§. 1. Dem Worte nach ist es etwas, wodurch ein Mensch ärger gemacht wird. Das griechische und
lateinische Wort Scandalum heißt ein Fußeisen, das einem angelegt wird. Es pflegt auch bei den Griechen
vorzukommen, von dem Holz in den Mäusefallen, woran die Mäuse nagen und gefangen werden; von den
Beeren auf dem Vogelheerd.
Von Luther wird es in heil. Schrift durch
Falle,
Ps. 140, 6.
Ps. 141, 9. durch Strick,
Richt. 2, 3. und durch Netz,
Jos. 23, 13. übersetzt.
Es bedeutet also, wodurch man kann gefällt, gefangen werden. Daher verbietet GOtt,
3 Mos. 19, 14. dem
Blinden einen
Anstoß zu setzen.
§. 2. Im bildlichen Verstande bedeutet es einen
Anstoß auf dem Wege des christlichen Glaubens und Lebens, wodurch der Nächste
verhindert wird, weiter zu gehen, und also von der Wahrheit in Irrthum und von der Gottseligkeit znr
Sünde geleitet wird.
§. 3. Der Ursprung des Aergernisses ist nicht GOtt zuzuschreiben, sondern dem Teufel,
Matth. 13, 24. 25 ff. und denen,
welche sich von ihm in seinen verfluchten Stricken herum zerren lassen. Denn GOtt ist das allerheiligste und reinste Wesen,
welches die Herzen nicht zum
Bösen regiert,
Ps. 5, 5. Und wenn der Heiland,
Matth. 18, 7.
(1 Cor. 11,
19.). sagt: es muß Aergerniß kommen, so ist dieses muß nicht unumgänglich, sondern bedingungsweise. Es ist eine necessitas
non absoluta, sed hypothetica zu verstehen, weil nämlich die Welt, die Menschen, so böse sind, so kann
es nicht anders sein, es muß Aergerniß aus solchen Teufels-Lehren und Leben erfolgen. Wenn man mit Feuer unvorsichtig umgehet,
so muß Schaden geschehen; wenn man das Seinige nicht zu Rathe hält, sondern liederlicher Weise versplittert und verpraßt,
so muß man ein
Bettler werden etc.
§. 4. Man pflegt das Aergerniß einzutheilen m ein persönliches und thätiges oder wirkliches.
Jenes ist die Person, welche zu sündigen verleitet; dieses aber wird in ein gegebenes oder ein genommenes abgetheilt.
§. 5. Ein gegebenes Aergerniß ist eine äußerlich in die
Augen fallende Untugend, welche sich in Geberden, Worten und Werken
äußern kann, wodurch der Andere wirklich zur Sünde gereizt, verführt und also ärger, als er sonst ist, gemacht wird.
§. 6. Ein genommenes ist, wenn einer etwas mit Geberden, Worten und Werken thut, das nicht arg und böse gemeint,
jedoch übel ausgelegt wird, und man sich also an solchenDingen ärgert, woran man sich nicht ärgern
sollte. Das böse Herz kann durch das
Beste, durch die heilige ihm vorgehaltene Wahrheit, und durch die strenge und beschämende
Tugend geärgert, d. i. zum Widerstand gereizt werden. Aus Rosen können auch die Spinnen Gift saugen. Was kann ein Crucifix
dafür, daß vor ihm ein abergläubischer Papist niederfällt? Was kann die an sich gute und nützliche
Philosophie dafür, daß sie von vielen frechen Gemüthern zu hoch erhoben und zur Richter in der geoffenbarten Wahrheiten
bestellt wird? etc.
§. 7. Je leichter es ist Aergerniß zu geben, je gefährlicher ist es solches zu thun. Denn
die
Abscheulichkeit dieser Sünde befleckt die Seele und verdirbt solche dergestalt, daß sie aus dem Stande der Gnaden gesetzt,
der ewigen Verdammniß entgegenrennt.
§. 8. Aergerniß haben gegeben:
Aaron den Israellten mit dem gegossenen Kalbe,
2 Mos. 32, 4. Valaam durch Balak den Israeliten,
Offb. 2, 14. David den Feinden des HErrn durch seinen Ehebruch,
2 Sam. 12, 14.
Gideon mit dem Leibrock den Israeliten,
Richt. 8, 27. Die Kinder Zerujah, die dem David wollten zum Satan werben,
2 Sam.
19, 22.
Petrus, da er Christo zum Satan wurde,
Matth. 16, 23. Vasthi mit ihrem Ungehorsam ihren Unterthanen,
Esth. 1, 16. Das Volk
GOttes mit seinem Götzendienste,
Ps. 106, 36.
§. 9. Das meiste Aergerniß stiften I) Lehrer und Prediger, sowohl im Lehren, wenn sie Irrthümer hegen, Trennungen
verursachen, die Einfältigen mit Beredtsamkeit verwirren etc. (Des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren etc. Mal.
2, 7. 8.) als auch besonders im Leben. Ein gottloser Prediger dient in einer englischen Kleidung dem
Teufel, er ist eine Pestilenz in der Gemeinde; ein Irrlicht, das die Seelen auf
Abwege, auch wohl gar in den Morast verdammlicher
Sünden und ins ewige Verderben führt!
Ach! was für Zuwachs erhält nicht das Reich des Satans, wenn
es heißt: Unser Pfarr kann besser saufen, in liederlicher Gesellschaft Tabak schmauchen, spielen, tanzen, fluchen etc. als
wir.
Ach! daß doch keiner leichtsinnig vergäße, was
1 Tim. 3, 2.
2 Tim. 4, 5.
Tit. 1, 7. gesagt wird.
II) Die Obrigkcit, wenn sie nicht Sorge trägt für die wahre Religion, wenn sie irrige Lehrer duldet,
wenn sie gar abfällt. (S.
Abfallen §. 1. f.) Wenn sie in groben Sünden lebt. Wie der König, so die Unterthanen. Salomo
sagt ihnen, zu welchem Zweck sie auf dem Stuhl sitzen, nämlich alles arge mit ihren
Augen zu zerstreuen,
Sprw. 20, 8.
III) Eltern (Herren und Frauen) in Ansehung der Kinder, (Gesinde).
Absalom folgt seinem Vater David bald
nach im Ehebruch und Todtschlag,
2 Sam. 11, 2. 3. 4. 17.
c. 13, 14. 28.
c. 16, 22. Nadab seinem Vater Jerobeam,
1Kön. 15, 26. Wie
wollen denn solche Eltern, als schändliche Nachfolger der gottlosen
Athalia,
2 Chr. 22, 3. die Verwahrlosung
solcher unschuldigen Kinder am jüngsten Gericht verantworten? Kinder sind wie eine leere Tafel, worauf man schreiben kann,
was man will; sie sind ein
Spiegel, welcher die Gestalt dessen, was ihm vorgehalten wird, zeigt. Eltern sollen die Vermahnung
des Paulus,
Eph. 6, 4. als eine Richtschnur der Kinderzucht
vor Augen haben.
IV) Andere Menschen, in Ansehung des Nächsten. Das geschieht vornehmlich a) durch allerhand prächtigen Kleidern
oder Hurenschmuck,
Esa. 3, 16.
Sprw. 7,10. Kleiderpracht und Hoffahrt ist nichts Anders, als des Teufels Netz und Fallstrick,
wodurch der Mensch in GOttes Zorn und ewige Verdammniß geschleppt wird. b) DurchEntblößung
des Halses. Das ist die Speise der Wollust und verdammlicher
Begierden; die Mode wird hier keine Entschuldigung sein, denn
das, was Paulus sagt,Röm. 12, 2. geht alle Menschen an. Mir nach, spricht der Heiland, nicht der Mode, nicht der Welt nach.
Siehe
1 Cor. 4, 16.
c. 11, 4.
Eph. 5, 1. Meidet allen bösen Schein,
1 Thess. 5, 22. c) AergerlichcReden. Wie wir unter einander reden sollen, lehret uns,
Eph. 5, 19. und wer an die Rechenschaft, welche von jedem unnützen
Wort gegeben werden muß,
Matth. 12, 36. denkt, der wird
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