Mode
(franz., v. lat. modus,
engl.
Fashion), die Lebensformen, sofern sie weder durch nationale
Tradition noch durch zwingende Erwägungen, sondern durch
wechselnde Tageslaunen bestimmt werden. Das Gebiet, auf welchem die Mode
am unbestrittensten herrscht,
ist die
Kleidung; doch gibt es kein Gebiet des menschlichen Gemeinlebens, welches sich dem Einfluß der Mode
ganz zu entziehen
vermöchte. Die Zubereitung und Aufeinanderfolge der
Speisen, die
Ausstattung der
Wohnungen mit Hausrat, die
Anordnungen von
Festlichkeiten, die Form von
Briefen: alles ist der Mode
unterworfen (vgl.
Chic).
Man spricht sogar von Mode
philosophen und Modedichtern. Doch hat jede Anwendung des
Begriffs der Mode
auf das Gebiet von
Wissenschaft
und
Kunst etwas Tadelndes, denn hier soll die richtende
Vernunft und das ästhetische
Gesetz ausschließlich herrschen; dagegen
gibt es Gebiete, in denen die
Willkür ihr
Spiel treiben darf, weil die
Vernunft sich jedes
Rechts der Einsprache
begibt. Ein solches Gebiet ist vor allen die
Kleidung. Ohne Rücksicht auf die
Gebote des
Anstandes, der
Gesundheit und der Bequemlichkeit
herrscht hier ein beständiger
Wechsel in
Stoffen,
Formen und
Farben.
Was gegen die
Gebote des
Anstandes und der
Gesundheitspflege verstößt, geißelt man als
Ausartungen der
als Mode
thorheiten. Von diesen abgesehen, haben die
Launen der Mode
einen weiten Spielraum, innerhalb dessen sie berechtigt
sind und volkswirtschaftlichen Nutzen haben. Bei Völkern mit gering entwickelter
Kultur äußert sich die Mode
meist nur in
dem
Putz der
Frauen. Auch hat die Mode
nur wenig Einfluß auf diejenigen Gesellschaftsklassen, die an eine
streng begrenzte
Sitte oder Lebensvorschrift gefesselt sind.
Hut (im Bergbau) - Hut

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Hut (im Bergbau) - Hutcheson.
Nationaltrachten sind nicht der Mode
unterworfen. Doch dringt die Mode immer weiter vor, so daß die
Nationaltrachten mehr und
mehr verschwinden oder von ihrem
Charakter verlieren. Die
Launen der Mode
gingen ursprünglich aus dem
Streben
nach Fortschritt hervor. Jedes einzelne Kleidungsstück, jeder einzelne Kleidungsteil, der
Hut,
[* 3] der Strumpf, die Halsbinde,
der Hosenträger, der Knopf, ist fortdauernd der Vervollkommnung fähig; aber wie sich der Fortschritt des Menschengeschlechts
nirgends in gerader
Linie bewegt, sondern Schlangenwindungen beschreibt, so ist dies auf dem Gebiet der
Kleidertrachten in besonders hohem
Grade der
Fall. Nicht selten bricht sich die Lust am Kostbaren, am
Bizarren, ja am Unnatürlichen
Bahn und verweist uns aus den Wegen des Fortschritts in die des
Rückschritts.
Der Rückblick auf eine lange
Entwickelung pflegt indessen zu lehren, daß das Üble schnell
wieder abgelegt
wird, während das
Gute die Gewähr der Dauer
in sich hat. Die ist einer derjenigen
Faktoren, welche auf die
Nachfrage und dadurch
auf den
Preis in hohem
Grad bestimmend einwirken. Ein
Wechsel der Mode
entwertet bedeutende Vorräte; er drückt die
Preise von
Waren herab, deren Brauchbarkeit für denjenigen, der sich der Mode
nicht unterwirft, unverändert
bleibt.
Unter diesem
Gesichtspunkt hat man die als ein wirtschaftsschädliches
Element bezeichnet; anderseits aber hebt sie die
Produktion
und befördert die
Konkurrenz, so daß der durch den
Wechsel herbeigeführte
Schade wieder ausgeglichen wird. »Die Mode
, seitdem
sie sich über so zahlreiche Abteilungen der
Bevölkerung
[* 4] verbreitet, hat der
Produktion eine ganz neue
Richtung gegeben. Der
Konsument verlangt bei dem raschen
Wechsel der Mode
nächst Zweckmäßigkeit Wohlfeilheit, und gerade bei
der tausendfachen Erweiterung des
Absatzes, welche die Mode
möglich macht, bringt es Vorteil, die
Güter in großen
Massen zu
produzieren, bei denen es erst einträglich wird, recht wirksame technische Verbesserungen aufzusuchen
und durchzuführen. Die Mode
hat wesentlich zur Kostenersparnis
Anlaß gegeben.« (v.
Hermann, Staatswirtschaftliche Untersuchungen,
Münch. 1870, S. 99.) Früher legte man größern Wert auf die Kostbarkeit von Kleidern und Geräten; die Mode
hat
für eine Gleichstellung der
Stände gewirkt.
Alles in allem gerechnet, nimmt trotz des
Wechsels der Mode
das
Kleidungsbedürfnis einen geringern Teil des Jahreseinkommens in Anspruch als in frühern
Zeiten.
Gewebe (Zeuge: glatte

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Gewebe.Die Reformbewegung auf dem Gebiet der Kunstindustrie ist zum Teil ein Kampf gegen die Mode, deren Willkür an den Stilgesetzen feste Schranken finden soll, ohne daß diese die Phantasie der erfindenden Künstler in der freien Bewegung hemmen. Durch ihren Einfluß auf die Fabrikation des Schmuckes, auf Muster und Farbenzusammenstellung der Gewebe [* 5] etc. greift die stilistische Richtung auch auf die eigentlichste Domäne der Mode, die Tracht, hinüber, und es ist zu hoffen, daß die allgemeinere Verbreitung des Kunstsinnes und Kunstverständnisses endlich Moden unmöglich machen wird, welche den Körper entstellen, indem sie die so weise abgewogenen Verhältnisse desselben verrücken, und daß der einzelne von der herrschenden Mode nur dasjenige annehmen wird, was seinem Körperbau, seiner Haut- und Haarfarbe etc. angemessen ist.
Seit Ludwig XIV. gab Frankreich den Ton für die Kleidermode an, nicht ohne gelegentliche Opposition gegen diese Diktatur hervorzurufen oder sich selbst von außen her beeinflussen zu lassen, wie vor der Revolution durch die Quäkertracht Franklins und die englischen Moden. Seit dem Sturz des zweiten französischen Kaiserreichs ist man in Deutschland [* 6] redlich bemüht, sich von der Herrschaft der französischen Mode zu befreien. Doch haben diese Bemühungen bisher nur in Bezug auf die männliche Tracht Erfolg gehabt. So werden z. B. die Hutmoden alljährlich von Leipzig [* 7] aus bestimmt.
Modegewürz - Modena

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Seite 11.701.Die Bemühungen, eine Nationaltracht zu schaffen oder wieder zu beleben (Gustav III. von Schweden, [* 8] die deutschen Burschenschaften, die Magyaren u. a.), hatten stets nur vorübergehenden Erfolg; dagegen besteht seit 1848 fast völlige Zwanglosigkeit in der Tracht der Männer, innerhalb deren sich nur der Frack als allgemein anerkanntes Staatskleid behauptet. Die Geschichte der Mode im ganzen bildet einen nicht unwesentlichen Teil der Kultur- und Sittengeschichte, namentlich der des modernen Europa, [* 9] indem sich die ganze Sinnes- und Denkweise eines Zeitalters oft sehr charakteristisch in ¶
mehr
den äußern wandelbaren Lebensformen ausspricht. Die steife spanische Mode, die flotte Kleidung zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, die pomphafte Ludwigs XIV., die zierlich-frivole Ludwigs XV., die bürgerlich-schlichte um die Zeit des amerikanischen Befreiungskriegs sind zugleich die äußere Versinnlichung der geistigen Strömungen, welche die einzelnen Perioden beherrschten. Näheres über die geschichtliche Entwickelung der Tracht s. Kostüm [* 11] (mit 3 Tafeln).
Die Beziehungen zwischen Tracht und bildender Kunst werden in den Ausdrücken: Perückenstil, Zopfstil angedeutet. Die Modenzeitungen sind deutschen Ursprungs, die älteste war die »Mode- und Galanteriezeitung« (Erfurt [* 12] 1758 ff.); am längsten behauptete sich das »Journal des Luxus und der Moden« von Bertuch und Kraus (Weim. 1786-1823). Gegenwärtig erscheinen in fast allen größern Städten Zeitschriften, welche neben den Kleidermoden weibliche Arbeiten u. dgl. behandeln und meist auch belletristischen Inhalt haben (»Die Modenwelt«, »Bazar«, »Leipziger Modenzeitung«).
Vgl. Hauff, Moden und Trachten, Fragmente zur Geschichte des Kostüms (Stuttg. 1840);
Louandre, Les arts somptuaires, histoire du costume et de l'ameublement etc. (Par. 1857-58, 2 Bde. Text u. 2 Bde. Tafeln);
Kleinwächter, Zur Philosophie der Mode (Berl. 1880);
Lessing, Der Modeteufel (das. 1884), sowie die Litteratur bei Kostüm.