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1777 die ältere Linie Vückeburg im Mannsstamm und der Besitz ging auf die Linie Alverdissen über. In dieser war dem Stifter 1723 dessen Sohn Friedrich Ernst gefolgt, der 1749 zu Gunsten sei- nes Sohnes Philipp Ernst verzichtete. Auf diesen, der sich Graf von Schaumburg-Lippe-Vückeburg nannte, folgte 1787 sein Sohn Fürst Georg Nil- b elm (i.d.) zu S., zunächst nntcr der Vormundschaft seiner Mutter, der 1807 dem Rheinbünde bcitrat und sich nntcr schweigender Zustimmung Frankreichs den Titel Fürst (princo) beilegte. Er verlieh dem Lande 15. Jan. 1816 eine Verfassung, die auf einer Lan- desvertretung durch die Ritterschaft, die Städte und die Bauern in einer Kammer mit geschlossenen Sitzungen beruhte. Wichtig ward der Landtag von 1818, auf welchen: das Finanz-und Steuerwesen geregelt wurde. Der Fürst übernahm die auf der Landeskasse ruhenden Schulden im Betrage von 106000 Tblrn. und erhielt dagegen die etwa gleich viel betragenden Forderungen dieser Kasse über- wiesen, so'daß das Land auf solcke Weise schulden- frei wurde. 1848 wurden verschiedene wesentliche Veränderungen der Verfassung mit dem Landtage vereinbart. Auf Georg Wilhelm folgte in der Regie- rung 21. Nov. 1800 fein Sohn Fürst Adolf (s. d.). 1866 entschied sich S. 14. Juni für den österr. Mo- bilisiernngsantrag und schickte sein Truppenkontin- gent auf Bundesbefehl nach Mainz, trat aber 29. Juni aus dem Bunde aus und schloß sich 18. Aug. dem Bündnisvertrage mit Preußen und somit dem Nord- deutschen Bunde, 1871 dem Deutschen Reiche an. Inzwischen wurde mit einem konstituierenden Land- tage das Landcsverfasfungsgesctz vom 17. Nov. 1868 l s. oben) vereinbart. Zu erwähnen ist die Einführung von Stempclmarkcn (1870), diejenige einer Immo- (1871), einer klassifizierten Einkommensteuer (1871), ferner ein Gesetz über den fürstl. Civilstandsdienst (1872) sowie ein solches über Vermessung und Katastricrung des Landes (1873). Ein Gesetz vom 20. Aug. 1884 re- gelte den Grundcrwerb und'die dingliche Belastung der Grundstücke, und endlich brachten vier Gesetze vom20.Ian. 1885 dem Lande eine Gewerbe-, Grund- und Gebäudestcucr sowie eine Umgestaltung der seit 1871 bestehenden klassifizierten Einkommensteuer. Dem Fürsten Adolf (gest. 8. Mai 1893) folgte dessen Sohn Fürst Georg (s. d.) in der Regierung des Landes. Die Thronfolgefrage im Fürstentum Lippe (s. d.) wurde durch den Tod des Fürsten Woldemar (20. März 1895) akut; zunächst wurde der jüngste Bruder des Fürsten Georg, Prinz Adolf von S., durch eine testamentarische Bestimmung des Für- sten Woldemar zum Regenten in Lippe eingesetzt und 23. April vom Landtage als solcher bestätigt bis zur Entscheidung der Tbronfolgefrage. Schaumburg-Lippe, Wilhelm Friedrich Ernst, Graf zu, s. Wilhelm. Schaumburg-Lippische land- und forst- wirtschaftliche Berufsgenoffenschaft zu Stadthagen, s. Land- und Forstwirtschaftliche Berufsgenosscnschaften. Schaumcikade, s. Schaumzirpe. Schaumgips, s. Gips. Schaumkalk, im Zechsteindolomit vorkommende zerreibliche Massen, die aus reinem kohlensaurem Kalk (Aragonit) bestehen, sich aber als ein Umwand- lungsprodukt von schwefelsaurem Kalk (Gips) er- weisen. Andererseits werden aber auch als ^. eigentliche ursprüngliche Kalksteine bezeichnet, die mit schmutzig-gelblichen oder rötlichen Farben in der untern Abteilung der Muschelkalkformation auf- treten und sich durch feinporöse Struktur auszeichnen. Dieser letztere S. liefert trefflichen Banstein. Schaumkraut, Pflanzcngattung, s. (^räamink. Schaumünze, s. Medaille. Schaumweine oder moussierende Weine, Champagner, durch besondere Behandlung be- reitete schäumende Weine, im Gegensatz zu den stillen Weinen, wozu auch der stille Champagner ^s.d.) gehört. lS. auch Sekt.) Die Herstellung dcr S. geschiebt nach verschiedenen Methoden. Außer der franz. Originalmethode aus der Champagne werden beute namentlich zwei andere Herstellungsweisen benutzt: 1) Bereitung von Schaumwein durch Ein- pressung von Kohlensäure. 2) Die Verfahren von L. Iounay H E. Maumcne', L. Rousseau, Carpcne', König, Gauther, Walfand. Bei der Herstellung nach der franz. Originalmethode trifft man eine sorgfältige Auswabl der Traubensorten (schwarzer Burgunder, frz. 1'Iant. äor6; Müllertraube, frz. I^inoau ^leuniei", (3i-08 1'inot dilme ^ligi-äonlrv; ?6tit ?iiwt dlllno ^weiße Champagnertraube oder I^)in6tt^). Der rohe Wein (Ki-uy ist herb und zuckerarm, deshalb wird der von der Kelter fließende Most nach der Gärung niemals rein verwendet, sondern es werden die verschiedenen Iungweine miteinander vcrstochen. Das Verstechen (I^cou- MF6) dient dazu, die verschiedenen Lagen (ei-uz) im richtigen Verhältnis (ciiv^o) für die Fabrikation zu benutzen. In der Champagne werden gewöhnlich vier Fünftel Wein von blahrotcr Farbe aus dem Safte der blauen Trauben und ein Fünftel Wein aus weißen Trauben gemischt. Der blaßrote Wein giebt den weinigen Grund, Milde und Rundung, der weiße Delikatesse und Frische. Oft wird auch gleich gemischter Rcbsatz angebaut und gekeltert. Alle Mischungen werden auf den Zuckergehalt unter- suckt und geschönt. Nach" vier Wochen ist die Mischung staschenreif. In diefem Stadium unter- scheidet der Wein sich nicht von den gewöhnlichen Iungweinen. Um ihm die Eigenschaft der S. zu geben, muh eine neue Gärung erregt, zugleich aber das Entweichen der dabei gebildeten Kohlensäure verhindert werden. Da aber in dem vergorenen Wein kein gärungsfähiges Material mehr enthalten ist, so muß man, um neue Gärung einzuleiten, Zucker zusetzen. Bevor man den Zusatz von Zucker macht, erfolgt das Abfüllen auf Flaschen (1ii'HF6). Diese Flaschen werden mit dem Hals nach unten, später in borizontalcr Lage auf Stellagen in großen Keller- gewölben aufgeschichtet. Mit Hilfe des Glykoöno- meters (eines Saccharimeters) muh vor der Füllung in Flafchen ganz genau die im Wein enthaltene Zuckermenge bestimmt werden. Erscheint dieses Ouantum nicht zureichend, so wird ein genau be- rechneter Prozentsatz Kandiszucker hinzugefügt. Man löst daher in je 100 1 Wein ^,5 bis 3 k^ besten weißen ungcbläutcn Rohrzuckerkandis (Dercl). Die gebildete Kohlensäure bleibt, da sie nicht ent- weichen kann, im Wein gelöst. Nach beendeter Gärung tlärt sich der Wein, indem die Hefe sich in der Flasche abscheidet. Da der Champagner in der Flasche, in der er entstanden ist, in den Handel kommt, so muß die Hefe bis auf die letzte Spur durch eine langwierige Operation entfernt werden; zu diefem Behufe werden die einzelnen Flaschen unter geringem Rütteln schwach geneigt, so daß der Hals etwas abwärts gerichtet ist. Hierdurch schiebt
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sich die Hefe gegen den Hals hin. Nach 12-14 Ta- gen wird dasselbe wiederholt, aber der Flasche eine etwas stärkere Neigung gegeben. Dies wird so lange fortgesetzt, bis die Flaschen endlich auf dem Kopf stehen und die Hefe unmittelbar auf dem Kork liegt, während der Wein völlig blank ist. Dann erfolgt die eigentliche Fertigmachung. Jede Flasche wird wieder geöffnet (das Degorgieren) und die Hefe entfernt. Dieses Degorgieren erfordert große, durch lange Übung erworbene Geschicklichkeit. Hier- auf erfolgt das Dosieren. Der in den Flaschen befindliche Wein ist klar und hat die richtige Kohlen- säuremenge, allein es fehlt noch der fog. Liqueur, ein Zusatz von einer Lösung von reinem Rohrzucker- kandis in bestem Champagnerwein oder Cognac, der ihm seinen süßen und lieblichen Geschmack erteilt und von welchem jede Flasche von 800 ccm Inhalt eine gcnau bestimmte Dosis empfängt, erforderlichen Falls auch eine Färbung. Nach der Dosierung, die durch eigenartige Apparate geschieht, solgt die Schließung der Flaschenösfnung mittels eines ge- preßten Korks, der mit Eisendraht und Bindfaden befestigt wird. Diefe Operation wird Ficellieren genannt. Hat der Pfropfen nicht die richtige Stel- lung, so läßt er nicht selten Gas zischend entweichen und es erfolgt später kein Knall. Die letzte Ausstat- tung (das Coiffieren) empfangen die Flafchcn durch Umkleiden des Pfropfens und des Halses mit Stanniol, Lack oder Metallkapseln und Auf- kleben der Etikette. Zur Erzeugung eines Mousseux von 1 Atmosphäre find 4,56 F Rohrzucker erforder- lich. Um nun für jedes andere Mousseux die nötige Menge Zucker zu berechnen, so hat man nur nötig, die verlangte in Atmosphären ausgedrückte Stärke des Mousseux mit 4,56 zu multiplizieren. Der Druck in einer Champagncrflasche beträgt bei Cremant ls. unten) bis 4 Atmosphären, bei Mousscux4-4^, bei Grand-Mousscux 4^--5 Atmosphären: bei 7 und 8 Atmosphären springen die Flaschen. Die ge- naue Ausrechnung des Zuckerbedarfs ist deshalb wichtig, um den Bruch der Flaschen soviel als mög- lich zu vermindern: beim Gären springen im nor- malen Falle durchschnittlich 4 Proz. aller Flaschen. Der echte Champagner mousseur ist ein feuriger, leichter, äußerst angenehmer Süßwein mit großem Gehalt an Kohlensäure. Man unterscheidet nach dem letztern drei Sorten: Crem ant, die leich- teste, mehr Nabm als Schaun: entwickelnd; dann Mousseux und Grand-Mousseux. Außerdem giebt man dem Champagner noch besondere Be- zeichnungen, öfters auch nach der Farbe, für die man gegenwärtig Gelb oder leichtes Nosa wählt. Die Bereitung des Champagners befchäftigt eine große Anzahl von Geschäftshäusern in Städten wie Ay, Avenay, Cramant, Ogcr, Le Mesnil-sur-Oger, Dizy Magcnta, Mareuil-sur-Ay, Cumieres, Haut- villers, Epernay, St. Thierry, Marsilly, Hermon- ville, Reims, Sillery, Verzy, Vcrzcnay, Mailly, Ludcs, Chigny, Rilly, Bouzy, St. Basle, Aubonnay, oder auf den Hügeln von Reims und St. Remy und südlich von der Cöte d'Avize. Unter diesen Orten sind einige sehr bekannt, so z. B. Sillery, dessen Name früher allgemein zur Bezeichnung des Champagners diente; es ist ein Schloß und gehört dem Hause Iaequeson H Fils. Am linken Marneufcr das be- rühmte Schloß von Vcuve-Clicquöt, jelüge Inhaber Werlö& Co. In Epernay an der Marne ist der Haupt- fabrikplatz für den Champagnerwein aus Flußwein (vin8 äe 1a i-iviöi-e), zum Unterschied von dem aus der Umgegend von Reims aus Gebirgswem (ving ä6 1a nionwFN6). In Chalons-sur-Marne, dicht am Bahnhöfe, liegen die Champagnerkeller der Firma Iacqueson & Fils, die gegen 4 Mill. Fla- schen enthalten. Nur wenige Marken fthren den Namen der jetzigen Besitzer; so sind z. B. die Mar- ken N. H. Schneider, Reims vom Hause Louis Röderer, Heidsieck & Co. vom Hause Waldbaum, Lülleng H Gouldcn erworben worden. Folgende deutsche Namen finden sich unter den franz. Cham- pagnerfabrikantcn oder Marken: Schlumpe, Koch, Bisniger, Wächter, Rödcrer, Abele, (^chweder, Schneider, Bumiller, Werle' (früher Weber), Lopf, Deutz, Geldermann, Vollinger, Pfungst, Heidsieck, Krug, Waldbaum, Mumm, Kurz, Bruch, Vuchard, Volt, Piper, Kunkelmann, Heidelberger. Andere weltbekannte Firmen sind noch Cliquot-Veuve und Eugene Clicquot (Inhaber Charles Benoit, de Ves- lud & Co.) in Reims; Duc de Montebello, Chacque- son, Chanoine, Moet & Chandon, Foucher, Ser- gent u. s. w. Die Wirkung ist in Bezug auf den menschlichen Organismus eine sehr anregende, belebende, auf- heiternde, wie sie kein anderes Getränk äußert; die Wirkung tritt in kurzer Zeit ein und verschwindet anch bald wieder. Der Champagner wird daher nicht nur als die Krone des Weingenusses betrachtet, sondern leistet auch Dienste als diätetisches Mittel. Er muß, um zu voller Wirksamkeit zu gelangen, kalt getrunken werden, frappiert, d. h. in Eis gekühlt. Die Champagnergläser sind entweder sehr hoch und spitzkegelförmig oder sehr niedrig, flachschalenförmig. Der moussierende Champagner ist erst in der Neu- zeit in den Kreis der Weine eingetreten. Vor der Anwendung der Korke als Verschlußmittel war seine Fabrikation unmöglich und diese soll von Dom Pcrignon, Pater-Kellermeisters der Abtei von Haut- Villcrs, herrühren, der von 1670 bis 1715 gelebt haben soll. Zum erstenmal öffentlich erwähnt wurde der Champagner 1718 mit dem Bemerken, daß er jetzt feit 20 Jahren bekannt fei; er bekam das Prä- dikat «petiliHnt» und die Volksnamcn «Pfropfen- trciber» oder «Teufelswein». Damals hielt man seine Bereitung für Zauberwerk und glaubte, daß Geheimmittel dazu notwendig wären. Nach der Provinz Champagne des alten Frankreichs erhielten die S. durch die Kriege von 1793 bis 1815, während welcher Zeit oft fremde Heere in der Champagne standen, von den Fremden den Namen Champagner, der sich später dann über die ganze Welt verbreitete. In Deutschland begann die Vereitung der S. zu- erst in Eßlingen am Neckar (Keßler & Georgi) und in Heilbronn (Zeller & Stauch), etwas später in Unterfranken (Würzburg) 1830, an der Mosel 1834. Man benutzt hierzu heute die Lothringer Weine und auch ein Gemisch von blauen Burgundertrauben mit Riesling. Es existieren gegenwärtig viele Fabriken in Deutschland für Vereitung von deur- fchem Schaumwein. Die bekanntesten Firmen sind: Vurgeff & Co. in Hochheim a. M.; Fuchs H Verum ebendaselbst: Matheus Müller in Eltville; Franz Kupferberg in Mainz; Cassella in Wiesbaden; Korts in Koblenz u. a. Alle diese Fabriken arbeiten nach der franz. Methode. Außer den oben erwähnten Ver- fahren ist noch zu nennen das Neihlensche Gürver- fahren. In der Wachenheimer Fabrik (Großherzog- tum Hessen) werden täglich über 6000 Flaschen nach Reihlen dargestellt. Die Gärung verläuft ohne Hefenabsatz und das Degorgieren fällt weg. Die