Ollivier
(spr. -wĭeh), Emile, franz. Staatsmann, geb. zu Marseille, [* 2] widmete sich dem Studium der Rechte und wurde 1847 zu Paris [* 3] Advokat. Nach der Februarrevolution schickte ihn 1848 die republikanische Regierung als Generalkommissar nach Marseille und ernannte ihn zum Präfekten daselbst, doch kehrte er schon im Jan. 1849 zu seinem Beruf zurück. 1857 wählte ihn ein Pariser Bezirk in den Gesetzgebenden Körper, wo er der nur aus fünf Mitgliedern bestehenden Opposition angehörte. 1865 ernannte ihn der Vicekönig von Ägypten [* 4] zu seinem jurist.
Beirat und
Kommissar, infolgedessen er die Advokatur niederlegte. Immer mehr neigte sich Ollivier
nun der Regierung zu. Er
veröffentlichte, um die Möglichkeit eines konstitutionellen Kaiserreichs nachzuweisen, eine
Broschüre u. d. T. «Le
[* 5] 19 Janvier»
(Par. 1869 u. ö.) und ließ im Gesetzgebenden Körper an der
Spitze der neuen Mittelpartei
(tiers-parti)
der Regierungspolitik unbedingte Unterstützung angedeihen. Nach dem Rücktritt des sog. interimistischen
Ministeriums Forcade de la Roquette wurde Ollivier
mit
Bildung eines homogenen
Kabinetts beauftragt, das die
Majorität
des Gesetzgebenden Körpers vertreten sollte.
Dieses Ministerium kam definitiv zu stande. Ollivier
übernahm darin die Justiz und
den
Kultus und das Präsidium. Zunächst wurden mehrere liberale Verordnungen erlassen und auf die offiziellen Kandidaturen
bei den
Wahlen verzichtet. Auf den Wunsch des
Kaisers arbeitete Ollivier
das Senatuskonsult aus, das die letzten konstitutionellen
Veränderungen vollziehen sollte, und ließ es durch eine allgemeine
Volksabstimmung sanktionieren. (S.
Frankreich, Geschichte.)
Willenlos ließ er sich in den
Krieg gegen
Preußen
[* 6] hineintreiben, und erklärte 15. Juli, daß das Ministerium «mit leichtem
Herzen» die Verantwortung übernehme.
In der Sitzung des mußte Ollivier
mit seinen
Kollegen vor einem Mißtrauensvotum der Kammer zurücktreten. Er begab sich
nach
Italien,
[* 7] kam aber 1872 wieder nach
Frankreich zurück. Seit 1870 ist Ollivier
Mitglied der
Französischen Akademie.
Von seinen schriftstellerischen
Arbeiten sind zu nennen: «Un visite
à la chapelle de Médicis: Dialogue sur
Michel-Ange et
Raphaël» (Par. 1872),
«Lamartine» (ebd. 1874),
«Principes et conduite» (ebd. 1875),
«L’ Église et l’État au concil du Vatican» (ebd. 1879),
«Thiers à l’Académie et dans l’histoire» (ebd. 1879),
«Nouveau manuel de droit ecclésiastique français» (ebd. 1885),
«Michel-Ange» (ebd. 1892),
«L’empire libéral» (ebd. 1894). Ollivier
ist auch Mitbegründer
der
«Revue du droit pratique» (seit 1856), in welcher Zeitschrift er zahlreiche jurist.
Arbeiten veröffentlichte.