Perrücke
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s. Perücke. ^[= (Perrücke, franz. perruque, ital. parrucca, span. peluca, v. lat. pilus, Haar), Kopfbedeckung ...] [* 3]
Perrücke
6 Wörter, 54 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Perrücke,
s. Perücke. ^[= (Perrücke, franz. perruque, ital. parrucca, span. peluca, v. lat. pilus, Haar), Kopfbedeckung ...] [* 3]
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Perrücke,
s. Perücke.
[* 3] (Perrücke, franz. perruque, ital. parrucca, span. peluca, v. lat. pilus, Haar), [* 5] Kopfbedeckung von Haaren, die dem natürlichen Haupthaar mehr oder weniger ähnlich ist. Der Gebrauch fremder Haare [* 6] zur Bedeckung des Kopfes kam schon im Altertum vor und zwar weniger, um das natürliche Haar, falls es geschwunden, zu ersetzen, sondern zum Schmucke. Könige und Krieger setzten sich Perücken auf, um ehrfurchtgebietender oder furchterregender zu erscheinen, und diese Absicht liegt auch der Perücke aus Menschen- oder Tierhaaren, Pflanzenfasern, Gräsern etc. zu Grunde, welche noch heute von unzivilisierten Völkerschaften getragen wird.
Bei den Medern, Persern, Lydiern und Kariern war die Perücke allgemein, und aus Asien [* 7] ging sie nach Griechenland [* 8] und Rom [* 9] über, wo namentlich das goldgelbe Haar der Germanen sehr geschätzt und zu Perücken verarbeitet wurde. Bei dem wachsenden Luxus der römischen Kaiserzeit wurde das Tragen von Perücken unter den Damen allgemein. Sie waren schnell dem Wechsel der Mode unterworfen, und man fertigte danach sogar Porträtstatuen und -Büsten mit abnehmbaren Marmorperücken. Im Mittelalter scheint die Perücke erst unter Ludwig XI. in Frankreich wieder aufgenommen zu sein.
Wenigstens wirft Maillard, der 1494 und 1508 in Paris [* 10] predigte, den Frauen vor, sich der Perücken zu bedienen. Doch scheint die Kunst, Perücken zu machen, vor dem 17. Jahrh. wenig Fortschritte gemacht zu haben. Man trug anfangs große Käppchen, die mit einer doppelten Reihe von ganz glatten oder leicht frisierten Haaren besetzt waren. Erst 1620 ward eine Perücke Mode, welche der Abbé La Rivière zuerst trug. Sie war blond und so dicht besetzt und lang, daß sie 2 Pfd. wog, und 1680 erfand ein gewisser Ervais das Kräuseln, wodurch die Perücken leichter wurden und voll aussahen, ohne viel Haare zu brauchen. So ward Frankreich das Vaterland der neuern Perücken, welche sich von dort aus über die meisten Länder Europas verbreiteten.
Man verließ bald den natürlichen Gesichtspunkt einer möglichst täuschenden Nachahmung des eignen Haars und trug Perücken nicht bloß als ein Ersatzmittel des mangelnden Kopfhaars, sondern zur Zierde. Die wunderlichste Ausartung dieses Geschmacks waren die Allongeperücken (Staatsperücken), die, von Binette, dem Leibfriseur Ludwigs XIV., um 1670 erfunden, aus einem dichten Gekräusel von Haaren bestanden, das, die Stirn bogenförmig begrenzend, sich tief über den Nacken erstreckte und über die Schultern zu beiden Seiten auf die Brust herabfiel (s. die Abbildung und Tafel »Kostüme [* 11] III«, [* 12] Fig. 7). Die größte dieser Allongeperücken nannte man grand in-folio.
Als andre, zum Teil nicht weniger unnatürliche Arten nennen wir: die Knotenperücken (Karréperücken), deren Hinterhaare in Knoten geschürzt wurden;
die Haarbeutelperücken (Beutelperücken, Sackperücken), bei denen das lange Hinterhaar in einen Beutel [* 13] eingeschlossen war;
die Zopfperücken, welche hinten in einem offenen oder zusammengewundenen Zopf oder auch in zwei Zöpfen endigten;
die Stutz- oder Abbéperücken, die im Nacken kurz abgeschnittenes Haar hatten.
Schon 1673 entstand in Paris die erste Perückenmacherzunft. Berlin [* 14] erhielt eine solche 1716, nachdem schon etwa 40 Jahre früher, unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm, die Perücken Eingang gefunden hatten und 1701 von König Friedrich I. mit einer Steuer belegt worden waren. Unter Ludwig XV. von Frankreich kamen zwar die großen Perücken mehr und mehr ab und blieben bloß beim Richterstand noch in Gebrauch; aber statt ihrer wurden unter der Regentschaft die Perruques à la régence oder à la Cadogan (s. d.) eingeführt, welche erst gegen Ende des 18. Jahrh. durch den Zopf (s. d.) verdrängt wurden. Seit dem Beginn des 19. Jahrh. hat die Perücke ihre Bedeutung als Bestandteil der Tracht verloren. Man trägt sie nur in den Fällen, wo aus Eitelkeit
[* 3] ^[Abb.: Allongeperücke.] ¶
oder aus Rücksicht für die Gesundheit der Mangel des natürlichen Haars versteckt oder dem kahlen Kopf eine vor Erkältung schützende Decke [* 16] gegeben werden soll. Je nach Umständen braucht man entweder Perücken, die den ganzen sonst behaarten Teil des Kopfes einhüllen und gleich einer Mütze aufgesetzt werden (Touren), oder solche, welche nur eine kleine kahle Stelle bedecken und teils (mit Quittenschleim und Hausenblase) aufgeklebt, teils durch Federn festgehalten werden (halbe Perücken, Atzeln, Toupets und Platten).
Die besten Perücken wurden eine Zeitlang aus Paris bezogen. Doch kommen jetzt auch die deutschen Friseure ihren französischen Kollegen in der Anfertigung von Perücken gleich. Das Festsitzen derselben auf dem Kopf wird jetzt meist mit Druckfedern bewirkt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Perückenmacherei jetzt noch für Bühne, Zirkus, Maskengarderoben, Schaufensterköpfe u. dgl.
Vgl. Nicolai, Über den Gebrauch der falschen Haare und Perücken (Berl. 1801). -
Perückenstil nennt man eine Ausartung des Barock- oder Rokokostils.