Bartgeier
(Bartadler, Geieradler, Gypaëtos Storr.), eine den Geiern nahe verwandte Gattung der Raubvögel, [* 2] welche eine eigne Familie (Gypaëtidae Gray) und gleichsam den Übergang von den Geiern zu den Adlern bildet. Der kräftige, gestreckte Leib trägt auf kurzem Hals einen großen, langen, vorn platten Kopf; die Flügel sind sehr lang und spitzig, der sehr lange Schwanz ist stufig oder keilförmig, der Schnabel stark, lang, komprimiert, gegen die Spitze hin aufgeschwungen und mit einem scharfen Haken herabgekrümmt; die Füße sind kurz, verhältnismäßig schwach, die Zehen mittellang und sehr schwach, die Nägel [* 3] stark, aber wenig gekrümmt und ziemlich stumpf.
Kopf und
Hals sind völlig mit
Federn bekleidet, die
Wachshaut von Borstenbüscheln verdeckt. Die einzige Art, der Bartgeier
(Lämmer-,
Gemsengeier, G. barbatus
Cuv.), wird 1,15 m lang, 2,67 m breit (Weibchen), Oberkopf und
Kopfseiten sind gelblichweiß, Hinterkopf und Hinterhals rostgelb,
Rücken und
Bürzel schwarz mit weißlichen
Schaftstrichen,
Schwingen und Steuerfedern schwarz; auf der Unterseite
ist er hoch rostgelb, auf der
Brust mit einem
Kranz weißgelber,
schwarz gefleckter
Federn, ein schwarzer Zügelstreifen reicht bis zum Hinterkopf; das
Auge
[* 4] ist weiß, die äußere Augenhaut
mennigerot, die
Wachshaut bläulichschwarz,
Fuß und
Schnabel grau, Schnabelspitze schwarz.
In der Jugend ist der Lämmergeier schwarzbraun, unterseits hell rostbraun, an Kopf und Hals schwarz. Er bewohnt in geringer Anzahl die höchsten Berge der Schweiz, [* 5] Siebenbürgens, Südeuropas und des Kaukasus, den Altai und Himalaja, Vorderasien und den Atlas. [* 6] Er lebt einzeln, in Paaren, höchstens in kleinen Trupps, fliegt äußerst schnell, falkenartig, ruht auf vorstehenden Felsen, weil ihm das Auffliegen vom Boden schwer wird, und geht schreitend; er nährt sich von Aas, kleinen Säugetieren, Schildkröten, [* 7] Vögeln, besonders auch von Knochen, [* 8] die er aus bedeutender Höhe herabfallen läßt, um sie zu zerbrechen (daher Ossifraga schon bei den Römern).
Die
Erzählungen von der
Stärke,
[* 9] Kühnheit und Raubsucht des Bartgeiers
beziehen sich ausschließlich
auf den Steinadler, kein
Hirt und kein
Jäger fürchtet den Bartgeier.
Nur in der
Schweiz weiß man von
Angriffen des Bartgeiers
auf
Gemsen,
Schafe,
[* 10]
Kinder, die er in den Abgrund zu stürzen sucht. Er nistet auf unnahbarer Felswand unter
überhängendem
Gestein, und das Weibchen legt im
Januar oder
Februar ein, selten zwei trübweißliche, grau und braun gefleckte
Eier.
[* 11] Die Alten verteidigen die
Jungen nicht, wenn man sich dem
Horst nähert, sondern lassen sich leicht verscheuchen. In der
Gefangenschaft wird er leidlich zahm.