mehr
Der rosige Schimmer des ersten Morgengrusses, der dem Rosa gilt, wiederstrahlt in der blauen Flut der herrlichen Seen, die den Südfuss der Alpen schmücken, und fliegt hinüber, um sich im Marmordach des Domes von Mailand zu spiegeln. Die Purpurglut, die der scheidende Sonnenstrahl an jenen Zinnen entzündet, wirft ihren Abglanz auf die Superga und in die Hallen des königlichen Palastes in Turin. Ja, selbst der Schiffer auf dem Golf von Genua will, wenn er der alten Dogenstadt sich nähert, bei klarer Luft die fernen Spitzen des Monte Rosa erkennen. - Dieser thront denn auch als Herrscher mitten in jener Riesenschar fast ebenbürtiger Alpenfürsten, die ihre stolzen Häupter in engern und weitern Kreisen um ihn her aus der Masse des niederen Gipfelvolkes emporstrecken.
Nur einer ist es, der den Gruss von unten herauf empfängt und vor dessen Majestät sich auch der Monte Rosa beugen muss - der stolze Mont Blanc, der dort im Westen sein Haupt erhebt." (G. Studer). Von N. her macht der Monte Rosa einen weit weniger mächtigen Eindruck, weshalb es verständlich erscheint, dass er die Aufmerksamkeit der Topographen zuerst auf der italienischen Seite auf sich gezogen hat. Auf der das Herzogtum Mailand darstellenden Karte in der Ausgabe von 1584 des Atlas von Abraham Ortelius (Theatrum Orbis Terrarum) erscheint neben einer Reihe von andern Benennungen auch der Mons Rosio südl. von Impraborna (Zermatt). Es ist zweifelhaft, ob damit wirklich unser Gebirgsstock gemeint ist, da man damals mit «Mons» oder «Montê» fast ausschliesslich Pässe zu bezeichnen pflegte (so auf der gleichen Karte M. Genebre, M. Senis, M. Gales etc.). A. Wäber (Walliser Berg- und Passnamen vor dem 19. Jahrhundert im Jahrbuch des S. A. C. 40, 1905) gibt aber zu, «dass dieser M. Rosio auch ganz wohl auf den Monte Rosa bezogen werden könnte, der damit zum erstenmal unter einer Variante seines jetzigen Namens in die geographische Literatur eingeführt würde».
In des Zürchers Josias Simler De alpibus commentarius (Zürich 1574) findet sich folgende bemerkenswerte Stelle: Bei den Sedunern (Ober Wallis) ist ein Berg, den einige Silvius nennen; die Salasser (Valdostaner) haben ihm den Namen Rosa gegeben.
Auf diesem Berge liegt eine ungeheure Anhäufung ewigen Eises, über die man auf einer Strecke von fast vier Meilen zu den Salassern hinübergeht, und doch überragen sie noch höhere und schroffere Gebirge. Die Walliser nennen ihn nach dem Eise den «Gletscher». Damit erscheint der Name Rosa genau in seiner heutigen Form zum erstenmal in der geographischen Literatur, «allerdings zunächst als Bezeichnung für das Matterjoch, aber doch wohl auch für die höhern Gebirge, die es umstehen... Simler sagt hier übrigens nichts anderes, als dass der Mons Silvius von den Anwohnern auf beiden Seiten gleich benannt wird; denn Gletscher heisst im Dialekt des Aostathales Rosa». Je nach dem lokalen Idiom wird dieses Wort roësa, roise, roiza, rosa oder ruiza ausgesprochen, was dort die allgemeine Bezeichnung für «Gletscher» ist (vergl. auch den Namen M. della Roisa auf Giov. Antonio Magini's Karte Piemonte e Monferrato. Bologna 1620). Damit ist die Etymologie des Namens Monte Rosa klar. Man braucht ihn also, wie A. Wäber (a. a. O. S. 260) sagt, «nicht von der sehr fragwürdigen rosenartigen Form des Monte Rosamassivs herzuleiten [Saussure], noch von dem rosigen Schein, den ihm die aufgehende Sonne verleiht [L. v. Welden]; man braucht ihn auch nicht nach der roten Gesteinsfarbe als „Montagna rossa“ zu bezeichnen [Alb. Schott], noch endlich auf das unvermeidliche keltische ros = Spitze zurückzugreifen [Alb. Schott]; der Monte Rosa ist einfach der Gletscherberg. Das Appellativ Rosa, das ursprünglich ganz allgemein Gletscher, dann speziell das Gletschergebiet in der Nähe des Matterjochs bezeichnete, ist zuletzt als Eigenname an dem höchsten Haupte dieser Gletscher haften geblieben».
Auch die schweizerischen Geographen des 18. Jahrhunderts kennen den Monte Rosa; so wird er von J. J. Scheuchzer in seinen Itinera Alpina 1723 und von Gottlieb Sigm. Gruner (Die Eisgebirge des Schweizer Landes) 1760 erwähnt. Die erste genauere Topographie und Hypsometrie des Monte Rosastockes und den ersten Bericht über eine Rundtour um ihn von Macugnaga nach Zermatt (1789) verdankt man dem Genfer Naturforscher Horace Bénédict de Saussure. Die ersten Versuche, den einen oder andern Gipfel des Stockes zu besteigen, hatten aber schon vor Saussure's Reise angefangen.
Sieben Männer aus Gressoney, darunter Sebastian Linty, Joseph Zumstein und Nikolaus Vincent, erreichten Mitte August 1778 den sog. Entdeckungsfelsen (4366 m) w. vom Lysjoch, von wo sie das eisbedeckte «Verlorene Thal», d. h. das Sammelbecken des Gornergletschers erblickten. Die gleiche Tour wurde von den Gressoneyern 1779 und 1780 wiederholt, wobei sie sich überzeugten, dass das «Verlorene Thal» nichts anderes als die oberste Stufe des Zermatter Thales war. Noch vor 1787 ¶
mehr
machte dann Graf Morozzo den Versuch eines Aufstieges von Macugnaga her, erreichte aber nur eine Höhe von 2900 m. Es folgte am die Besteigung des jetzt Punta Giordani geheissenen Gipfels (oder vielleicht auch nur eines Vorgipfels desselben) durch den Arzt Pietro Giordani. Der «Monte Rosa» dagegen, den der Franzose Henri Maynard 1813 erreicht haben soll, kann nichts anderes sein als das Breithorn. Die von Dr. Friedrich Wilhelm Parrot (1791-1851) zusammen mit Joseph Zumstein im September 1817 unternommene Besteigung des jetzt Vincentpyramide genannten Gipfels misslang wegen dichten Nebels, während dann Johann Niklaus Vincent am als erster den Gipfel tatsächlich erreichte. Am 10. August des gleichen Jahres gelangte auch der Kanonikus Bernfaller, Pfarrverweser zu Gressoney la Trinité, mit einem Jäger auf diese Spitze.
Die dritte Besteigung fand zwei Tage später durch Joseph Zumstein und J. N. Vincent statt. Die Zumsteinspitze erhielt den ersten Besuch am durch Joseph Zumstein, Ingenieur Molinatti und die Brüder Joh. Niklaus und Joseph Vincent mit Führern und Trägern. Der Name Cime de la belle Alliance, auf den sie bei diesem Anlass den Gipfel tauften, hat aber in der alpinen Literatur keinen Anklang gefunden. Erste Besteigung der Ludwigshöhe 1822 durch Ludwig von Welden, der Signalkuppe oder Punta Gnifetti 1842 durch den Pfarrer Giovanni Gnifetti, der Dufourspitze 1855, des Nordends 1861 und der Parrotspitze 1863. Mit der ersten Besteigung der Zumsteinspitze war auch die erste Ueberschreitung des Lysjoches (4277 m) verbunden, doch fand die erste vollständige Traversierung der Kette von Thal zu Thal erst 1859 statt (s. den Artikel Lysjoch).
Der höchste Gipfel des Massives und damit zugleich der Schweiz überhaupt ist die durch Bundesbeschluss vom nach General Dufour, dem Schöpfer der 25 blättrigen topographischen Karte der Schweiz in 1:100000, so benannte Dufourspitze (4638 m), um die sich als Schultern noch die Westspitze (etwa 4450 m), die Ostspitze (etwa 4630 m) und der genau auf der Landesgrenze stehende Grenzgipfel (4631 m) gruppieren. Dieser höchste Gipfelkamm wurde früher von den Bewohnern des Zermatter Thales Gornerhorn genannt und in der alpinen Literatur wohl auch als Höchste Spitze bezeichnet.
Die ersten von Zermatt, d. h. von der Schweizer Seite her unternommenen Versuche zur Besteigung des Monte Rosa und zwar speziell der «Höchsten Spitze» begannen 1847 (Professoren Ordinaire und Puiseux) und wurden fortgesetzt 1848 (Prof. Melchior Ulrich), 1849 (M. Ulrich, G. Studer und Dr. Lauterburg), 1851 (Brüder Ad. und Hermann Schlagintweit) und 1854 (E., J. G. und Chr. Smyth und - unabhängig von ihnen - J. E. Kennedy), bis dann am die Spitze durch die schon genannten Revs. J. G. und Chr.
Smyth in Begleitung von Hudson, Birkbeck und Stevenson und mit den Führern Ulrich Lauener aus Lauterbrunnen, Johann zum Taugwald und zwei andern Zermattern endlich bezwungen wurde. Den zweiten Besuch erhielt sie dann schon am durch eine Gesellschaft von nicht weniger als 10 Personen (worunter J. J. Weilenmann und Bucher). Der von diesen beiden ersten erfolgreichen Expeditionen eingeschlagene Weg ist bis heute die übliche Anstiegsroute geblieben und geht von der 1895 erstellten Bétempshütte des S. A. C. auf dem Untern Plattje (2990 m; 3 Stunden über dem Riffel-Hotel) in sö. Richtung über die Gletscherinsel «Auf dem Felsen» und den Firn des Oberen Plattje gegen den «Sattel» (4354 m) und von da auf dem Kamm stufenweise weiter nach O. bis zur Dufourspitze (5-6 Stunden).
Diese «dacht sich etwas gegen S. ab, ist aber nur so breit, dass höchstens drei Personen gedrängt hintereinander Platz haben». Seither ist diese höchste Monte Rosa-Spitze ein beliebtes Touristenziel geworden. Prachtvolle und umfassende Aussicht, besonders frappant gegen die italienische Seite hin, wo an schönen Sommermorgen zu Füssen des Besteigers oft ein ungeheures Nebelmeer wallt. Panorama von X. Imfeld. Erste Winterbesteigung am durch Vittorio Sella mit zwei Führern und einem Träger.
Neben dem seit 1855 üblichen Weg über den NW.-Kamm und den Sattel des W.-Grates und seinen drei (beim Sattel zusammentreffenden) Varianten hat man seither auch neue Anstiegsrouten gefunden. Deren schwierigste und gefährlichste führt von Macugnaga her über den Jägerrücken im Macugnagagletscher gegen den Grenzgipfel und von da zur Dufourspitze und wurde zum erstenmal 1872 durch W. M. und R. Pendlebury und Rev. C. Taylor mit den Führern Gabriel Spechtenhauser, Ferd. Imseng und Giov. Oberto erfolgreich begangen. Im Gebiet des Monte Rosa bestehen folgende Schutzhütten: die Bétempshütte des S. A. C. auf dem Untern Plattje (2990 m), die Observatoriumshütte beim ¶