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das lebhafteste interessierte und ihre Unterstützung durch die Reichsbank dringend wünschte. Diesen Intentionen ist aber auch vollkommen Rechnung getragen worden, soweit die wichtigste Aufgabe der Reichsbank, die Ordnung der Währung, dies zuließ. Als von Vertretern der Landwirtschaft der Wunsch geäußert wurde, für die Beleihung von Spiritus [* 2] leichtere Formen zu finden, hat der Bankpräsident die Beleihung auf den Gütern selbst angebahnt, unterstützt von den Steuerbeamten, unter deren Verschluß der Spiritus lagerte. Desgleichen hat sich die Reichsbank dazu verstanden, Zucker [* 3] in den öffentlichen Niederlagen zu beleihen, womit der Landwirtschaft ein wichtiger Dienst geleistet wurde. Die auf Spiritus gewährten Darlehen beliefen sich nach der erleichternden Anordnung auf etwa 8 Mill. Mk. Weitergehende Anträge sind aus landwirtschaftlichen Kreisen nicht bekannt geworden.
Will man sich den Kredit der Reichsbank in weitem Maße erschließen, so ist das einfachste Mittel die Bildung landwirtschaftlicher Genossenschaften, wie sie für Handwerker bestehen. Von den Handwerkergenossenschaften sind bei der Reichsbank 450 akkreditiert, und dieselben machen von dem Rechte, bei der Bank Wechsel zu diskontiren, reichlichen Gebrauch.
Die Frage, wieviel Darlehen die Reichsbank in den letzten Jahren auf landwirtschaftliche Produkte gewährt habe, beantwortete der Bankpräsident dahin, daß hierfür eine konstante Summe von etwa 12-15 Mill. Mk. aufgewendet wurde. Allein man solle sich erinnern, daß die Bank den Grundbesitzern doch noch nach sehr viel andern Richtungen hin geholfen habe. Es sei ein verbreiteter Irrtum, daß der Grundbesitz die Reichsbank nur zum Zwecke der Beleihung landwirtschaftlicher Produkte benutze.
Die Bank stelle sich vielmehr sowohl im Wechsel- als im Lombardverkehr in den Dienst der Landwirtschaft. Eine große Zahl von Gutsbesitzern habe bei der Bank ein Konto gegen Verpfändung von Papieren, auf welchem sie Geld einzahlen und wieder abheben, ohne auch nur für einen Tag länger Zinsen zu bezahlen, als sie das Geld benutzen. Der Gebrauch dieser Konten sei besonders gewachsen, seitdem die Bank Reichs- und Staatsanleihen billiger lombardiere als alle andern Papiere. Ohne ein Konto bei einem Bankier oder einer Bank nötig zu haben, beschaffen sich Gutsbesitzer wie Privatpersonen seither das nötige Geld bei der Reichsbank, welche für diesen Zweig des Geschäfts sehr bedeutende Summen aufwendet.
Gerade die vielgeschmähte Zirkularverfügung vom hat einen nachhaltigen Einfluß auf die Anbahnung eines wachsenden Verkehrs zwischen der Landwirtschaft und der Reichsbank geübt. Bis dahin hatte die Bank im Verkehr mit Grundbesitzern auf den Zutritt eines kaufmännisch Verbundenen gehalten. Durch die Verfügung wurde nicht nur hierauf in wichtigen Fällen verzichtet, sondern weiter ausgesprochen, daß den Gutsbesitzern ausnahmsweise Kredit gewährt werden dürfe auf Wechsel, denen es an einer geschäftlichen Grundlage fehlt.
Darin liegt der Kernpunkt, daß zu gunsten der Landwirte von dem obersten Prinzip abgewichen wurde, nur geschäftlich fundierte Wechsel zu diskontiren. Die Verfügung geht davon aus, daß der Gutsbesitzer bisweilen in die Lage komme, vor der Ernte, [* 4] vor dem Wollmarkt Geld auf kurze Zeit zu brauchen. Solchen Falles dürfen ausnahmsweise seine Wechsel diskontiert und, wenn es sein muß, sogar einmal prolongiert werden. Die Landwirte selbst hatten sich dahin ausgesprochen, daß ein höheres Maß des Entgegenkommens mit den Grundsätzen einer Notenbank nicht vereinbart werden könne.
Zwar ist es richtig, daß die englische Bank auch Wechsel mit Einer Unterschrift diskontiren dürfe, weil sie überhaupt in ihrem Geschäftsbetrieb gesetzlich nicht gebunden sei. Allein es fällt dort niemand ein, der Bank die Diskontierung von Solawechseln zu empfehlen, noch weniger aber der Bank, solche Zumutungen zu beachten. Ohne ihrem Ruf und dem Geldumlauf im Reiche zu schaden, kann die Reichsbank Wechsel mit 6. oder 12 monatlicher Verfallzeit und Reitwechsel nicht diskontieren.
Nichtsdestoweniger machen die Landwirte von den Einrichtungen der Reichsbank den ausgedehntesten Gebrauch. Bei 13 Bankanstalten besteht fast der vierte Teil der akkreditierten Personen und Firmen aus Gutsbesitzern. Ihre Zahl beträgt nicht weniger als 2492. Im ganzen sind bei der Reichsbank 5044 Grundbesitzer akkreditiert, während die Gesamtzahl aller bei der Reichsbank akkreditierten Personen und Firmen sich auf 56,000 beläuft. Die Zahl spricht deutlich für eine starke Benutzung der Reichsbank durch die Landwirtschaft, zumal die Gutsbesitzer in den westlichen, südlichen und mitteldeutschen Landesteilen sich an die Reichsbank überhaupt nicht wenden, denn ihnen stehen andre und billigere Hilfsquellen zur Verfügung.
Demnach entfällt die große Zahl auf die östlichen Provinzen, und es kann versichert werden, daß es sich hier um nicht unbedeutende Summen gehandelt hat. Auch zur Durchführung der Pfandbriefkonversionen haben die Gutsbesitzer vielfach die Reichsbank benutzt. Die Entnahmen zu derlei Zwecken stellten sich in den letzten Jahren bei nur fünf Bankanstalten, von welchen Spezialberichte in Vorlage gebracht wurden, auf 69½ Mill. Mk. In demselben Zeitraum sind von den landwirtschaftlichen Geldinstituten aus der Bank 133 Mill. Mk. gegen Verpfändung von Pfandbriefen entnommen worden.
Weiter machten die Grundbesitzer einen sehr umfassenden Gebrauch von den Giroeinrichtungen der Bank durch Überweisungen nach außen teils auf eignem Konto, teils auf dem Konto ihrer Bankiers. Die Reichsbank stellt ihnen ferner mit großem Erfolg ihr Kontor zum An- und Verkauf von Wertpapieren zur Verfügung. Es gibt überhaupt keine Einrichtung bei der Reichsbank, die von den Grundbesitzern nicht benutzt wird. Schwer fällt endlich der von der Bank angebahnte Vorteil der Zinsreduktion ins Gewicht.
Denn durch die Konversion der Pfandbriefe während der letzten Jahre ist eine Zinsersparnis von etwa 5 Mill. Mk. jährlich erzielt worden. Aus alledem aber braucht man nicht zu folgern, daß die Bank für die Grundbesitzer nicht noch viel mehr thun könne und wolle, sofern ihr dazu Gelegenheit geboten werde. Im Anschluß hieran wurde denn auch von seiten der Vertreter landwirtschaftlicher Interessen im Reichstag ausdrücklich anerkannt, daß die Reichsbank in sehr entgegenkommender Weise die Lombardierung der Spirituslager erleichtert habe, insofern sie sich mit einer symbolischen Besitzesübertragung begnügte, und es wurde die Erwartung ausgesprochen, daß von dieser Neuerung im Laufe der Zeit ein weitumfassender Gebrauch gemacht werden möge. Die Gefahr eines arglistigen Verkaufs des beliehenen Produkts durch den Landwirt existiere nur für die Theorie; denn die deutschen Grundbesitzer seien fast ausnahmslos ehrliche Leute. Eine sehr bedeutende Förderung (meinte man) würde der Lombardkredit noch erfahren können, wenn sich die Reichsbank dazu verstehe, eine Ermäßigung des Darlehnszinsfußes eintreten zu lassen als ¶
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Äquivalent für die Ausstellung eines eignen Wechsels durch den Grundbesitzer. Die Verbindung des Lombardverkehrs mit solchen »Lombardwechseln« habe sich bei der Darlehnskasse in Königsberg [* 6] trefflich bewährt.
Gegen die Wünsche der Landwirtschaft wurde von erfahrener Seite geltend gemacht, daß die stete Einlösbarkeit der Banknoten und damit die Sicherheit einer geordneten Währung von der Liquidität der diskontierten Wechsel ausschließlich abhängt. Mit diesem Grundsatz aber verträgt es sich nicht, ungezählten Mengen von Grundbesitzern langsichtige und zweifelhafte Kredite zu gewähren. Milliarden Gelder in Solawechseln und Lombardscheinen anzulegen, ist der sichere Ruin der Reichsbank.
Die Landwirtschaft kann sich aber auch nicht darüber beklagen, daß ihr der Kredit der Reichsbank nur in beschränktem Umfang zugänglich sei. Denn sie erfreut sich hinsichtlich ihres Kreditbedürfnisses ganz ähnlicher Privilegien wie Handel und Industrie. Die privilegierten und konzessionierten Landschaften und Hypothekenbanken gewährten von jeher den Grundbesitzern langsichtige Annuitätenkredite durch Emission unkündbarer Pfandbriefe; die Reichsbank kann im Hinblick auf ihre währungspolitischen Aufgaben mit jenen Instituten nicht konkurrieren.
Ja, es wurde das Bedenken geäußert, daß die von der Reichsbank zur Anwendung gebrachte Art der Beleihung von Spirituslägern an Korrektheit zu wünschen übriglasse; nur um einem augenblicklichen Mißstand abzuhelfen, sei diese Maßnahme angezeigt erschienen, insofern die Brenner durch die neue Steuer angeblich sehr gedrückt waren. Im Gegensatz dazu wurde von agrarischer Seite dem Wunsche Ausdruck gegeben, die Reichsbank möge auch Wälder auf kurze Fristen beleihen; es empfehle sich, zu diesem Zwecke das Kapital der Reichsbank zu vergrößern.
Den richtigen Weg, auf welchem die Mittel der Reichsbank der Landwirtschaft flüssig gemacht werden könnten, deutete der Bankpräsident in seinem Schlußwort an: »Wir haben in Frankreich ganz besondere Einrichtungen für den Grundbesitz: ein großes Zentralinstitut mit Zweiganstalten in den Provinzen. Dieses Institut steht mit der Banque de France in genauester, innigster Verbindung, der Kredit wird in reichstem Maße gewährt, und es kommt dem Grundbesitz dadurch indirekt der Kredit der Bank zu statten. Ich meine, daß es am besten wäre, wenn Sie sich bemühten, ein solches Zweiginstitut zu bilden. Aber das Verlangen, daß ich das thun möchte, und daß die Reichsbank die Leitung dieser Anstalt übernehmen möchte, kann ich nicht gerechtfertigt finden: einmal, weil die Reichsbank eine solche Aufgabe nicht übernehmen kann, ohne ihrer eignen Berufsthätigkeit zu schaden, und zweitens, weil es sehr bedenklich wäre, wenn die Reichsbank mit einer Sache sich befassen sollte, die mit einer großen Notenbank völlig unverträglich ist. Denn die Kombination zwischen einer großen Notenbank und einer Grundkreditbank halte ich für äußerst bedenklich.«
Auch von den Handwerkern war Beschwerde darüber geführt worden, daß sie in ihren Kreditansprüchen seitens der Reichsbank zurückgesetzt worden seien. Dem entgegen vermochte der Präsident der Reichsbank zu konstatieren, daß er am eine Zirkularverfügung an sämtliche Reichsbankstellen erlassen habe, in welcher ausdrücklich geschrieben steht: »es soll kein Unterschied gemacht werden zwischen den verschiedenen Ständen; auch der Handwerker soll Kredit haben, wenn er ihn verdient«.
3) Das Diskontogeschäft der Reichsbank.
Der wichtigste Geschäftszweig der Reichsbank ist die Diskontierung von Wechseln, dem Lombardgeschäft an Bedeutung schon deshalb erheblich überlegen, weil nur Wechsel nach dem Bankgesetze das Äquivalent für ungedeckt verausgabte Noten bilden dürfen. Unter den Wechseln selbst wird vorsichtige Auswahl getroffen, nicht nur insofern, als eine höchstens dreimonatige Verfallzeit und das Vorhandensein zweier sicherer Unterschriften für unerläßlich gilt, sondern weiter durch sorgsame Rücksichtnahme auf die Entstehung der Tratten.
Denn die Sicherheit soll nicht nur in der Person des Kreditempfängers liegen, sondern namentlich auch in der Art des Kredits. Der Kredit nun, welcher von einer Zettelbank gewährt werden kann, ist (wie wiederholt betont wurde) in fremden Ländern schon seit fast 200 Jahren und auch bei uns bereits seit geraumer Zeit umschrieben. Nur für das legitime Warenbedürfnis dürfen Vorschüsse gewährt werden. Als statthaft erweist sich also nur derjenige Kredit, der einem Verkäufer erteilt wird, weil es ihm gelungen, einen Teil seiner Vorräte an einen soliden Mann zu veräußern.
Unter einem legitimen Wechsel versteht man einen solchen, der auf den Käufer gezogen wurde, vorausgesetzt, daß für den Absatz der von ihm gegen Accept angeschafften Waren zuverlässige Aussichten vorhanden sind. Dementsprechend heißt es in der allgemeinen Anweisung, welche den Reichsbankanstalten erteilt ist: »Es sind nur solche Wechsel zum Ankauf geeignet, welche entweder aus dem Ankauf oder Verkauf von Waren oder Handelsgegenständen oder aus der Kreditgewährung seitens eines soliden Bank- oder Handelshauses herrühren, und bei welchen mit Gewißheit auf pünktlichen baren Eingang gezählt werden kann.«
Mit Recht wurde darauf hingewiesen, daß die Zulassung der Wechsel, welche aus einer Kreditgewährung von Bankhäusern hervorgehen, wirtschaftlich nicht unbedenklich, und daß deshalb gerade hier besondere Vorsicht geboten sei. Denn die Reichsbank laufe Gefahr, durch Einhaltung obiger Richtschnur die ungesündeste Börsenspekulation zu fördern, welche sie mit gutem Grunde namentlich auch im Lombardgeschäft zu bekämpfen suche. So ist in den allgemeinen Bestimmungen über den Geschäftsverkehr vom Juli 1889 ausdrücklich vorgesehen, daß bei Lombarddarlehen am Schlusse oder zu Beginn eines Monats ein Zinsminimum von 8, bei solchen am Schlusse oder zu Beginn eines Vierteljahrs sogar ein Minimum von 14 Tagen in Anrechnung gebracht werde.
Viel bedenklicher als die Lombardierung erscheine aber die Unterstützung der Börse durch Diskontierung von Wechseln, welche für die Zwecke der Ultimoregulierung auf die das Spekulationsgeschäft vermittelnden Banken und Bankiers von den Kunden derselben gezogen werden. Solche Tratten als Kreditgewährungen von Banken anzusehen, liegt nahe; für ihre Diskontierung aber bekunden die auf Tantieme angestellten Bankbeamten in anbetracht der zweifellosen Sicherheit solcher Wechsel große Vorliebe. Zur Klarstellung der unsoliden Unterlage der meisten sogen. Bankwechsel nahm man auf einen Artikel des »Deutschen Ökonomist« vom Bezug, welcher betont, daß nur die dem auswärtigen Handel dienenden Banktratten eine innere Berechtigung hätten.
Der Hauptzweck der Geldmacherei (so führt der »Deutsche [* 7] Ökonomist« aus) ist die Versorgung der in Effekten spekulierenden Kundschaft der Bankiers mit den nötigen Mitteln. Der Bankier behält die für ¶