Edhem
Pascha, türk. Staatsmann, geboren um 1813 auf Chios von griechischen Eltern, wurde nach der Vernichtung seiner Heimatsinsel (1822) im Islam erzogen, erhielt seine weitere Ausbildung seit 1831 in Paris, beschäftigte sich besonders mit dem Bergwesen, ward nach seiner Rückkehr nach Konstantinopel im Generalstab angestellt, 1849 Adjutant des Sultans Abd ul Medschid und Chef der militärischen Abteilung des kaiserliches Hauses, Er fiel 1856 plötzlich in Ungnade und verlor seine Stelle bei Hof, ward jedoch bald dar auf Mitglied des Tansimatrats, dann durch die Gunst Reschid Paschas ein Jahr lang Minister der auswärtigen Angelegenheiten, 1864 Minister des Handels und Bankdirektor, 1870 Präsident des obersten Justizrats, 1871 Minister der öffentlichen Bauten, 1876 Botschafter in Berlin und im Februar 1877 nach Midhat Paschas Sturz Großwesir. Er verwaltete dieses Amt nicht ohne Geschick während des ganzen russisch-türkischen Kriegs bis zum Februar 1878, wo er durch Achmed Vewfik Pascha ersetzt wurde. Im Februar 1879 ward er zum Botschafter in Wien, 1883 zum Minister des Innern ernannt, trat aber 1885 von diesem Posten zurück.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Edhem
Pascha, türk. Staatsmann, geb. um 1813 von griech. Eltern auf der Insel Chios, wurde 1822 bei der Verwüstung der Insel von den Türken weggeschleppt, als Mohammedaner erzogen und 1831 auf Befehl des Sultans Mahmud II. mit andern jungen Türken nach Paris geschickt, um sich europ. Bildung anzueignen. Er besuchte daselbst vier Jahre lang das Institut Barbet und ebensolange die Ecole des mines. Nach Konstantinopel zurückgekehrt, wurde er als Oberst dem großen Generalstabe attachiert und stieg rasch bis zum Generalchef des großherrlichen militär. Hauses empor. Auch im Civildienst bekleidete er hohe Stellungen; er war Mitglied des Staatsrats, zeitweise Minister des Handels, der Justiz und der öffentlichen Arbeiten und zweimal Präsident des Kassationshofs. Nachdem er auch die auswärtigen Angelegenheiten einmal vorübergehend geleitet hatte, vertrat er die Pforte vom April bis Dez. 1876 als Botschafter in Berlin. Hierauf wurde Edhem Pascha neben Midhat Pascha als zweiter Bevollmächtigter in die Konferenz von Konstantinopel berufen, nach der plötzlichen Absetzung und Verbannung Midhats 5. Febr. 1877 zu dessen Nachfolger im Großvezierat ernannt, in welcher Stellung er in dem bald darauf eröffneten Kriege mit Rußland große Festigkeit zeigte und solange als möglich jeder Einleitung von Friedensverhandlungen entgegenwirkte. Noch vor deren Eröffnung trat er 11. Jan. 1878 von seiner Stellung zurück und wurde 1879 als Botschafter nach Wien gesandt, wo er bis 1883 blieb. Sodann März 1883 mit dem Portefeuille des Innern betraut, mußte er 1885 zurücktreten, weil er in der bulgar. Frage mit Festigkeit für Aufrechterhaltung des türk. Besitzstandes eintrat. Den ihm angebotenen Posten eines Präsidenten des Staatsrats schlug Edhem Pascha aus, ebenso den Gesandtschaftsposten für Paris, doch ging er 1886 nach der Krim, um im Auftrage seines Souveräns den russ. Kaiser bei seinem Besuche in Livadia zu begrüßen, und 1889 empfing er Kaiser Wilhelm II. in den Dardanellen. Seitdem lebte Edhem Pascha in Zurückgezogenheit. Er starb 21. März 1893 auf seinem Landsitz am Bosporus.