Ursprung der Bettelmönche fällt zusammen mit dem zu Anfang des 13. Jahrh. entstehenden
Streben nach Rückkehr zu apostolischer
Strenge und Sitteneinfalt. Papst Innocenz III. war darauf bedacht, die
Begeisterung
der Zeit für ein «apostolisches Leben» in den Dienst des Papsttums zu
ziehen und dadurch zugleich der außerkirchlichen
Bewegung derGeister einen
Damm zu setzen. Hierdurch erklärt
sich das überaus schnelle Emporblühen der Bettelmönche. Schnell nacheinander entstanden im 13. Jahrh.
die
Dominikaner-,
Franziskaner-,
Karmeliter-,
Augustiner- und
Serviten-Bettelorden.
Schon 1274 sah sich die Kirchenversammlung zu
Lyon
[* 2] wegen der störenden
Eingriffe der in die regelmäßige Seelsorge zu der
Bestimmung genötigt, daß außer den bestehenden weiter kein Bettelorden gegründet werden dürfe. Die
Bettelmönche erhielten von den Päpsten wichtige Privilegien. Sie genossen vollständige
Freiheit von aller weltlichen und bischöfl.
Gerichtsbarkeit, hatten die Befugnis, außerhalb des
Klosters von jedem
Almosen zu fordern, und konnten überall, später jedoch
in beschränkter
Weise, ohne Rücksicht auf Parochialverhältnisse, predigen,
Beichte hören,
Messe lesen
und päpstl.
Ablässe verleihen. Außerdem bemächtigten sie sich, wenn auch unter hartem Kampfe, namentlich zwischen den
Franziskanern
und
Dominikanern (Scotisten und
Thomisten), der theol. Lehrstellen auf den
Universitäten und leisteten hier bald Bedeutendes
als
Lehrer und Gelehrte. Die Mönche, die das Einsammeln der
Almosen zu besorgen hatten, hießen
Terminanten.
Das Betteln selbst nannte man
Terminieren, und zum Zwecke desselben unterhielt man in den
Städten eigene Termineihäuser.
Bald zählte jeder Bettelorden auch weibliche Mitglieder, die mit den Mönchen Gelübde und Kleidung teilten und nur
von der priesterlichen Wirksamkeit ausgeschlossen blieben. Als der Franziskanerorden durch den in den
Spiritualen und
Fraticellen zu
Tage tretenden schwärmerischen und geradezu antihierarchischen
Geist verdächtig geworden war
und die
Augustiner sich in der Reformationszeit teilweise der neuen
Bewegung anschlossen, übertrug die Kurie namentlich den
Dominikanern die Bekämpfung der
Ketzer durch Gelehrsamkeit und durch Gewalt
(Inquisition). Erst im 17. Jahrh., als in den Bettelorden
die
Strenge der Regeln nachließ und neue kirchliche Bedürfnisse dem Papsttume in dem Jesuitenorden eine neue
«Armee» schufen,
sank ihr Ansehen, und auch ihre Privilegien wurden mehrfach beschränkt. Die Klosteraufhebungen in der Aufklärungszeit (Ende
des 18. Jahrh.) und in der Gegenwart (z. B. im Königreich
Italien)
[* 3] haben namentlich die Bettelorden hart betroffen.
Die
Ansichten der
Moralisten über das Bettelwesen haben vielfach geschwankt und stehen noch gegenwärtig im
Widerspruch
mit der
Auffassung der
Volkswirtschaftslehre. Wo die
Armut als Unglück betrachtet wird und von seiten des
Staates keinerlei
Vorsorge zum
Unterhalt Darbender getroffen worden ist, wird die Pflicht der Almosenspendung von Religionsstiftern
und Sittenlehrern als freies Werk gepredigt. Zwischen der
Armut und der Almosenspendung steht alsdann das Bettelwesen als natürliches
Vermittelndes, als Selbsthilfe des Bedürftigen in der Mitte.
Das
Judentum, die christl.
Lehre,
[* 4] der
Islam betonen gleichmäßig die Pflicht der Almosenspendung. Insbesondere
rechtfertigte die mittelalterliche
Kirche die Anhäufung riesiger
Gütermassen in ihren
Händen mit ihrem
Berufe, für die
Armen
und Bedürftigen zu sorgen. Das Bettelwesen ward sogar als verdienstlich in gewissen kirchlichen
Orden
[* 5] (s.
Bettelmönche) anerkannt.
Die Folge der kirchlichen unübersichtlichen, zersplitterten Armenpflege war die
Vermehrung der Bettler und die Abstumpfung
des Schamgefühls bis zu dem Punkte, auf welchem öffentliches Betteln nicht mehr als schimpflich gilt.
In rein kath.
Ländern, wie in
Italien und
Spanien,
[* 6] sind diese verderblichen Erfolge der alten kirchlichen Armenpflege und der
Ausbreitung massenhaften am augenscheinlichsten. Im ursächlichen Zusammenhange damit stand von jeher das Landstreichertum
und die Eigentumsgefährdung durch kleinen Diebstahl oder betrügerische Vorspiegelung körperlicher
Leiden.
[* 7]
Wohl waren die
Reformatoren bemüht, an die
Stelle des unterschiedslosen Gebens eine geregelte Versorgung der
Armen auf
Grund
einer genauen Prüfung ihrer Verhältnisse und nach Sonderung der wirklich
Armen von dem herumlungernden, arbeitsscheuen Gesindel
treten zu lassen, überhaupt die Versorgung auf das Notwendigste zu beschränken, allein der Erfolg war
aus verschiedenen
Gründen nur gering. Seit dem 16. Jahrh. entstanden zahlreiche Polizeiordnungen oder gar
eigene Bettelordnungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, wobei vielfach daran festgehalten wurde, daß es
zur
Bettelei obrigkeitlicher Genehmigung bedürfe. So ward das Bettelwesen zum konzessionierten
Gewerbe der Müßiggänger und
Hilflosen. Unberechtigte Bettler und Landstreicher wurden vielfach den alten Zuchthäusern, Spinnanstalten u. s. w.
zur Besserung überwiesen.
In den modernen
Staaten ist gegenwärtig überall die im
Widerspruch zur alten
Kirche stehende
Anschauung geltend geworden, daß
Betteln unter keinen Umständen gestattet werden darf, weil die Volkswohlfahrt durch Abstumpfung des wirtschaftlichen
Sinnes
geschädigt wird. Für wirklich Hilflose ist nach den Grundsätzen einer festen, verwaltungsrechtlichen
Ordnung teils durch alimentationspflichtige Verwandte, teils aus
Mitteln der Gemeinde oder eigener Armenpflegschaftsverbände
zu sorgen.
Der Fortbestand des Bettelwesen zumal in größern
Städten wurzelt wesentlich in dem gutmütigen
Wahne kurzsichtiger Almosenspendung,
in der Leichtgläubigkeit, die ohne sorgfältige Prüfung Gaben verabreicht, ohne die nachteiligen Folgen
zu bedenken, welche die Unterstützung Unwürdiger nach sich zieht. Erst neuerdings haben sich in deutschen
Städten, insbesondere
nach dem Vorgange von
Berlin,
[* 8]
Vereine gebildet, deren Mitglieder sich durch feste, planmäßig verwendete Beiträge gegen die
Hausbettelei schützen und grundsätzlich kein
Almosen ohne vorangegangene Untersuchung der Bedürfnisse verteilen
lassen.
Nach dem Vorgange aller neuern Gesetzgebungen bedroht das Deutsche
[* 9]
Strafgesetzb. §. 361, 4 das Betteln mit
Strafe (Haft bis
zu 6 Wochen). Diese
Strafe trifft sowohl denjenigen, welcher selbst bettelt, als auch solche, welche
Kinder zum Betteln anleiten
oder ausschicken, oder
Personen, die ihrer Gewalt und
Aufsicht untergeben sind und zu ihrer Hausgenossenschaft
gehören, vom Betteln abzuhalten unterlassen. Nach §. 362 darf der
Richter den Verurteilten der Landespolizeibehörde nach
verbüßter Haft überweisen mit der Ermächtigung zur Unterbringung in
Arbeitshäusern oder zu gemeinnütziger Beschäftigung
für den Zeitraum von 2 Jahren; dies jedoch nur, wenn derselbe in den letzten
¶
mehr
3 Jahren mehrmals wegen Bettelei verurteilt ist, oder wenn er unter Drohungen oder mit Waffen
[* 11] gebettelt hat. -
Vgl. Uhlhorn,
Die christl. Liebesthätigkeit (3 Bde.,
Stuttg. 1882, 1884,1890): Kah, Die Polizeivergehen des Deutschen Strafgesetzbuches (ebd. 1879).