Böse
ist der Gegensatz von gut (s. d.) und nimmt an allen Schwankungen
des letztern
Begriffs teil; doch hat der
Ausdruck vorzugsweise sittliche Bedeutung. Danach heißt böse
allgemein die Handlung, die dem Sittengesetz zuwiderläuft, vorausgesetzt, daß der Handelnde dasselbe
an sich wohl kennt
und in seiner
Gültigkeit anerkennt. Das Wesen des Bösen
ist daher eigentlich die
Lüge, nämlich die innere Unwahrhaftigkeit,
daß man von der sittlichen Forderung, deren
Recht im allgemeinen man eingestehen muß, doch sich für
seine
Person, soweit man es für vorteilhaft hält, entbindet. Daher unterscheidet man
Bosheit von bloßer Schwäche so, daß
der Böse
sich die Nichtbefolgung des Grundsatzes der Sittlichkeit
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sozusagen zum Grundsatz macht, der Schwache dagegen wohl gern gut sein möchte, aber der Versuchung, dem Drange der Not u. s. w. unterliegt; daher der letztere jederzeit zur Reue bereit sein wird, der erstere nicht.
In dem unleugbaren Dasein des Bösen
in der Welt liegt nun ein schwieriges, vielleicht unlösbares Problem für
jede Ansicht, welche einen schlechthin guten und zugleich allmächtigen Willen als Weltursache annimmt. Man hat dann nur die
Wahl, entweder die unbedingte Güte oder die unbedingte Macht des Welturhebers preiszugeben, oder endlich über die Thatsache
der Existenz des Bösen
sich irgendwie hinwegzusetzen. Den erstern Weg hat kaum jemand zu betreten gewagt,
man müßte denn die (spinozistische) Ansicht von einer gegen die menschlichen Begriffe des Guten und Bösen
überhaupt gleichgültigen
letzten Ursache (für die natürlich das ganze Problem wegfällt) dahin rechnen.
Die zweite Annahme führt notwendig auf die Einführung eines dem guten Princip von Ewigkeit her gegenüberstehenden bösen
Princips (so im Parsismus und im Manichäismus), oder auch eines bloß trägen, passiven Stoffs, der die
Verwirklichung des Guten bloß hemmt (so bei Plato und den Neuplatonikern). Die letztere Ansicht nähert sich bereits der dritten
möglichen Lösung, nämlich der Leugnung der Realität des Bösen.
So ist schon bei Plato das Böse
eigentlich ein
bloß Negatives; auch Leibniz nähert sich der Auffassung, daß, was uns aus unserm beschränkten Gesichtspunkt böse
erscheint,
an sich und für den, der das Ganze überschaute, in vollkommene Wohlordnung sich auflösen würde; eine Ansicht, in der man
einen richtigen Kern sehr wohl anerkennen kann, obwohl sie in Gefahr ist, den Ernst des sittlichen Problems
des Bösen
zu verkennen, indem die Grenze nicht scharf genug gezogen wird zwischen dem sittlich Bösen und dem beliebigen
Übel.
Das ganze Problem ist natürlich ein transcendentes und verschwindet, wenn man sich nicht vermißt, über eine letzte Weltursache
u. s. w. Spekulationen anzustellen. Übrigens ist es gewiß, daß unsere Begriffe von gut und böse
, wie
sehr auch auf einem letzten unbedingten Princip ruhend, doch in der Anwendung auf einen empirischen Stoff nicht mehr auf unbedingte
Gültigkeit Anspruch haben, sodaß wenigstens für die Idee, daß auch, was aus wirklich bösem
Willen gewollt war, zuletzt
zum Guten ausschlagen könne und sogar müsse, Raum bleibt, womit dem Bedürfnis einer «sittlichen
Weltordnung» genügt ist.