, rasch gedrehte hölzerne Walze gegossen, wodurch es beim unmittelbar erfolgenden Erstarren die Form von langen, schmalen, dünnen Bändern, Locken, annimmt. Dese kommen zur Rasenbleiche. Sind sie äußerlich genügend weiß geworden, so werden sie wieder eingeschmolzen, von neuem in Locken verwandelt, von neuem gebleicht u. s. f., bis endlich das Wachs durch und durch entfärbt ist. Talg, Palmöl u. dgl. bleicht man, indem man auf die geschmolzenen Stoffe eine verdünnte Lösung von Chromsäure, d. h. eine wässerige, mit Schwefelsäure versetzte Lösung von rotem chromsauren Kalium unter kräftigstem Durchmischen einwirken läßt.
Vgl. Hummel, Färberei und Bleicherei (deutsch von Knecht, Berl. 1891);
Herzfeld, Das Färben und Bleichen (ebd. 1890);
Frey, Anlage, Konstruktion und Einrichtung von Bleicherei- und Färbereilokalitäten (ebd. 1888);
Kerl und Stohmann [Muspratt], Encyklopäd.
Handbuch der technischen Chemie (4. Aufl., Braunschw. 1888; Artikel: «Bleichen» und «Textilindustrie»).