Kurfürsten
(seit 1500 Churfürsten geschrieben, v. althochd. Kür, d. h. Wahl, also »Wahlfürsten«, lat. Electores), diejenigen Fürsten des ehemaligen Deutschen Reichs, welchen die Wahl des Kaisers oder Königs oblag. Nach dem Aussterben der Karolinger wurde Deutschland [* 2] ein Wahlreich. Das Wahlrecht wurde bis ins 12. Jahrh. von allen Fürsten ausgeübt, gleichviel, ob sie ihr Lehen unmittelbar vom Reich oder aus zweiter oder gar aus dritter Hand [* 3] empfingen. Bisweilen, wie bei Lothars Wahl, wählten diese aus ihrer Mitte einen Wahlausschuß.
Böhmen, Mähren und Öst

* 4
Böhmen.Erst der »Sachsenspiegel« (um 1230) erwähnt sechs erste Wähler und als siebenten den König von Böhmen, [* 4] der seine Stimme zur Zeit nicht ausübe. Sie wurden die ersten und seit der Mitte des 13. Jahrh. die einzigen Wähler, weil sie Inhaber der Erzämter (s. d.) und die weltlichen unter ihnen die mächtigsten Vertreter der vier Hauptländer des Reichs waren. Diese Wahlfürsten waren: der Erzbischof von Mainz, [* 5] als des Deutschen Reichs Erzkanzler;
der von Köln, [* 6] als Kanzler von Italien; [* 7]
der von Trier, [* 8] als Kanzler von Burgund;
der Pfalzgraf bei Rhein, als des Reichs Truchseß;
der Herzog von Sachsen, [* 9] als des Reichs Marschall;
der Markgraf von Brandenburg, [* 10] als des Reichs Kämmerer;
der König von Böhmen, als des Reichs Schenk.
Die letzten vier hießen weltliche im
Gegensatz zu den drei erstgenannten geistlichen
Kurfürsten
Böhmens
Recht wurde übrigens besonders von
Bayern
[* 11] aus nationalen
Gründen bestritten und selbst beansprucht. Eine Zeitlang
fand dies
Anerkennung, mußte aber dann dem bessern
Recht
Böhmens weichen. Es steht fest, daß seit
Rudolf
I. für wichtige Reichsgeschäfte die Zustimmung der in Willebriefen erforderlich war. Um die Macht der Kurfürsten
einzuschränken,
gab
Karl IV. 1356
(Reichstag zu
Nürnberg
[* 12] 10. Jan., zu
Metz
[* 13] 25. Dez.) die
Goldene Bulle. Durch diese wurde die Kurwürde immer nur Einer
Linie jedes
Hauses (in
Sachsen der wittenbergischen) zugesprochen, den Kurfürsten
Bergregal,
Münzrecht und das
Recht
verliehen,
Obergerichte im eignen Land zu haben und die
Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten ihrer
Unterthanen durch die
Reichsgerichte
abzulehnen.
Auch wurde verordnet, daß Beratungen der Kurfürsten
jährlich in den ersten vier
Wochen nach
Ostern stattfinden sollten. Seit 1338 war
ihr
Recht zu
Kurvereinen (s. d.), in welchen sie sich zur Aufrechterhaltung ihrer
Wahl- und Standesrechte
verpflichteten (wichtig der zu
Rhense 1338), unbestritten; ihre Macht ward dann durch die seit 1519 üblichen
Wahlkapitulationen
(Verträge der Kurfürsten
mit dem
Kaiser
vor der
Wahl) vermehrt. Die Kurfürsten
genossen königliche
Ehren. Auf dem
Reichstag bildeten
sie ein besonderes
Kollegium (Kurfürsten
kollegium) unter dem Vorsitz
(Direktorium) des Kurfürsten
von
Mainz als
Reichserzkanzlers.
Hannover und Umgebung

* 14
Hannover.
Die Zustimmung dieser
Körperschaft, in welcher die Abgesandten der Kurfürsten
saßen, war zu jedem
Reichsschluß
(Reichsgesetz) erforderlich.
Auch durften die auf den
Reichstagen selbst
Gesetzvorschläge machen. Seit dem 15. Jahrh. übte
Böhmen sein
Wahlrecht
nicht mehr aus, erhielt es jedoch 1648 zurück. Die pfälzische
Kur wurde 1623 auf
Bayern
übertragen, jedoch 1648 erneuert
und mit dem Erzschatzmeisteramt beliehen, während für
Bayern eine achte
Kur geschaffen wurde.
Kurfürsten, die sieben

* 18
Seite 10.343.
Hannover
[* 14] (Braunschweig-Lüneburg) erhielt 1692 die neunte
Kur mit dem Erzbanneramt. Als 1777 das
Haus
Bayern ausstarb, fiel dessen
Kur an
Pfalz, und es gab nun wieder nur acht Kurfürsten.
Damals wurde das Erztruchseßamt wieder auf die
Pfalz
übertragen;
Hannover, dem
das Erzbanneramt von
Württemberg
[* 15] streitig gemacht worden war, erhielt nunmehr das erledigte Erzschatzmeisteramt. Durch den
Frieden von Lüneville 1801 und den Reichsdeputationshauptschluß 1803 verloren
Köln und
Trier die Kurwürde,
der
Erzbischof von
Mainz dagegen behielt einen Teil seines Gebiets mit dem
Titel
Kurerzkanzler.
Neue Kurwürden wurden verliehen
dem
Großherzog von
Toscana für das Erzstift
Salzburg,
[* 16] dem
Herzog von
Württemberg, dem
Markgrafen von
Baden
[* 17] und dem
Landgrafen
von
Hessen-Kassel. Dadurch wurde die Zahl der auf zehn erhöht.
Salzburgs
Kur erlosch schon 1805, die übrigen
mit der
¶
mehr
Stiftung des Rheinbundes. Nur der Kurfürst von Hessen
[* 19] behielt nach seiner Wiedereinsetzung den Titel eines Kurfürsten
bei; das
Kurfürstentum
Hessen endigte 1866 infolge der Annexion durch Preußen.
[* 20] Am starb der letzte Kurfürst Friedrich Wilhelm von
Hessen. Die besondere Tracht der Kurfürsten
bestand aus einem bis auf den Boden herabgehenden Rock (Kurmantel), bei
den geistlichen Kurfürsten
aus scharlachrotem Tuch, bei den weltlichen von rotem Samt, mit einem Kragen von Hermelin und Hermelinbesatz
an den weiten Ärmeln und vorn herunter, und aus dem Kurhut. Der Erbprinz eines Kurfürsten
hieß Kurprinz.
Vgl. Wilmanns, Die
Reorganisation des Kurfürsten
kollegiums (Berl. 1873);
Schirrmacher, Die Entstehung des Kurfürsten
kollegiums
(das. 1874);
O. Harnack, Das Kurfürsten
kollegium bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Gießen
[* 21] 1883);
Quidde, Die Entstehung des Kurfürstenkollegiums (Frankf. a. M. 1884).